Und weil das Einkommen des Konzernlenkers Winterkorn mit 15,9 Millionen Euro 2014 – und auch in den Vor- und Folgejahren – üppig war, muss sich der einst bestbezahlte Manager Deutschlands auch als Rentner keine finanziellen Sorgen machen. „3100 Euro VW-Rente am Tag“, titelte die „Bild“-Zeitung am Mittwoch empört. In der Tat – nach seinem Volkswagen-Gehalt stehen Winterkorn monatlich rund 93.000 Euro Betriebsrente des Unternehmens zu. Der frühere VW-Chef ist damit allerdings keine Ausnahme. Auch andere Vorstände von Dax-Unternehmen haben sich ähnlich hohe Rentenansprüche erworben.
Es geht um mehr als nur Neid
Im Fall Winterkorn sorgt die monatliche Rente, die höher ist als die Jahreseinkommen der meisten Deutschen, nicht nur für Empörung, weil Neid im Spiel ist. Die Empörung ist auch groß, weil die Folgen des VW-Abgasskandals an den Spitzenmanagern des Konzerns bislang ohne spürbare finanzielle Einbußen vorübergegangen sind. Winterkorn war im September 2015 nur wenige Tage nach Aufdeckung des Skandals durch die amerikanischen Umweltbehörden unter wachsendem öffentliche Druck zurückgetreten. Bis heute beteuert er, von den Manipulationen nichts gewusst zu haben. Für Volkswagen begann mit dem Abgasskandal die – bis heute nicht ausgestandene – größte Krise in der Geschichte des Unternehmens. Milliarden-Rückstellungen für Entschädigungen, Strafen und Umrüstung der manipulierten Fahrzeuge belasten die Bilanz. Es fehlt Geld im Strukturwandel der Autobranche.
Dass Winterkorns regulärer Vertrag mit VW trotz seines Rücktritts bis Ende 2016 weiterlaufen sollte, hatte schon 2015 Kritiker des Konzerns empört. Dabei geht, was die Altersbezüge Winterkorns betrifft, alles mit rechten Dingen zu. Die Pensionsansprüche der Spitzenmanager von Unternehmen werden wie ihre Bezahlung vom Aufsichtsrat festgelegt. Um zu verhindern, dass sie, wie früher oft üblich, im „stillen Kämmerlein“ zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem in eigener Sache verhandelnden Spitzenmanager vereinbart werden, ist seit 2009 ausdrücklich das gesamte Aufsichtsratsgremium dafür verantwortlich. Das schließt die Arbeitnehmervertreter und damit die IG Metall ein, die bei Volkswagen traditionell sehr stark sind.
Winterkorns Pension wird mit 28,5 Millionen Euro bewertet
Bei Volkswagen bekommen ehemalige Vorstände als Ruhegehalt einen Prozentsatz ihrer früheren Grundvergütung. Ausgehend von 50 Prozent steigt der Anspruch mit jedem Jahr der Unternehmenszugehörigkeit um 2 Prozentpunkte bis zu einer Höchstgrenze von 70 Prozent, wie bei Martin Winterkorn. Zudem dürfen frühere Vorstände weiter ihren Dienstwagen nutzen. Laut VW-Geschäftsbericht 2015 wurde die Pension von Martin Winterkorn insgesamt mit 28,5 Millionen Euro bewertet.
Laut Aktiengesetz kann der Aufsichtsrat das Ruhegehalt zwar nachträglich in Sondersituationen kürzen, aber nur, wenn sich die Lage des Unternehmens verschlechtert und die Pension „unbillig für die Gesellschaft“ wäre. Und auch das nur in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden. Im Fall Winterkorn ist davon bislang nichts bekannt geworden, trotz der Belastungen durch den Abgasskandal hat das Unternehmen im letzten Geschäftsjahr eine Dividende gezahlt. Winterkorns Pensionsansprüche liegen allerdings – auch wegen des hohen Gehalts in den Erfolgsjahren vor dem Abgasskandal – am oberen Ende im Vergleich mit anderen Dax-Konzernen. Lediglich Daimler-Chef Dieter Zetsche könnte derzeit mit einer noch höheren Pension rechnen. Für ihn kalkuliert Daimler mit insgesamt rund 38 Millionen Euro.
Winterkorn ist keine Ausnahme
Die großzügigen Pensionszusagen der Vergangenheit belasten laut einer Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung viele Unternehmen erheblich. Ehemalige Vorstandmitglieder in Dax-Konzernen können demnach im Schnitt eine Rente von monatlich 34.000 Euro erwarten. Winterkorn ist also mit der Höhe seiner Altersbezüge kein Ausnahmefall. Weil die Festbezüge in den vergangenen Jahren gestiegen sind, seien auch die Pensionslasten gestiegen, heißt es in der Studie.
Die Rentenansprüche Winterkorns sind in den Medien jetzt just in dem Moment publik geworden, in dem in den Vereinigten Staaten darüber spekuliert wird, ob die – Volkswagen abermals mit Milliarden Euro belastenden – Strafzahlungen im Abgasskandal noch von der scheidenden Obama-Regierung festgelegt werden und in Deutschland eine neu eingereichte Verbraucherklage und möglicherweise eine Rücknahmepflicht für mehrere Millionen Fahrzeuge bekannt geworden ist. Das alles sind Risiken, für die Winterkorn verantwortlich gemacht werden könnte. Bislang hat sich der VW-Aufsichtsrat hinter Winterkorn gestellt und an seiner Aussage festgehalten: „Die Mitglieder des Präsidiums stellen fest, dass Herr Professor Dr. Winterkorn keine Kenntnis hatte von der Manipulation von Abgaswerten.“ Ob die Untersuchungen der amerikanischen Ermittler von Jones Day, die ursprünglich schon im letzten Frühsommer vorgestellt werden sollten, an dieser Einschätzung etwas ändern werden, ist ungewiss.
Rein rechtlich ist alles in Ordnung
In der Diskussion über die hohen Rentenbezüge schwingt viel Neid mit. Juristisch muss aber auch im Fall Winterkorn zwischen Bonizahlungen und dem Ruhegehalt unterschieden werden: Erstere sind von bestimmten Erfolgen oder Leistungszusagen abhängig, eine Betriebsrente orientiert sich im Regelfall aber auch an der Betriebszugehörigkeit und steht allen Mitarbeitern eines Unternehmens zu. So kann der Aufsichtsrat nachträglich einen Teil der Boni einbehalten. Um seine eigene Haftung zu vermeiden, ist das Szenario auch realistisch. Beim Ruhegehalt ist dies zwar auch möglich, allerdings stehen die Ansprüche nach einer VW-internen Richtlinie allen Mitarbeitern zu.
Weil als Bemessungsgröße das letzte Grundgehalt Winterkorns von 1,6 Millionen Euro im Jahr angesetzt wird, kommt es zu eben jenen 3100 Euro am Tag, über die seit der Veröffentlichung durch die „Bild“ jetzt diskutiert wird. Rein rechtlich ist diese Rentenhöhe nicht zu beanstanden. Das beantwortet aber nicht die Frage, ob die Zahlungen solcher Höhe auch moralisch in Ordnung sind. Winterkorns Berater in solchen Fragen, der Frankfurter Anwalt Kersten von Schenck, wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern.
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