Das muss man zur Präsidentenwahl wissen

  04 Dezember 2016    Gelesen: 401
Das muss man zur Präsidentenwahl wissen
Schon wieder Wahl in Österreich? Diesmal soll sich wirklich entscheiden, wer der neue Bundespräsident des Landes wird. Die Personalie dürfte das Land verändern.
1) Warum wird in Österreich schon wieder gewählt?

Die Wahl des Bundespräsidenten wird längst als "unendliche Geschichte" verspottet. Am 22. Mai stimmten die Österreicher erstmals darüber ab, wer in die Hofburg in Wien einziehen soll. Das Ergebnis: Der Grüne Alexander Van der Bellen hatte rund 30.863 Stimmten Vorsprung vor dem Kandidaten der FPÖ, Norbert Hofer. Doch die "Blauen" klagten vorm Verfassungsgericht erfolgreich gegen das knappe Resultat – wegen Unregelmäßigkeiten.

Das Urteil nährte Verschwörungstheorien zur angeblichen Manipulation durch das politische Establishment, doch davon kann keine Rede sein. Hinweise auf eine bewusste Fälschung der Wahl gibt es nicht. Vielmehr führte die Schludrigkeit von Wahlhelfern zu dem Drama. Richtig peinlich wurde es für die Behörden, als auch der zweite Termin, der 2. Oktober, platzte. Der Klebstoff an neuen Briefwahl-Kuverts haftete nicht richtig.

2) Kann sich das Drama der vergangenen Wahlversuche wiederholen?

Die Behörden tun viel, um weitere Verstöße gegen das Wahlrecht zu vermeiden. Für die Briefwahl greifen sie nun wieder auf die bewährten Kuverts zurück, die bereits bis 2009 im Einsatz waren. Das Innenministerium entwickelte zudem ein E-Learning-Tool, das Wahlhelfer auf ihre Aufgabe besser vorbereiten soll.

Ausgeschlossen sind Fehler nie. Zudem gilt das Verfassungsgericht als ausgesprochen rigoros, wenn es um Beanstandungen geht. Ein dritter Patzer wäre nichtsdestotrotz eine Überraschung. Weil man sich dieses Mal besonders ins Zeug legen will, dass alles vernünftig abläuft, hat der zuständige Abteilungsleiter im Innenministerium die Österreicher schon auf einen langen Auszählungsprozess eingestimmt. Eine erste Hochrechnung werde es schon am Abend geben, das vorläufige amtliche Endergebnis womöglich aber erst am Dienstag.

3) Wofür stehen die Kandidaten?

Der 72 Jahre alte Van der Bellen ist ein Intellektueller. Der Wirtschaftswissenschaftler war vor seiner Pensionierung Universitätsprofessor. Van der Bellen ist durchaus geprägt von der 68er-Bewegung, steht heute allerdings als Kandidat des Establishments da. Beim ersten Durchgang stimmten vor allem die besser gebildeten Bürger aus der Stadt für ihn, insbesondere Frauen. Auch die Österreicher, die optimistisch in die Zukunft blickten, entschieden sich eher für Van der Bellen. Er gilt unter seinen Anhängern als Persönlichkeit, die Österreich gut im Ausland vertreten könnte. Van der Bellen ist Pro-Europäer und unterstützt die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel.

Hofer punktete bei den Leuten vom Lande, insbesondere bei Männern. Menschen, die pessimistisch auf die Zukunft des Landes blickten, stimmten auffällig häufig für ihn. Der 45-Jährige hat den Ruf, die Sorgen der Menschen zu verstehen. Anfangs sprach er sich für einen Referendum zum EU-Austritt Österreichs nach dem Vorbild des Brexit aus. Dann tat er so, als hätte er das nie gefordert. In der Flüchtlingspolitik bezeichnete er Migranten vor der ersten Wahlrunde als "Invasoren". Mittlerweile drückt er sich vorsichtiger aus. Hofers Kritiker werfen ihm vor, ein "Wolf im Schafspelz" zu sein – zumal seine Parteikollegen parallel zu seiner Deeskalationsstrategie immer radikaler auftreten.

4) Wodurch zeichnet sich der Wahlkampf aus?

Abgesehen von den vielen Pannen ist wohl vor allem die Polarisierung ein hervorstechendes Merkmal dieses Wahlkampfes. Befördert wird es durch den hemmungslosen Einsatz Sozialer Netzwerke. Sowohl das Van-der-Bellen- als auch das Hofer-Lager bespielen diverse Plattformen und setzten dabei zum Teil auf Bots und andere fragwürdige Instrumente. Van der Bellen hechelt der FPÖ dabei allerdings hinterher.

Insbesondere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache tat sich durch seine Social-Media-Aktivitäten negativ hervor. Ihm wurde der Post einer Hymne eines "Nazi-Dichters" am Nationalfeiertag vorgeworfen, um bestimmte Wähler abzuschöpfen. Er versuchte auch, Van der Bellen als vergesslichen Greis zu diffamieren. Er stellte ein Foto online, auf dem der Grüne wegen geringer Auflösung so aussieht, als hätte er vergessen, sich richtig zu rasieren.

5) Wer hat die besseren Chancen?

Wie bereits im ersten Durchgang ist mit einem knappen Rennen zu rechnen. Die jüngsten Umfragen des Instituts Unique Research sehen Van der Bellen mit zwei Prozentpunkten vorn, die des Meinungsforschungsinstituts Gallup Hofer mit 2 bis 4 Prozent. Unterschiede in dieser Größenordnung können allerdings durch statistische Ungenauigkeiten verursacht sein.

6) Was entscheidet die Wahl?

Unklar ist, welche Rolle der Sieg Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen haben wird. Einerseits besteht die Sorge, er könnte der populistischen FPÖ Auftrieb verschaffen. Genauso könnte er aber die Gegner der FPÖ an die Urnen treiben. So oder so gilt: Viele Wähler haben sich bei hoher Wahlbeteiligung (72,75 Prozent) bereits beim ersten Durchgang auf einen Kandidaten festgelegt. Die Österreicher blicken deshalb aufmerksam auf die, die zum ersten Mal abstimmen dürfen. Dabei handelt es sich um 17.000 Personen – darunter viele junge Leute, die 16 geworden sind, aber auch Tausende frisch eingebürgerte. Zudem haben sich mehr der 400.000 Österreicher, die im Ausland leben, für die Wahl registrieren lassen.

7) Welche Bedeutung hat die Wahl?

Während der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen zeigte sich bereits: Die Mehrheit der Anhänger Hofers und Van der Bellens halten die Entscheidung für eine Richtungswahl. Das hat viele Gründe: Auf die Entscheidung für einen Bundespräsidenten folgen 2017 und 2018 in gleich vier der neun Bundesländer Landtagswahlen. Gewinnt Hofer, sind zudem Neuwahlen des Parlaments denkbar. Der FPÖ-Mann punktet schließlich mit seiner Kritik an der Großen Koalition aus ÖVP und SPÖ, die im Land den Normalzustand darstellt. Gewinnt Van der Bellen wird es wohl zunächst nicht zu einer vorgezogenen Nationalratswahl kommen. Und wenn doch, wird FPÖ-Chef Strache wohl trotzdem nicht Bundeskanzler. Van der Bellen versicherte, dass er auch bei einem Sieg der FPÖ, der laut Umfragen derzeit wahrscheinlich wäre, Strache nicht mit der Regierungsbildung beauftragen würde.

Quelle: n-tv.de

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