Bundesweit kam es in den vergangenen Tagen zu Demonstrationen gegen die geplanten Rückführungen an den Hindukusch. Afghanistan, so die Gegner der Abschiebungspolitik, sei alles andere als ein sicheres Herkunftsland. Immerhin starben dort laut UN seit 2009 rund 23.000 Zivilisten durch Krieg und Terroranschläge.
Trotz der Proteste werden Rückführungen von Flüchtlingen aus Deutschland nach Afghanistan wohl weitergehen. Einige afghanische Asylbewerber greifen daher nach Informationen der „Welt“ neuerdings zu einem kuriosen Trick: Sie bezichtigen sich selbst, Taliban-Kämpfer zu sein. Das wiederum stellt deutsche Behörden vor einige Probleme.
Paragraf 129 des Strafgesetzbuches als Hoffnungsanker
Die islamistische Taliban-Bewegung ist in der Bundesrepublik als ausländische Terrororganisation verboten. Ihre Mitglieder werden nach Paragraf 129 a und Paragraf 129 b Strafgesetzbuch von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe verfolgt. Wer sich den Taliban angeschlossen hat, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen.
Einige Afghanen scheinen dies bereitwillig und vielleicht sogar gezielt in Kauf zu nehmen. Sie behaupten beispielsweise in Asylgesprächen mit den Mitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), in Afghanistan für die Taliban gekämpft zu haben – oder dazu gezwungen worden zu sein. Die bizarre Folge: Im schlimmsten Fall werden die Flüchtlinge festgenommen und verurteilt – aber eben nicht abgeschoben.
„Der Sachverhalt ist dem Bundesinnenministerium bekannt“, berichtete eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage. Asylsuchende würden in der Tat behaupten, sie selbst oder ihre Familienmitglieder hätten in Afghanistan die Taliban unterstützt oder seien zur Zusammenarbeit mit diesen gezwungen worden. „Diese Behauptungen können zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland führen“, hieß es weiter. Die Sicherheitsbehörden würden die Fälle sehr ernst nehmen und entsprechend verfolgen.
Am Ende kommt es meist gar nicht zu einer Anklage
Wie die „Welt“ aus Sicherheitskreisen erfuhr, stieg die Zahl dieser terroristischen Selbstbezichtigungen unter Afghanen in den vergangenen Wochen deutlich an. Sowohl die Landeskriminalämter (LKA) als auch das Bundeskriminalamt (BKA) bekommen gehäuft Meldungen von selbst ernannten Taliban-Kämpfern. Hinreichende Belege für eine Mitgliedschaft bei der Terrorgruppe gab es allerdings bislang nur in wenigen Fällen, heißt es vonseiten der Ermittler.
Seit Oktober ließ die Bundesanwaltschaft drei Afghanen festnehmen, bei denen es sich um ehemalige Taliban-Kämpfer handeln soll. Wajid S., 19, Abdullah S. K., 17, und Hekmat T., 20, stehen im Verdacht, bei den Taliban eine terroristische Ausbildung an Schusswaffen erhalten zu haben. Zwei Verdächtige sollen zudem an Angriffen auf afghanische Sicherheitskräfte beteiligt gewesen sein. Die Männer sitzen derzeit in Untersuchungshaft. Ob es in den Fällen auch tatsächlich zu Anklagen kommen wird, ist noch unklar.
Gerichtsfeste Belege für Terroraktivitäten werden deutsche Ermittler kaum erhalten, heißt es in Sicherheitskreisen. Auch weil die Zusammenarbeit mit den afghanischen Behörden in diesem Bereich eher schlecht als recht funktioniert. Die Ermittlungsverfahren gegen die angeblichen Taliban werden also womöglich ergebnislos eingestellt. Abgeschoben werden die Afghanen jedoch trotzdem nicht. Sie könnten darauf verweisen, dass ihnen in der Heimat Folter oder gar die Todesstrafe droht – und das wiederum wäre ein Asylgrund.
Quelle : welt.de
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