Studien-Autor Professor Dittmar Graf von der Uni Gießen sagte dazu im Sputnik-Interview: „Die Evolution ist eine Tatsache, die man nicht wegleugnen kann. Die Evolutionstheorie erklärt diese Tatsache in sehr guter Art und Weise. Sie zu leugnen wäre so, als wenn jemand leugnen würde, dass die Erde eine Kugel ist und behaupten würde, sie sei eine Scheibe. Genau auf diesem Niveau läuft diese Fehlvorstellung oder dieses Leugnen von Tatsachen.“ „Bildungspolitische Katastrophe“ Bei den Befragten handelt es sich um Lehramtsstudierende, die später einmal an die Schulen gehen und da im Unterricht tätig sein werden. Der Biologiedidaktiker Graf betont, dass diese Personen eine besonders große Verantwortung für die nachfolgenden Generationen, die sie ausbilden sollen, hätten. „Da es ja zum Glück so ist, dass in Deutschland der Unterricht wissenschaftsorientiert sein muss, muss jeder Lehrer und jede Lehrerin, das, was die Wissenschaft herausgefunden hat, an die Schüler zwar vereinfacht, aber wissenschaftlich korrekt weitergeben. Was die Leute für eine private Meinung haben ist letztendlich völlig egal“, so Graf. „Die Hauptsache ist, sie unterrichten es angemessen. Natürlich ist durchaus fraglich, wenn jemand die Evolution privat leugnet, ob er in der Lage ist, das dann im Unterricht angemessen rüberzubringen.“ Noch deutlicher drückt sich der Philosoph Michael Schmidt-Salomon aus. Der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, die sich die Förderung des evolutionären Humanismus zum Ziel gesetzt hat, bezeichnet die Tatsache, dass derart viele werdende Lehrer muslimischen Glaubens die Evolutionstheorie ablehnen, als eine „bildungspolitische Katastrophe“. Dies dürfe man nicht hinnehmen. Wer die Prozesse der Evolution nicht versteht, könne keine zeitgemäßen Menschen- und Weltbilder entwickeln. Woher diese Wissenschafts-Skepsis? Für den Biologen und geschäftsführenden Direktor des Instituts für Biologiedidaktik an der Uni Gießen, Graf, liegen die Gründe für diese Ablehnung von wissenschaftlichen Theorien einerseits in der Sozialisierung, anderseits aber im Schulunterricht selbst.
„In Deutschland ist der Evolutionsunterricht einfach schlecht. Bestimmte Dinge werden da nicht in angemessener Weise, oder auch zu spät, geradegerückt. Der Evolutionsunterricht in Deutschland findet ja in der Regel als Abschlussunterricht statt – als das letzte Thema des Biologieunterrichts, am Ende der Klasse 10 oder vor dem Abitur“, erläutert Graf. „In der Grundschule beispielsweise erfahren die Kinder überhaupt nichts zur Evolution, sondern erfahren allenfalls im Religionsunterricht etwas über die Schöpfungsmythen. Aus meiner Sicht muss man sich gar nicht wundern, dass es da Probleme mit der Akzeptanz gibt. Es ist meine sehr dringliche Forderung, den Evolutionsunterricht bis in die Grundschule nach vorne zu ziehen. Die Kinder interessiert das auch, die wollen das wissen – wird aber bis heute in keinem einzigen Bundesland gemacht.“ Das habe sein Team auch in einer bisher unveröffentlichten Befragung festgestellt: Evolutionsthemen sind demnach für Grundschüler besonders interessant.
Alle Lehramtsstudierenden sollten eine Veranstaltung im Rahmen des Studium generale oder dem Grundstudium absolvieren müssen, die ihnen Evolution, Evolutionstheorie und Evolutionsbiologie näherbringt. Denn die Evolution, so Graf, hat weit über die Biologie hinaus Konsequenzen für unser eigenes Denken.
Die neue Untersuchung basiert auf Daten einer Studie zum Darwinjahr 2009, in deren Rahmen damals insgesamt 1.055 deutsche Lehramtsstudierende aller Fächer und Lehrämter an den Universitäten Hildesheim, Siegen und Dortmund nach deren Einschätzung zur Evolutionstheorie als Gegenstand der Wissenschaft befragt wurden.
Quelle:sputniknews
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