Unternehmen lagern Pensionsverpflichtungen aus

  02 Februar 2017    Gelesen: 756
Unternehmen lagern Pensionsverpflichtungen aus
Der Niedrigzins belastet die Betriebsrenten von zwei Seiten: Zusagen werden teurer, Kapitalerträge schwinden. Viele Arbeitgeber suchen Hilfe.
Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung stagniert. So begründet die Bundesregierung ihr Gesetz, mit dem die Betriebsrenten gestärkt werden sollen. Doch innerhalb der bestehenden Zusagen gibt es erhebliche Verschiebungen. Noch immer stammen mehr als die Hälfte aller Ansprüche aus Direktzusagen der Arbeitgeber. Doch die niedrigen Zinsen, die gleichzeitig die Verpflichtungen verteuern und die Ertragsaussichten schwinden lassen, zwingen viele Unternehmen zum Umdenken. Immer mehr Geschäftsführer beschäftigen sich damit, Pensionszusagen aus der eigenen Bilanz auszulagern.

Die Profiteure dieser Entwicklung sind Berater, Betreiber von Pensionsfonds, Unterstützungskassen und die Versicherungswirtschaft. Dass die Prämieneinnahmen in der Lebensversicherung im Jahr 2016 zurückgegangen sind, begründete Branchenverbandspräsident Alexander Erdland jüngst damit, dass es im Jahr davor außergewöhnlich gut gelungen war, von diesem Trend zu profitieren. Diesmal hingegen habe die Assekuranz nicht ganz so viele Unternehmen für sich einnehmen können.

Dennoch bleibt die betriebliche Altersversorgung für viele Versicherer einer der wenigen Hoffnungsträger in dieser Sparte. Und den Pensionsfonds, die mit 5,5 Prozent der gesamten Deckungsrückstellungen bislang noch der kleinste Durchführungsweg für Betriebsrenten sind, flossen in den vergangenen zwei Jahren jeweils mehr als eine Milliarde Euro zu. Bei einem Volumen von 30,7 Milliarden Euro vor zwei Jahren ist das ein spürbarer Effekt.

Renditeerwartung halbiert sich innerhalb von zwei Jahren
„Der Trend zum Outsourcing besteht seit etwa zwei Jahren. Wir übernehmen vielfach die kompletten Investmententscheidungen“, sagt Nigel Cresswell, der die Kapitalanlageberatung von Willis Towers Watson in Deutschland verantwortet. In einer Studie zum Investitionsverhalten von Pensionseinrichtungen und Unternehmen, die dieses noch selbst verantworten, hat er jüngst Ernüchterung auf breiter Front festgestellt: Innerhalb von zwei Jahren hat sich ihre Renditeerwartung von vier auf zwei Prozent halbiert.

Zu 25 Prozent haben deutsche Pensionseinrichtungen der Studie zufolge ihr Kapital in Aktien angelegt, zu 62 Prozent in Anleihen. Das entspreche in etwa der Anlagemischung in Japan und den Niederlanden. Doch im internationalen Vergleich sind die Deutschen eindeutig sicherheitsorientierter. Im Durchschnitt aller untersuchten Länder liegt die Aktienquote bei 44 Prozent, nur zu 29 Prozent fließt das Geld in Anleihen. „Viele Pensionseinrichtungen sind daher nicht mehr in der Lage, im aktuellen Marktumfeld ihre Anlageziele zu erreichen“, schreiben die Studienautoren. „Es ist enttäuschend, wie wenig sich die Kapitalanlage über die Jahre verändert hat“, sagt Cresswell.

Niedrige Zinsen führen zu hohen Abschlägen

Doch noch stärker als von der Kapitalanlage wird der Trend zur Auslagerung von den wachsenden Verpflichtungen getrieben. „Durch die Zinsschmelze steigt der bilanziell anzusetzende Wert der Verpflichtungen Jahr für Jahr“, sagt Christian Remke, Leiter des Metzler Pension Management und Vorstand der Metzler Pensionsfonds AG. „Für viele Unternehmen ist das eine zunehmend schwierige Situation, und das bringt uns ins Gespräch.“ Mit Willis Towers Watson, dem Deutschen Pensionsfonds, einem Gemeinschaftsunternehmen von Deutscher Bank und Zurich, Allianz Global Investors und dem Pensionsfonds der R+V buhlt Metzler um Mandate. Seit der Metzler-Pensionsfonds im Jahr 2014 zugelassen wurde, hat er mehr als eine Milliarde Euro Deckungskapital gebildet. In diesem Jahr sollen 500 bis 700 Millionen Euro hinzukommen. Und das Geschäft ist äußerst beratungsintensiv, denn in jedem Unternehmen gibt es andere Pensionsregelungen – vom Invaliditätsschutz bis zur Hinterbliebenenversorgung.

Die aktuelle Zinssituation macht den Aufwand in der betrieblichen Altersversorgung sichtbar. Häufig stehen Pensionszusagen einer Übernahme oder einer Nachfolgeregelung im Weg, hat Thorsten Kircheis beobachtet. Der Vorstand des Deutschen Instituts für Zeitwertkonten und Pensionslösungen AG (DIZ) berät Mittelständler zu diesem Thema. „Die hohe Bewertung durch den niedrigen Zins führt dazu, dass der Verkäufer einen hohen Abschlag hinnehmen muss“, sagt Kircheis. „Der Traum, aus der Firma etwas herauszuholen, zerschlägt sich unter Umständen.“ Der aktuelle Wert der Rückstellungen wird umso höher, je niedriger der zugrunde liegende Rechnungszins ausfällt. Das betrifft Unternehmen besonders, wenn sie die Verpflichtung absichern wollen: beispielsweise in Form einer Rückdeckungsversicherung oder durch einen Pensionsfonds nach der Logik einer Versicherung. Seit diesem Jahr rechnen diese nur noch mit einem Rechnungszins von 0,9 Prozent. „Von geschätzt tausend Fällen haben wir bei Pensionsfonds bislang nur dreimal diesen Weg gewählt“, sagt Berater Kircheis.

Finanzierung von Pensionsfonds: flexibel und riskant

Meist empfiehlt Kircheis die Auslagerung in einen flexibler gestalteten Pensionsfonds. Dabei könne das auslagernde Unternehmen selbst den Rechnungszins wählen und damit den aktuellen Wert der Verpflichtungen beeinflussen. „Wer viel Geld hat, kann vorsichtig kalkulieren und zwei Prozent festlegen. Wer knapp bei Kasse ist, kann auch vier Prozent wählen“, sagt Kircheis. Dann sei zwar das Risiko größer, das Ziel zu verfehlen und somit seinen Pensionären Geld nachzuschießen. Doch vorerst entlastet es die Bilanz. Mit ihren Beratungsleistungen steigert die DIZ ihren Umsatz seit Jahren um zweistellige Prozentsätze. Im vergangenen Jahr waren es 35 Prozent.

Der Umgang mit Pensionsverpflichtungen ist deutlich anspruchsvoller geworden. Die Binnenfinanzierung aus eigenen Mittelzuflüssen erscheint vielen Unternehmen inzwischen als zu großes Risiko. Neue Anlageklassen wie Infrastruktur oder Mittelstandskredite geraten zunehmend in den Blick. Viele Unternehmen haben sich langsam an eine Auslagerung herangetastet und zunächst Erfahrungen mit Contractual Trust Arrangements (CTA) gesammelt, in denen die Verpflichtung zwar auf der Bilanz des Unternehmens bleibt, aber erstmals ein Planvermögen gebildet wird, aus dem die Zusagen bedient werden. Dies sei eine notwendige Voraussetzung dafür, dass der Schritt zu einem Erfolg führe, sagt Metzler-Pensionsmanager Remke. „Hat ein Unternehmen noch keine Kapitalmarkterfahrung oder schon ein CTA aufgebaut, ist die Auslagerung kaum zu stemmen.“


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