Berlin wird sich mit Trump anfreunden müssen

  18 Januar 2017    Gelesen: 1517
Berlin wird sich mit Trump anfreunden müssen
Für großes Aufsehen hat in Deutschland das Interview des designierten US-Präsidenten Donald Trump für die „Bild“-Zeitung und die britische „Times“ gesorgt, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta“ am Dienstag.
Besonders schmerzhaft dürfte für Kanzlerin Angela Merkel Trumps Einschätzung ihrer Flüchtlingspolitik als „katastrophaler Fehler“ sein. Selbst seine Beteuerung, er hätte immer „großen Respekt vor ihr“ gehabt, konnte den negativen Eindruck nicht ausgleichen, besonders im Vorfeld der für September angesetzten Bundestagswahl, bei der Merkel erneut für die Kanzlerschaft kandidieren wird. Sehr beunruhigend für Berlin sind auch Trumps Aussagen über die Nato, die EU, Russland, den Brexit und die Russland-Sanktionen.

Berlins offizielle Reaktion bleibt vorerst zurückhaltend. Merkels Sprecher Steffen Seibert sagte lediglich, Merkel habe Trumps Interview „mit Interesse gelesen“. Was die Positionen der Kanzlerin zur Flüchtlingspolitik, zur Europäischen Union und zur transatlantischen Partnerschaft angehe, so seien sie bekannt. „Nun warten wir, wie es sich gehört, die Amtseinführung des Präsidenten Trump ab und werden dann mit der neuen Regierung eng zusammenarbeiten“, betonte Seibert.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der in Brüssel an einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen teilnahm, sagte seinerseits, Trumps Interview werde wahrscheinlich die Tagesordnung der Sitzung beeinflussen, wenn nicht sogar prägen. Und nach seinem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte Steinmeier laut der Deutschen Welle, die Aussagen des designierten US-Präsidenten, die Nato wäre „obsolet“, riefen Besorgnis und Verwunderung hervor.

Auch den Brexit kann man in Berlin – anders als Trump – keineswegs positiv wahrnehmen. Und dass auch weitere Länder aus der EU austreten könnten, was der designierte US-Staatschef nicht ausschloss, wäre für Merkel absolut inakzeptabel. Im Gegenteil: In ihren jüngsten Auftritten betonte sie immer, die Union müsste in ihrer aktuellen Form weiterbestehen und ihre Positionen weiter festigen. Allerdings ist offensichtlich, dass ein großer Teil des deutschen Establishments über Trumps Aussagen bezüglich der Normalisierung der russisch-amerikanischen Beziehungen und der möglichen Abschaffung der Russland-Sanktionen beunruhigt ist.

Dennoch versteht man in Berlin, dass die Beziehungen mit Washington nicht mehr so sein können wie unter Barack Obama. Auch Merkel persönlich gab unlängst zu verstehen, dass es die bisherige transatlantische Kooperation wohl nicht mehr geben werde. Ob aber die Bundesrepublik ihre bisherige Politik weiter ausüben kann, sagte sie nicht, obwohl diese Frage inzwischen nicht nur für die Oppositionskräfte, sondern auch für die deutschen Gesellschaftskreise an Aktualität gewinnt.

Aber zurück zu Trumps Aussagen zu Merkels Migrationspolitik. Im Grunde stimmten sie mit der Kritik an ihrem Kurs auch innerhalb Deutschlands überein. Seine Folgen, vor allem im Kontext der jüngsten Anschläge und der Notwendigkeit verstärkter Sicherheit, sind für die Bundesbürger offensichtlich. Das spielt eine negative Rolle für die Autorität der Kanzlerin. Zudem bleibt auch die bayerische Schwesterpartei CSU bei ihrer Position bezüglich des Kurswechsels in der Flüchtlingsfrage. Merkel musste vor kurzem einräumen, dass sie im Hinblick auf die Bundestagswahl damit leben müsse. Zumal es ihr immer schwerer fällt, die Kritik unmittelbar in den CDU-Reihen einzudämmen. Fast wie ein Dolchstoß in den Rücken nahmen die Christdemokraten den demonstrativen Austritt der Abgeordneten Erika Steinbach aus der Union wahr. Sie war bekannt für ihre Nähe zu Merkel im Laufe von vielen Jahren. Aber plötzlich übte sie scharfe Kritik an deren Flüchtlingspolitik, die sie dazu bewegt habe, die Partei zu verlassen.

Darüber hinaus wurde bekannt, dass in Oberursel bei Frankfurt ein Bündnis von Merkel-Kritikern gegründet wurde, die sich ihre Politik nicht gefallen lassen. Laut Medienberichten sind daran fast 7000 CDU- bzw. CSU-Vertreter aus fast allen Bundesländern beteiligt. Vor allem verlangen sie einen Kurswechsel in der Flüchtlingsfrage. Zudem sollte Merkel auf eine weitere Kanzlerschaft verzichten.

Sehr überraschend wurde auch die jüngste Initiative von Finanzminister Wolfgang Schäuble aufgenommen, der als Merkels „verlängerter Arm“ gilt. Er nannte nämlich fünf Politiker, die nach seiner Auffassung Merkels Nachfolger werden könnten. Bis zuletzt war so etwas einfach unvorstellbar gewesen.

Quelle : sputnik.de

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