Bundestag gedenkt der Anschlagsopfer

  20 Januar 2017    Gelesen: 465
Bundestag gedenkt der Anschlagsopfer
Im Bundestag wurde der Opfer des Anschlags von Berlin gedacht. Parlamentspräsident Lammert geht dabei auch auf Kritik ein, die Toten und Verletzten seien nicht angemessen gewürdigt worden.
Auf der Ehrentribüne hatte Bundespräsident Joachim Gauck Platz genommen, neben ihm seine Lebensgefährtin Daniela Schadt, der Botschafter Israels und weitere Diplomaten. Mit seiner Anwesenheit unterstrich das Staatsoberhaupt symbolisch die Bedeutung des Gedenkens im Bundestag.

Parlamentspräsident Norbert Lammert, der zu Beginn des Sitzungstags eine rund 20 minütige Ansprache hielt, erinnerte daran, dass unter den zwölf Toten des Anschlags vom Breitscheidplatz sich neben sieben Deutschen Menschen aus Polen, Italien, der Ukraine, Tschechien und Israel befanden. Dutzende weitere seien verletzt worden. "Viele von ihnen werden noch lange kämpfen müssen, um körperlich wie seelisch ins Leben zurückzufinden, nicht anders ergeht es Augenzeugen und den vielen Hilfskräften, denen wir für ihren Einsatz am Tatort und in der Betreuung der Opfer und Hinterbliebenen von Herzen danken", so Lammert. Er erinnerte auch an die jüngsten Anschläge in Istanbul, Bagdad und in Israel. Man fühle sich mit den Opfern verbunden.

Zur Gedenkveranstaltung hatte der Bundestagspräsident eingeladen, nachdem zu Beginn des Jahres in der Öffentlichkeit eine Debatte darüber geführt wurde, ob den Opfern des Anschlags angemessen gedacht wurde. Im Rechtsausschuss des Bundestags wurde diese Woche auch über eine Reform des Opferentschädigungsgesetzes beraten, das seit dem Anschlag vom 19. Dezember in der Kritik steht.

Lammert geht auf Debatte um Gedenken an Opfer ein

Lammert ging auf die jüngste öffentliche Debatte ein. Das Gesicht des Mörders vom Breitscheidplatz - das Attentat war durch den Tunesier Anis Amri begangen worden - sei allen bekannt, man sehe es über Wochen beinahe täglich in Zeitungen, im Netz und im Fernsehen, seine Lebensgeschichte kenne man bis in Details. "Von den Opfern hingegen ist wenig bekannt. Angemessen ist das natürlich nicht, aber es verdeutlicht zugleich die ganz unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnissen, denen es gerecht zu werden gilt", so Lammert.

Dass es nach solch schrecklichen Taten immer sofort die Forderung nach einer möglichst schnellen Aufarbeitung und möglichst konkreten Schlussfolgerungen gebe, sei nicht zu beanstanden und gewiss nicht Ausdruck mangelnden Mitgefühls, so Lammert. "Lichter und Blumen am Tatort zeugen vielmehr von der großen Anteilnahme in der Bevölkerung am Leid der Betroffenen", verwies er auf das andauernde Gedenken in der Umgebung der Gedächtniskirche in Berlin und an den Gedenkgottesdienst einen Tag nach dem Anschlag, an dem unter anderem der Bundespräsident, die Spitzen der Verfassungsorgane und viele Mitglieder der Bundesregierung und des Bundestags teilgenommen hatten.

Lammert lobte die Haltung der Bürger. "Terror zielt darauf ab, demokratische Gesellschaften zu erschüttern, zu lähmen, zu destabilisieren. Dieses Ziel haben die Terroristen in Deutschland nicht erreicht. Die Bevölkerung reagiert mit bemerkenswerter Besonnenheit auf den Terror", so der Parlamentspräsident.

Nach dem Attentat hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine Debatte über die Neuordnung der Sicherheitsdienste angestoßen. Lammert erklärte dazu, die Erkenntnisse über den Täter "zwingen uns, die Sicherheitsarchitektur in unserem Land zu überdenken". Zugleich gab er zu Bedenken, dass man den Staat mit "unseren Ansprüchen auch nicht überfordern" solle. Schon gar nicht dürfen man vortäuschen, "einem unkalkulierbaren Gegner mit scheinbar einfachen Mitteln begegnen zu können".

Lammert erinnerte dabei auch an die jüngere Serie der Attentate in der Türkei. Diese zeigten, dass auch da, "wo im Ausnahmezustand regiert und die exekutive Autorität im Staat auf Kosten freiheitlicher und rechtsstaatlicher Prinzipien immer weiter ausgedehnt wird, keine Sicherheit garantiert werden kann". Autoritäre Systeme seien nachweislich nicht sicherer, sie erkauften die Illusion größeren Schutzes vor Terror und Gewalt mit der Verweigerung unverzichtbarer Freiheitsrechte.

Lammert dankte den Religionsgemeinschaften für ihr Zusammenstehen nach dem Anschlag: "Wir bekämpfen nicht den Islam, sondern Fanatismus, nicht Religion, sondern Fundamentalismus - das gilt unter dem Eindruck des Terrors in unserem Land nicht anders als nach den Anschlägen in unseren europäischen Nachbarländern." Wo islamistisches Gedankengut verbreitet werde, sei er mit aller gebotenen rechtsstaatlichen Härte zu bekämpfen. "Terror ist nie religiös, Terror ist politisch - und die Antwort darauf muss auch politisch sein", so Lammert.

Dass gewaltbereite Islamisten die Not anderer Menschen benutzten, um sich in Deutschland einzuschleichen und Unfrieden und Gewalt zu stiften, sei perfide, folge aber der Logik der Terroristen, die die Gesellschaft spalten wollten. "Weil wir das nicht zulassen und weil wir auch die zu uns Flüchtenden vor denen schützen wollen, die sie für ihre Zwecke missbrauchen, haben wir die doppelte Legitimation, konsequenter als bislang zu prüfen, wer zu uns kommt", mahnte Lammert. Von denen, die in Deutschland blieben, verlange man, "unseren Gesetzen und unseren Normen vorbehaltlos zu folgen".

Quelle : spiegel.de

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