Ein kurzes Best-of seit dem 8. November: Trump platziert einen rechtsextremen Meinungsmacher im Weißen Haus. Er lässt mit Tweets Aktienkurse von Unternehmen abstürzen, deren Geschäftssinn ihm nicht passt. Er sät Zweifel am Wahlergebnis von Hillary Clinton. Er installiert einen Leugner des Klimawandels als obersten Umweltpolitiker. Er verprellt China und missbraucht Taiwan als Verhandlungsmasse. Er umgarnt die Präsidenten von Pakistan und Kasachstan. Ach ja, und: Er nimmt Wladimir Putin gegen seine eigenen Geheimdienste in Schutz und nominiert als Außenminister jemanden, der im Kreml herzlich willkommen ist.
Wäre Trumps Übergangsphase eine Fernsehserie, würde man sagen: Jetzt wird`s aber unrealistisch.
Gegner verlieren den Überblick
Natürlich ist nicht alles falsch, nur weil es gegen einen vermeintlichen Konsens verstößt. Es gibt Gründe, den Kurs der USA zu verändern. Amerikas Außenpolitik etwa war in den vergangenen Jahren kein Paradebeispiel für gutes Regieren, und ein paar neue Straßen kann das Land auch gebrauchen. Aber der Anarcho-Ansatz, mit dem der Milliardär durch die heimische Politik und die westliche Ordnung pflügt, ist verstörend. Noch verstörender ist, dass der Kurs ihm politisch nutzen könnte.
Wer glaubt, Trump werde mit seinem Kurs ganz sicher irgendwann gegen die Wand fahren, hat jedenfalls nichts aus dem Wahlkampf gelernt. Trump zerstört so schnell so viele innen- und außenpolitische Gewissheiten, dass seine Gegner schlicht den Überblick verlieren und nicht mehr wissen, wo sie eigentlich angreifen sollen. Die alten Regeln lassen sich auf ihn nicht anwenden. Trump machte gegen Hillary Clinton alles falsch - und gewann. Auch als Sieger bricht er nun ein Tabu nach dem anderen - und löst damit aus Sicht seiner Anhänger schon einmal das Versprechen ein, für fundamentalen Wandel zu sorgen.
Wer ihn unterstützte, muss in Feierstimmung sein: Es kommt alles noch besser als erwartet. Die Popularität des Wahlsiegers erreichte unlängst erstmals die 50-Prozent-Marke.
Sehnsucht nach starkem Mann
Für seine Präsidentschaft verheißt das nichts Gutes. Trump hat erkannt, wie sehr die Sehnsucht nach einem starken Mann den Blick für das Detail verstellt. Milliardäre im Kabinett? Er nimmt nur die Besten! Weg mit den alten Allianzen? Na klar, America First! Fahnenverbrenner ins Gefängnis? Aber hallo! Seine Interessenkonflikte? Er ist halt ein Unternehmer! Aus Sicht seiner Fans passt alles, was er macht, ins Bild des mutigen Herrschers, der es mit dem System aufnimmt. Er wird das auszunutzen wissen.
Natürlich: Es gibt Themen, aus denen sich Trump nicht so einfach befreit. Die nun schon seit einigen Tagen schwelende Diskussion um die mögliche Wahlkampfhilfe aus Russland zeigt das. Und auch seine Wahlkampfversprechen am Arbeitsmarkt könnten ihn angreifbar machen. Nichts hat das Band zu seinen Anhängern so gestärkt wie sein nationalistisches Mantra, amerikanische Arbeitsplätze vor den Gefahren der Globalisierung zu schützen. Am Ende, so würde man doch wohl meinen, werden ihn die Amerikaner daran messen, ob er dieses Kernversprechen eingelöst hat. Versagt er, wird er abgewählt.
Aber man sollte sich nichts vormachen: Sicher ist nicht einmal das.
Quelle : spiegel.de
Tags: