So verzögerte Hamburg die Terrorfahndung
Die Fahndung über soziale Netzwerke wie Facebook nach dem mutmaßlichen Attentäter von Berlin, Anis Amri, konnte auf der Seite der Hamburger Polizei erst mit einer Verzögerung von mehreren Stunden erfolgen. Der Grund: Der Justizsenator der Stadt, Till Steffen (Grüne), hatte erst dann eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Denn Hamburg und Bremen, beide von einer Rot-Grünen Koalition regiert, haben im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern eine Fahndungs-Verordnung des Bundes bisher nicht umgesetzt. Diese hätte der Polizei ohne Rücksprache freie Hand gegeben, umgehend das Foto des Tunesiers zu veröffentlichen.
Justizsenator Steffen gilt gemeinsam mit dem Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar als der vehementeste Kämpfer gerade gegen beleidigende Kommentare und die sogenannte Hate-Speech im Internet. In diesem Zusammenhang sieht Steffen in bestimmten Fällen auch die Öffentlichkeitsfahndung via Facebook besonders kritisch. Er verweist darauf, dass auf der Seite der Polizei häufig beleidigende und volksverhetzende Kommentare gepostet werden. Am Donnerstag nun, so schilderte es Polizeisprecher Timo Zill der „Welt“, wurde einer Anfrage des Bundeskriminalamts nach einer Facebook-Fahndung zunächst nicht nachgekommen, weil das den generellen Vorgaben in Hamburg nicht entsprochen hätte.
Steffen erteilte erst nach Nachfrage Genehmigung
Es habe aber zunächst keinen Kontakt zur Justizbehörde gegeben. Erst nachdem sowohl die Hamburger Innenbehörde sowie ein „Bild“-Journalist bei der Justizbehörde konkret nachgefragt hätten, wurde durch Senator Steffen eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Thomas Baer, Sprecher der Hamburger Justizbehörde, begründete die Genehmigung damit, dass es sich hier um eine „staatsgefährdende Straftat von erheblicher Tragweite“ gehandelt habe. Steffen habe aber in diesem konkreten Fall nicht zuvor ein spezielles Verbot ausgesprochen, via Facebook zu fahnden.
Generell hat die Hamburger Justizbehörde jedoch ein Problem damit, dass es Facebook Unternehmen und staatlichen Stellen wie Behörden nicht ermöglicht, die Kommentarfunktion ganz auszuschalten. Um dieses zu erreichen, so Baer, habe man erst am Donnerstag erneut mit Facebook gesprochen. Sobald das möglich sei, würde auch Hamburg die Verordnung umsetzen. Die Lösung der anderen Bundesländer, die Kommentarseiten zu moderieren und Beiträge auch zu löschen, hält man nicht für praktikabel – zu schnell seien viele der Einträge im Umlauf, oft käme es auch zu hetzerischen Einträgen bis hin zur Aufforderung nach Lynchjustiz. Eine Überwachung der Einträge rund um die Uhr könne zudem nicht gewährleistet werden. Problematisch sei weiterhin, dass zuweilen auch Hinweise durch Zeugen auf den Seiten zu finden seien, die dann auch ein möglicher Täter einsehen könnte.
Polizei prüft Verbindung zum Alster-Mord
Über Facebook gefahndet worden war zuletzt auch nach dem Mörder eines 16 Jahre alten Jungen, der im Oktober an der Außenalster von einem unbekannten Mann erstochen worden war. Damals hatte es zahlreiche beleidigende Kommentare und Mutmaßungen in dem Polizei-Kanal gegeben. Am Donnerstag wurde durch einen Abgleich des damals erstellten Phantomsbilds des Täters mit dem Foto Amris eine mögliche Täterschaft des Tunersiers überprüft. Am Freitagmorgen hieß es jedoch bei der Hamburger Polizei, dass man nicht annehme, dass der gesuchte Tunesier und der in Hamburg Gesuchte die selben Personen sind. Allerdings habe man dies klären müssen, um keine Spur auszulassen.
Die Hamburger CDU sieht in der verzögerten Facebook-Fahndung einen Beleg dafür, dass Senator Steffen sich „zu einem ernsthaften Sicherheitsrisiko für Hamburg“, entwickelt. Es sei ein Skandal, dass Steffen in der größten Bedrohungslage seit Jahrzehnten aktiv die Öffentlichkeitsfahndung nach einem flüchtigen Terror-Verdächtigen verhindere. Statt mit allen Mitteln nach Amri zu fahnden, sorge „sich Hamburgs grüner Justizsenator lieber um den Zustand der Kommentarspalten auf Facebook und behindert unsere Polizei.“
Harsche Kritik der Opposition an Steffen
Die Fraktion der AfD will den Vorgang zur Facebook-Fahndung nun in einer schriftlichen Anfrage an den Senat thematisieren. Vorab sagte Dirk Nockemann, innenpolitischer Sprecher der Partei: „Es ist ein unglaublicher und skandalöser Vorgang. Der Justizsenator muss endlich seine Blockadehaltung bei der Internet-Fahndung aufgeben. Seine Bedenken sind haltlos und an den Haaren herbeigezogen, denn in anderen Bundesländern agiert man ja bereits so und hat sehr gute Erfahrungen gemacht.“ Beide Parteien stellten auch Forderungen nach einer Entlassung Steffens in den Raum, sollten sich die Vorwürfe bestätigen.
Die FDP wirft Steffen vor, „nicht in der Lage gewesen zu sein, notwendige Schritte von unwichtigen zu unterscheiden. Wenn in Deutschland Menschen Opfer eines terroristischen Anschlages nicht gekannten Ausmaßes werden, sind eventuell zu erwartende Kommentare in den sozialen Medien zu vernachlässigen.“ Sowohl den Familien der Opfer als auch den besorgten Bürgern sei es nicht zu vermitteln, dass Senator Steffen in einer solch ernsten Lage nicht beherzt handele, sondern zögerlich abwarte.
Quelle: n24.de