Samsung lässt die Revolution erstmal prüfen

  30 November 2016    Gelesen: 1275
Samsung lässt die Revolution erstmal prüfen
Samsung, das ist ein kaum durchschaubares Geflecht dutzender Beteiligungen der Familie Lee. Während es von deren Oberhaupt seit Jahren keine Nachrichten gibt, explodieren Handys, und Aktionäre fordern eine grundlegende Neuordnung.
Lee Kun-Hee ist offiziell der mächtigste Mann in Südkoreas Wirtschaft. Als Familienoberhaupt und Sohn des Samsung-Gründers kontrolliert er formell ein Firmenkonglomerat, das fast ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts seines Heimatlandes erwirtschaftet. Zu der Unternehmensgruppe gehören unter anderem Samsung Electronics, der weltweit führende Hersteller von Smartphones, Fernsehern und Speicherchips, sowie Versicherungen, Handelsunternehmen, Werften, Textilhersteller, Baufirmen, Freizeitparks und dutzende weitere Unternehmen.

Das Problem mit Lees Führung: Seit mehr als zwei Jahren hat man in der Öffentlichkeit nichts mehr von ihm gehört oder gesehen. Nach einem Herzinfarkt wurde der damals 71-Jährige ins Krankenhaus eingeliefert. Seitdem gibt es keinerlei Informationen über seinen Zustand - außer dass er noch am Leben sei. Einfluss auf Samsungs Geschäfte nimmt er offenbar aber nicht.

Was für andere Konzerne dieser Größe kaum denkbar ist, ist damit beim Elektronikgiganten Samsung Electronics seit mehr als zwei Jahren Realität: Der Posten des "Chairman" an der Spitze ist seit zwei Jahren faktisch nicht besetzt. Lees Sohn Lee Jae-Yong gilt zwar als designierter Erbe und einflussreichster Mann im Unternehmen wie in der Familie, doch formell ist er nur einer von mehreren Vize-"Chairmen". Den Vater zu Lebzeiten vom Thron zu stoßen, gilt in Südkorea und vor allem in der konservativ-hierarchischen Welt der Lees als Sakrileg.

Erschwert wird die Führungskrise dadurch, dass der alte Lee schon zu seinen aktiven Zeiten das Firmenkonglomerat weniger durch die formellen Kompetenzen als Chef des Flaggschiffs Samsung Electronics und andere Posten kontrollierte als durch ein kaum durchschaubares Netz gegenseitiger Beteiligungen der mehr als 60 Samsung-Firmen. Ermittler stellen auch einen Zusammenhang zwischen dem Konzern und dem Skandal um Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye her.

Holding statt Geflecht

Spätestens seit dem Debakel um das explodierende Smartphone Galaxy Note 7 halten viele der nicht zur Familie gehörenden Minderheitsaktionäre den Zeitpunkt für eine grundlegende Reform bei Samsung für gekommen. Doch Familie und Management wehren sich gegen entsprechende Forderungen.

So kündigte Samsung Electronics in Reaktion auf Vorschläge des US-Hedgefonds und Aktionärs in mehreren Samsung-Unternehmen, Elliott, eine Reihe von Zugeständnissen an die Anteilseigner an: Die Ausschüttung von Bar-Reserven des Unternehmens soll stark erhöht, eigene Aktien zurückgekauft und ein von der Lee-Familie und dem Management unabhängiges zusätzliches Mitglied in den Vorstand aufgenommen werden.

Bei der wohl einschneidendsten Forderung hat sich das Unternehmen jedoch erst einmal weitere Bedenkzeit erbeten: In den kommenden sechs Monaten will Samsung Electronics eigenen Angaben zufolge "rechtlich und wirtschaftlich" prüfen lassen, ob sich der Konzern eine völlig neue Struktur geben sollte. Elliott hatte gefordert, dass sich das Unternehmen in eine Holding und eine - am besten in den USA - börsennotierte operative Einheit aufspaltet.

US-Börsengang würde zu Transparenz verpflichten

Von einer solchen neuen Struktur verspricht sich der Hedgefonds ein effektiveres Management, transparente Eigentumsverhältnisse und damit einer höhere Bewertung der eigenen Aktien. Denn während alle komplexen Überkreuz-Beteiligungen in der Holding verwaltet würden, könnte sich die Führung der neuen Elektronik-Einheit ganz auf deren Geschäfte konzentrieren. Zudem, so die Hoffnung der Aktionäre, wären die Anteile an diesem Unternehmen einfacher zu bewerten als die des derzeitigen Samsung-Electronics-Konzern, der mit dutzenden weiteren Samsung-Firmen verbandelt ist und in dem der Einfluss und die Interessen der Lee-Familie kaum zu durchschauen sind.

Das Ergebnis dieser Prüfung sei völlig offen, betont Samsung Electronics offiziell. Doch Teilforderungen der Aktionäre will das Unternehmen offenbar von vornherein nicht in Erwägung ziehen. So hätte Elliott am liebsten auch den Mischkonzern Samsung C&T, an dem der Hedgefonds ebenfalls Anteile hält, in die Restrukturierung mit einbezogen. Und auch ein Börsengang in den USA scheint bei den Lees nicht auf Gegenliebe zu stoßen. Denn damit würde sich das Unternehmen auf die strengen US-Regeln zu Transparenz beim Management und bei den Eigentumsverhältnissen verpflichten. Ein Chef, von dem seit mehr als zwei Jahren nicht bekannt ist, ob er überhaupt bei Bewusstsein ist, wäre dann wohl nicht mehr tragbar.

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