Gericht bremst Trumps radikalen Einreise-Erlass

  29 Januar 2017    Gelesen: 494
Gericht bremst Trumps radikalen Einreise-Erlass
Donald Trumps Einreiseverbot für Flüchtlinge und Menschen aus sieben muslimischen Staaten löst Schockwellen aus, an US-Flughäfen kam es zu Massenprotesten. Ein Bundesgericht schob dem Dekret teilweise einen Riegel vor.
Die Anordnung von US-Präsident Donald Trump, Flüchtlingen und Menschen aus sieben Staaten mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung mehrere Monate die Einreise zu verweigern, sorgt für heftige politische und juristische Turbulenzen in den USA. Tausende strömten spontan zu den großen Flughäfen des Landes, um gegen das umstrittene Dekret zu protestieren und sich mit betroffenen Reisenden zu solidarisieren. Bürgerrechtsorganisationen warfen dem Präsidenten vor, die Verfassung zu verraten und stellten vielerorts Anwälte zur Verfügung, um gestrandete Passagiere juristisch zu unterstützen. Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft stellten sich gegen Trumps Entscheidung. Die federführenden Ministerien sowie die Einreisebehörden traf die Anordnung des Milliardärs offenbar unvorbereitet.

Wie unübersichtlich und juristisch unklar die Lage ist, zeigte sich, als die US-Regierung am späten Samstagabend eine empfindliche Niederlage vor einem Gericht in New York erlitt. Nach einer Klage von Bürgerrechtlern verfügte eine Bundesrichterin, dass seit Freitag in den USA eingetroffene Besucher aus den vom Bann betroffenen Ländern vorerst nicht in ihre Heimat abgeschoben werden dürfen. Eine kollektive Einreiseerlaubnis erhielten sie allerdings zunächst auch nicht, für viele Betroffene bleibt ihre Lage erst einmal ungeklärt. Einwanderungs- und Bürgerrechtsorganisationen feierten die Entscheidung noch am Abend dennoch als wichtigen Teilsieg im Kampf gegen Trumps Dekret und riefen zu weiteren Protesten am Sonntag auf.

Die Gerichts-Entscheidung vom Samstagabend ist für die gesamten USA gültig, also für alle Menschen, die nach ihrer Ankunft aufgrund von Trumps Anordnung an US-Flughäfen am Verlassen des Transitbereichs gehindert worden waren. Exakte Zahlen, wie viele Passagiere betroffen waren, gab es bis zum Abend nicht. Von rund 100 Personen, die an US-Flughäfen festgehalten worden seien, war am Abend die Rede. Allein auf dem Kennedy-Airport in New York und auf den internationalen Flughäfen von Chicago und Houston wurden nach Medienberichten mehr als 30 Ausländer bei der Einreise abgefangen.

"Keiner hat hier eine Ahnung, was gerade vor sich geht"

Das Dekret hatte unmittelbar nach der Unterzeichnung Trumps Schockwellen im gesamten Land ausgelöst und international für Empörung gesorgt. Der US-Präsident hatte am Freitagnachmittag verfügt, dass die Visa-Vergabe an Bürger aus den sieben mehrheitlich muslimischen Ländern Irak, Iran, Libyen, Somalia, Syrien und den Sudan für 90 Tage ausgesetzt wird. Flüchtlingen soll die Einreise für vier Monate verwehrt werden, syrischen Flüchtlingen sogar auf unbestimmte Zeit. Trump begründete die Maßnahmen mit dem Ziel, "radikale islamische Terroristen" fernzuhalten. Einige Staaten in der Region, darunter Saudi Arabien, die Türkei und Ägypten, sind von den Regeln nicht betroffen. In ihnen ist Trumps Firma geschäftlich tätig, Kritiker sehen einen Zusammenhang.

Für Entsetzen sorgte unter Trumps Kritikern, dass die Regelung auch für Personen mit gültiger Aufenthaltserlaubnis Anwendung finden soll, Bürgern also, die teils schon jahrelang mit einer so genannten Green Card in den USA lebten und arbeiteten, sich zum Zeitpunkt von Trumps Unterschrift aber außerhalb Amerikas befanden. Dieser Passus des Dekrets traf offenbar auch die wichtigsten Ministerien unvorbereitet. Weder das Außenministerium noch das Heimatschutzministerium seien in die Formulierung der Anordnung eingeweiht gewesen, hieß es. "Keiner hat hier eine Ahnung, was gerade vor sich geht", zitierte der Sender "NBC" einen hochrangigen Beamten.

Auch EU-Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft, die einen Pass eines der sieben Länder haben, sind betroffen. Der britische Tory-Abgeordnete Nadhim Zahawi (Irak) und der grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour (Iran) sagen beide, sie könnten nun nicht mehr in die USA einreisen. (Lesen Sie hier, was Nouripour dazu sagt). Der Druck auf Europas Regierungschefs wächst, sich von Trumps Politik zu distanzieren.

Trumps Dekret fällt in eine ohnehin äußerst angespannte Situation in den USA. Seit seiner Vereidigung versucht der Präsident, im Eiltempo den Kurs der Vereinigten Staaten zu korrigieren. Auch seine Pläne, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer zu bauen, sorgen seit Tagen für heftige Debatten. Schon am vergangenen Wochenende waren in der Hauptstadt und anderen großen Metropolen Hunderttausende Amerikaner auf die Straßen gezogen, um gegen den 70-Jährigen zu protestieren.

Die plötzliche Gültigkeit des radikalen Einreiseverbots sorgte an vielen Flughäfen für emotionale Szenen und Verwirrung. Von Irakern über Jemeniten bis hin zu Sudanesen wurden Passagiere mit gültigen Visa kurz vor ihrer Abreise auf heimischen Flughäfen oder bei Zwischenaufenthalten auf dem Weg in die USA gestoppt. Familien warteten teils bis zu 15 Stunden auf Angehörige.

Trumps Gegner organisierten sich innerhalb weniger Stunden über die sozialen Netzwerke, E-Mail-Listen und Aufrufe von Bürgerrechtsorganisationen. Bereits mittags hatten sich am New Yorker Kennedy-Flughafen etliche Demonstranten eingefunden, um gegen die Regelung zu protestieren. Bis zum Abend schwoll der Protest in New York auf einige tausend Menschen an. In San Francisco gab es Sitzstreiks im Bereich der Gepäckabholung. Auch am Dulles Airport bei Washington DC kam es zu Protesten. Zudem warteten rund drei Dutzend Anwälte vor dem Ankunftsbereich für internationale Flüge darauf, Gestrandeten ihre juristische Hilfe anbieten zu können. "Wir bleiben so lange, bis wir zu ihnen können", sagte ein Vertreter der Bürgerrechtsorganisation ACLU. Stundenlang hallten Sprechchöre durch den Terminal. Sämtliche Proteste blieben friedlich.

Trump: Maßnahmen funktionieren "sehr schön"

Die Debatte dürfte das ohnehin gespaltene Land noch weiter auseinandertreiben. Das Einwanderungsthema berührt die Frage der Identität des Landes. Bemerkenswert ist, wie tief die Proteste gegen Trumps Dekret gehen. Mehr als 4000 Wissenschaftler veröffentlichten eine Protestnote gegen den Einreisestopp. Auch in der Wirtschaft sorgte Trumps Schritt für massive Unruhe. Offenbar aufgrund der Befürchtung, dass etliche eigene Mitarbeiter von der Regelung betroffen sein könnten, kritisierten große Tech-Firmen den Schritt des Präsidenten. "Ich teile Ihre Sorgen", schrieb Apple-Chef Tim Cook in einer Email an seine Mitarbeiter. "Das ist keine Politik, die wir unterstützen". Tesla-Chef Elon Musk stellte sich ebenfalls gegen den Präsidenten. Google rief seine Angestellten dazu auf, rasch in die USA zurückzureisen, Mitgründer Sergey Brin nahm an den Protesten am Flughafen in San Francisco teil.

Unter führenden Republikanern, von denen sich im Wahlkampf die meisten vehement gegen Trumps Vorschlag gestellt hatten, gab es ebenfalls vereinzelt kritische Stimmen. Paul Ryan allerdings, der Sprecher des Repräsentantenhauses, hatte die Maßnahme bereits am Freitag ausdrücklich für sinnvoll erklärt. Vizepräsident Mike Pence äußerste sich bislang nicht.

Trump gab sich von den Turbulenzen am Samstag unbeirrt. Der Milliardär bestritt, das Dekret vor seiner Unterschrift nicht ausreichend juristisch geprüft zu haben. Bei einem Termin in Weißen Haus betonte er, die Maßnahmen funktionierten "sehr schön" - man könne das auf den Flughäfen beobachten. Der Präsident will die Verbote erst dann wieder aufheben, wenn "angemessene" Überprüfungsmechanismen aus seiner Sicht sicherstellen, dass keine "radikalen islamischen Terroristen" in die USA gelangen.

Quelle : spiegel.de

Tags:


Newsticker