Möglicher SPD-Kanzlerkandidat Scholz

  01 Dezember 2016    Gelesen: 537
Möglicher SPD-Kanzlerkandidat Scholz
Parteichef Gabriel macht es. Oder doch Martin Schulz? Wer sonst? In Sachen SPD-Kanzlerkandidatur wird einer gerne vergessen: Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz. Ein Fehler.
Keine Frage, wen man sich in Hamburg als Herausforderer von Angela Merkel wünscht. Dienstagabend, Bürgerforum in einer Schulaula im Nordosten der Hansestadt. "Was tun Sie, damit die SPD im kommenden Jahr einen guten Kanzlerkandidaten bekommt?", will ein Zuhörer von Olaf Scholz wissen. "Mit Gabriel oder Schulz lässt sich doch keine Wurst vom Brot ziehen."

Mit anderen Worten: Scholz soll antreten.

Hamburgs SPD-Regierungschef lächelt süffisant, als sehe er das ganz ähnlich. Seine Antwort folgt dann der offiziellen Sprachregelung der Genossen. Er sei "überzeugt, dass die SPD im Januar eine kluge Entscheidung treffen" werde, sagt der 58-Jährige. Der vom Fragesteller so gescholtene Parteivorsitzende Gabriel werde einen guten Vorschlag machen. Was auch immer das heißen soll - zumal seit dem Auftritt von Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft am Montagabend doch eh alles klar zu sein scheint: Sie wisse, welcher Sozialdemokrat Merkel herausfordern werde, sagte Kraft. Aber wer? Das wollte sie nicht sagen.

Rund 200 Bürger haben sich in Hamburg-Meiendorf versammelt, "Olaf Scholz im Gespräch" heißt das Format, mit dem der Sozialdemokrat seit Jahren durch die Stadt tingelt. 30 Minuten lang preist Scholz an diesem Abend die Erfolge der Landesregierung. Seine Erfolge.

Kein sozialdemokratischer Regierungschef ist in seinem Land so beliebt wie Scholz: Eine aktuelle Umfrage der Universität Hamburg sieht Scholz` SPD bei 48 Prozent. Demnach sind 75 Prozent der Hamburger Bürger mit seiner Arbeit zufrieden oder sehr zufrieden. Sogar unter den CDU-Wählern bewerten 69 Prozent der Befragten Scholz` Arbeit positiv. Ihm scheint derzeit alles zu gelingen: Die gerade mit jahrelanger Verspätung eröffnete Elbphilharmonie stößt in der Stadt auf Begeisterung - obwohl der Bau zehnmal teurer wurde als geplant.

Parteichef Gabriel hat am vergangenen Freitag höchstpersönlich daran erinnert, dass die SPD mit seinem Hamburger Genossen Scholz einen dritten möglichen Kanzlerkandidaten habe, neben ihm und Martin Schulz. Anders als kolportiert, empfand Scholz diesen Hinweis Gabriels keineswegs als ungeschickt oder gar störend. Warum auch: Es ist ja schlicht die Wahrheit. Im Lager der sogenannten Scholz & Friends hat man sich ohnehin ein bisschen gewundert, wie wenig der Hamburger Regierungschef seit einigen Monaten in der Debatte um die K-Frage auftauchte.

Scholz kann es in Sachen Selbstbewusstsein mit Gabriel und Schulz locker aufnehmen. Er ist sogar sehr überzeugt von sich und seinen Fähigkeiten. Was ihn von den Parteifreunden unterscheidet, ist sein hanseatisches Understatement. Scholz würde sich niemals aufdrängen. Sollte er am Ende tatsächlich Kanzlerkandidat seiner Partei werden, dann nur, weil die SPD ihn dazu aufgefordert hat. Das ist nach aktueller Lage nicht sehr wahrscheinlich. Aber eben auch nicht ausgeschlossen.

Die Kanzlerkandidatur hat der stellvertretende Parteivorsitzende Scholz jedenfalls zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen. Als es vor einigen Wochen im SPD-Vorstand mal wieder um die K-Frage ging, sagte Martin Schulz nach Angaben von Teilnehmern: "Ich will weiterhin Präsident des Europaparlaments bleiben", was inzwischen bekanntermaßen vom Tisch ist. Parteifreund Scholz hätte vor den Genossen in der Parteiführung nun ergänzen können, dass er selbstverständlich Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg bleiben wolle. Das tat er allerdings nicht, erinnern sich Teilnehmer. Scholz schwieg. Auch so kann man Signale setzen.

Dass die SPD wohl keinen anderen in ihren Reihen hat, der derart virtuos alle Ebenen der Politik beherrscht, ist unstrittig: Scholz kennt sich in der SPD-Parteizentrale aus, weil er dort einige Jahre als Generalsekretär diente. Er war lange im Bundestag, zuletzt als Fraktionsmanager. Und als Bundesminister hat der frühere Chef des Arbeitsressorts ebenfalls Erfahrung.

Scholz, daran gibt es kaum Zweifel in seiner Partei, wäre ein sehr guter Kanzler. Die Eigenschaften, die ihm in Hamburg am häufigsten zugeschrieben werden, sind der aktuellen Umfrage zufolge "Kompetenz" (97 Prozent), auf dem dritten Platz folgt "Führungsstärke" (84 Prozent).

Aber taugt Scholz zur Zugmaschine in einem Bundestagswahlkampf, könnte er die Genossen auch südlich von Hannover mobilisieren, wie man es Gabriel und Schulz zutraut? Das sehen selbst seine Fans als Schwäche. Beim Auftritt in der Meiendorfer Aula ist Scholz dann am stärksten, wenn er Fragen der Bürger beantwortet und seine Fähigkeit, Probleme zu lösen demonstrieren kann. Von seinem Einstiegsvortrag dagegen bleibt kein Satz in Erinnerung. Scholz kann Zuhörer mit seiner monotonen Stimme auch in den Schlaf reden.

"Der Hamburger Rechtsanwalt ist ein Mann von Maß und Mitte, der den Menschen im Zeitalter der Überforderung Vertrauen einflößt", schrieb das "Handelsblatt" gerade über Scholz. Klingt irgendwie bekannt? Genau, klingt nach Merkel. Nur: Scholz wäre als Kanzlerkandidat ihr Herausforderer.

Ob der SPD-Zeitplan aufgeht, erst Ende Januar über die Kanzlerkandidatur zu entscheiden, ist offen - als sehr wahrscheinlich gilt weiterhin, dass der Parteichef sich längst entschieden hat und selbst antritt. Das meinte wohl NRW-Ministerpräsidentin Kraft. Aber weil Entscheidungen Gabriels nie in Stein gemeißelt sind, bleibt ein Rest Ungewissheit. Falls er doch nicht will, wäre Schulz im Rennen - und Scholz. Der kann mit vielen in der SPD. Und er hat anders als Schulz mächtige Verbündete. Beispielsweise seine enge Vertraute Andrea Nahles. Wenn sich die Arbeitsministerin mit ihrem exzellenten sozialdemokratischen Netzwerk einschaltete, wäre schnell eine Pro-Scholz-Stimmung möglich.

Eines sollte man bei Scholz jedenfalls nie tun: ihn unterschätzen.

Quelle : spiegel.de

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