Kurz vorher hatte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit der tunesischen Regierung darauf geeinigt, abgelehnte Asylbewerber mit eigens gecharterten Maschinen zurückzubringen: Maximal 25 pro Flug. Bis Ende des Jahres werden es dann aber nur noch fünf weitere Flüge - mit im Schnitt zwölf Tunesiern. Es hakt bei den Abschiebungen nach Nordafrika.
Keine Papiere - keine Abschiebung
Denn die Zahl der abgelehnten Asylbewerber aus der Region ist deutlich höher. 8363 Asylanträge lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in den Monaten Januar bis November ab. Im gleichen Zeitraum wurden aber nur 368 Menschen nach Nordafrika abgeschoben. Die tatsächliche Durchsetzung einer bestehenden Ausreisepflicht scheitere in der Praxis oftmals an verschiedenen Hemmnissen, teilte das Bundesinnenministerium mit.
Von mehr als einer halbe Million abgelehnter Asylbewerber waren zuletzt 52.000 ausreisepflichtig. Die meisten abgelehnten Asylbewerber bekommen eine zeitweise Duldung: Wegen gesundheitlicher Gefahren - oder weil die Abschiebung an der Weigerung des Ziellandes oder fehlender Papiere scheitert. Letzteres ist laut Bundesregierung der häufigste Grund für eine Duldung.
Wie im Fall des Berliner Attentäters Anis Amri, der zunächst nicht abgeschoben werden konnte, weil Tunesien keine Ersatzpapier ausgestellt hatte. Man halte sich an die abgesprochenen Prozesse, sagte Tunesiens Regierungschef Youssef Chahed zuletzt. Man habe wie üblich kooperiert. "Das lief ideal."
Anfang vergangenen Jahres flog Innenminister de Maizière in die Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko, um über die Rückführungen abgelehnter Asylbewerber zu sprechen. In einem Brief an die Innenminister der Bundesländer bat der CDU-Politiker darum, die Rückführungen in die Maghreb-Staaten zu intensivieren. Rund 10.000 Marokkaner, 13.000 Algerier und 2500 Tunesier seien zuvor nach Deutschland gekommen, die "zum allergrößten Teil keinerlei Bleibeperspektive haben", schrieb der Innenminister.
Das Prozedere ist kompliziert
Doch das Problem ist die Identifizierung. In den meisten Fällen hätten die Migranten ihre Pässe weggeworfen und behauptet, Syrer zu sein, erzählt ein Mitarbeiter des marokkanischen Innenministeriums, der mit den Fällen betraut ist und anonym bleiben möchte. In den vergangenen Monaten habe man die Daten der illegalen Marokkaner in Deutschland zwischen den Behörden ausgetauscht. Die Rückführungen könnten jetzt in Wellen durchgeführt werden.
Das Prozedere ist jedoch aufwendig. Häufig treffen sich die konsularischen Dienste der mutmaßlichen Heimatländer mit den Flüchtlingen in Deutschland und überprüfen, ob es sich tatsächlich um Staatsbürger handelt. Solange gibt es keine Papiere - und keine Rücknahme. Neben Verzögerungen in den nordafrikanischen Staaten kommt es aber auch in Deutschland offenbar häufiger zu Problemen. So schrieb der Bundesinnenminister an seine Länderkollegen, die Behörden sollten sicherherstellen, "dass die betroffenen Ausreisepflichtigen auch tatsächlich anwesend sind". Tunesien habe darum gebeten.
Probleme auf beiden Seiten
Der Ethnologe und Migrationsforscher Martin Zillinger von der Universität Köln sieht die Probleme auf beiden Seiten des Mittelmeeres. "Es gibt Behörden der nordafrikanischen Staaten, die - vielleicht auch aus Solidarität mit den Migranten - kein großes Interesse haben, besonders schnell zu arbeiten", sagt Zillinger.
"Wir haben aber auch in Deutschland und der EU eine Situation geschaffen, wo wir die Abschiebemöglichkeit dadurch konterkarieren, dass wir die Leute zum Abtauchen und in die Illegalität zwingen." Viele Flüchtlinge entledigten sich ihrer Pässe, weil sie nur so eine Chance sehen, überhaupt eine Aufenthaltserlaubnis oder Duldung in Deutschland zu bekommen.
Das Thema Rückführungen ist hochpolitisch. Bundesjustizminister Heiko Maas denkt inzwischen laut darüber nach, Ländern, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen, die Fördermittel zu streichen. Gleichzeitig fühlen sich nordafrikanischen Länder im Stich gelassen.
Die Rückführungen polarisieren auch in der Bevölkerung. In Tunesien gingen am vergangenen Wochenende wieder mehrere hundert Menschen auf die Straße und protestierten - auch gegen die verstärkten Abschiebungen aus Deutschland. Große Teile der Bevölkerung haben zudem Angst vor der Rückkehr von IS-Kämpfern aus Kriegsgebieten. Und auch kriminelle Landsleute, wie beim ersten Charterflug von Deutschland nach Tunesien im April, wollen viele nicht zurückhaben.
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