In Peking zeigte man sich erzürnt über Trumps jüngstes Telefonat mit der taiwanesischen Führerin Tsai Ing-wen. Laut der Ein-China-Politik wird Taiwan durch Peking vertreten, und Dritte sollten auf offizielle Kontakte mit der abtrünnigen Insel verzichten. Allerdings wies Trump Pekings Vorwürfe zurück: „Warum sollte ich nicht den Gratulationsanruf der taiwanesischen Staatschefin beantworten, wenn man bedenkt, dass wir an dieses Land Waffen in Milliarden-Wert liefern?“
„Die Ein-China-Frage ist seit mehr als 50 Jahren vorrangig wichtig für dieses Land“, sagte der Leiter der Schule für Orientalistik an der Moskauer Higher School of Economics, Alexej Maslow. „Seit Jahrzehnten zwingt Peking verschiedene Länder, darunter Taiwan, zur ‚Vereinigung‘. Das bedeutet, dass Territorien wie Taiwan formell keine Völkerrechtssubjekte und keine eigenständigen diplomatischen Einheiten sind, allerdings selbstständige Handels- der Kulturkontakte auf nichtstaatlicher Ebene unterhalten dürfen, beispielsweise auf dem Niveau privater Unternehmen. China war nie gegen den Ausbau solcher Verbindungen, war aber immer misstrauisch gegenüber Besuchen von Amtspersonen in diesem Land. Die Volksrepublik hält Taiwan für ihre Provinz.“
Trump zweifelt jedoch daran, ob für Washington das aktuelle Format der Beziehungen mit dem Reich der Mitte nützlich ist. „Hat uns China etwa nach unserer Meinung vor der Abwertung seiner Währung gefragt, wodurch unsere Unternehmen weniger wettbewerbsfähig wurden? Oder vor der Erhöhung der Importzölle für unsere Waren? Oder vor dem Bau eines großen Militärkomplexes im Südchinesischen Meer? Ich kann mich an so etwas nicht erinnern“, schrieb der exzentrische Milliardär auf Twitter.
Vor wenigen Tagen zweifelte er in einem Interview für Fox News abermals den aktuellen Status Quo der Beziehungen mit China an. „Ich kann die Ein-China-Politik voll und ganz nachvollziehen, verstehe aber nicht, warum wir uns daran halten sollten – jedenfalls bevor China uns einen besseren Deal angeboten hat, darunter im Handelsbereich.“
„Die USA und Taiwan sind durch einen Vertrag von 1972 über militärische Hilfe im Falle eines Überfalls auf die Insel gebunden“, so Experte Maslow weiter. „Die Volksrepublik denkt seit vielen Jahren, dies wäre ein formeller Punkt, und die Vereinigten Staaten würden sich nicht in die Auseinandersetzungen zwischen der Insel und Peking einmischen. Aber Trumps Telefonat hat diese Konstellation verändert.“
Das Gespräch mit der Präsidentin von Taiwan sei „erst der Anfang eines langen Spiels und kein Fehler“ gewesen. „Einerseits sind die USA zur Fortsetzung der Handelsbeziehungen mit China bereit, wollen aber eine härtere unabhängige Politik auf anderen Gebieten ausüben. In Amerika verstehen viele inzwischen, dass Barack Obama China zu viel erlaubt hat: Bei der Entwicklung der Beziehungen mit Peking übersah der scheidende Präsident, dass die Volksrepublik nicht nur eine Handelsgroßmacht, sondern vor allem eine militärische Großmacht ist. Die USA werden versuchen, China unter Druck zu setzen, damit es innerhalb seines asiatischen Einflussraumes bleibt.“
In Peking zeigt man sich jedoch entschlossen, konsequent zu handeln. Laut westlichen Medienberichten könnten die Chinesen im Falle der weiteren Verschärfung der Kontroversen mit Washington unter anderem die internationalen Sanktionen gegen Nordkorea sabotieren und sogar die militärische Unterstützung Pjöngjangs wiederaufnehmen.
Quelle : sputnik.de
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