Ostdeutschland bleibt auf hohen Stromkosten sitzen

  07 Januar 2017    Gelesen: 564
Ostdeutschland bleibt auf hohen Stromkosten sitzen
SPD-Chef Sigmar Gabriel bläst die geplante große Reform der Stromnetzentgelte ab. Die ostdeutschen Bundesländer sind empört: Geschieht das Ganze mit Rücksicht auf Nordrhein-Westfalen, wo bald gewählt wird?
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bläst die geplante große Reform der Stromnetzentgelte ab. Entgegen den Ankündigungen seines Hauses von November spielt die von den ostdeutschen Ländern verlangte bundesweite Angleichung der Netzkosten im Ressortentwurf keine Rolle mehr. Alle Passagen, die auf die bundesweite Umlage dieser Folgekosten der Energiewende für den Ausbau des Übertragungsnetzes hinweisen, wurden getilgt. Der dieser Zeitung vorliegende Entwurf für das „Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur“ soll Mitte Januar vom Kabinett beschlossen werden.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) warf der Regierung daraufhin Wortbruch vor. Mit der Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) habe der Bund zugesagt, dass es bis Ende 2016 einheitliche Netzentgelte in West und Ost gebe. „Wenn der Gesetzentwurf des Wirtschaftsministers vom Bundeskabinett in der jetzigen Form so durchgewunken wird, bricht der Bund sein Versprechen“, sagte Tillich der F.A.Z. Dem Entwurf sei „das Herzstück“ genommen. „Der klägliche Rest ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben ist.“

Nach den Plänen sollte das Ministerium ermächtigt werden, in einer Verordnung „eine einheitliche Höhe der Übertragungsnetzentgelte in Deutschland zu ermöglichen“. Das hätte im Norden und Osten zu sinkenden, im Westen und Südwesten zu höheren Kosten geführt. Beteiligte führen Gabriels Schwenk auf den Einfluss Nordrhein-Westfalens zurück, wo im Frühjahr gewählt wird. Tillich sagte: „Es kann nicht sein, dass die Wirtschaft in vier Bundesländern profitiert und zwölf Länder diese subventionieren.“

Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) reagierte erstaunt. Sollte ein Verzicht auf bundeseinheitliche Übertragungsnetzentgelte vorgesehen sein, „würden gerade die Länder bestraft, die - wie Brandenburg - beim Ausbau der erneuerbaren Energien führend sind“, sagte er der F.A.Z. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte erst vor drei Wochen im Kanzleramt eine „Umsetzung der entsprechenden Verordnung noch in dieser Legislaturperiode“ verlangt.

Über die Netzfinanzierung wird seit Jahren gestritten. Es gibt keine einheitliche Regelung. So zahlen bundesweit alle Stromkunden für Meereswindparks und die Verkabelung neuer „Stromautobahnen“. Dagegen bleiben die Kosten für den klassischen Netzausbau bei den Kunden der jeweiligen Netzzone, auch wenn der Strom bei ihnen nur durchgeleitet wird.

Wenn nun im Osten das Netz wegen der Windparks verstärkt wird, zahlen dafür die Kunden in Ostdeutschland und Hamburg. Das ist die Regelzone des Betreibers 50Hertz. Dort fallen auch steigenden Ausgaben für die Netzsteuerung an. Das Netz ist für den Ökostromboom nicht ausgelegt. 50Hertz legte dafür 2015 allein 350 Millionen Euro auf die Verbraucher um. Bewohner der von Schleswig-Holstein über Niedersachsen, Hessen bis Bayern verlaufenden Zone des Betreibers Tennet zahlten dafür 650 Millionen Euro.

Teils doppelt so hohe Netzkosten im Osten wie im Westen

Die Ostländer beschweren sich über diese Nachteile, von angeblich einer halben Milliarde Euro im Jahr. Hohe Netzkosten verschärften die schwierige Lage ihrer Betriebe. Sie hätten teils doppelt so hohe Netzkosten wie die westdeutsche Konkurrenz. Netzkosten lägen im Schnitt ein Fünftel über denen im Westen.

Das Gesetz regelt jetzt nur noch die Zahlung sogenannter „vermiedener Netzentgelte“ neu. Dahinter steht die (als falsch erwiesene) Annahme, wonach der Ökostromausbau Kosten für den Netzausbau verhindere, weil die Elektrizität regional genutzt werde. Betreiber von Wind-, Solar und Biomassekraftwerken bekommen deshalb ein „vermiedenes Netzentgelt“. Stromverbraucher hat das 2015 laut Netzagentur eine Milliarde Euro gekostet.

Die EEG-Umlage würde mit geringerer Verrechnung steigen

Der Betrag wird mit der Ökostromumlage verrechnet, es ist also kein Bonus für die Betreiber. Wenn die Verrechnung künftig geringer wird, steigt im Gegenzug die EEG-Umlage. „Die für die Jahre 2017 und 2018 vorgesehenen Maßnahme könnten zu einer Erhöhung der EEG-Umlage um rund 0,1 Cent je Kilowattstunde führen“, heißt es im Gesetzentwurf.

Denn für volatil einspeisende Wind- und Solaranlagen soll diese Förderung gesenkt werden. Neuanlagen bekommen sie gar nicht mehr, bei bestehenden Anlagen wird sie schrittweise von 2021 an bis Ende des Jahrzehnts ganz abgebaut. Dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union, Michael Fuchs, geht das nicht schnell genug: „Ich würde mir schärfere Einschnitte bei den volatilen Erneuerbaren-Anlagen wünschen - und zwar sofort“, sagte er. Damit könnte man gerade auch die ostdeutschen Länder kurzfristig stärker entlasten.


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