„Die zusammengerechnete Bevölkerung des sogenannten Türkischen Rates, ein Zusammenschluss von mehreren Turkstaaten, beträgt 115 Millionen Menschen. Das nationale Einkommen aller Mitgliedsländer beträgt 1,2 Billionen US-Dollar“, kommentierte der türkische Wirtschaftsminister. „Daneben liegt der Außenhandelsumsatz der Turkstaaten bei 600 Milliarden US-Dollar. Der Außenhandel unter den Turkstaaten macht allerdings nur zwei Prozent am Gesamtwert aus. Wir müssen diesen Wert auf 5 bis 10 Prozent ankurbeln.“
„Wenn die Turkstaaten ihre Wirtschaftsbeziehungen ausweiten, dann werden auch die politischen und andere Beziehungen ausgedehnt“, fügte Zeybekci hinzu.
Im Gespräch mit Eurasia News äußerte sich der in Aserbaidschan ansässige Experte für Turkvölker Orxan Quluzade optimistisch über ein Zerschmelzen der Ökonomien von Turkstaaten von Anatolien bis nach Zentralasien. Er sagte:
„Ein gutes Beispiel für die bestehende Möglichkeit, eine Art Wirtschaftsunion aufzubauen, ist das trilaterale Format zwischen der Türkei, Aserbaidschan und Turkmenistan, das erfolgreich arbeitet. Im Rahmen des Mechanismus arbeiten die drei türkischen Staaten in Fragen des Handels, Energie und Transport eng miteinander zusammen.“
Der Analyst führte aus, dass die Türkei der treibende Motor bei der Ausweitung von wirtschaftlicher Kooperation zwischen den Turkstaaten ist. Er sagte:
„Vor kurzem gab der türkische Außeminister Mevlüt Cavusoglu die Gründung eines weiteren Arbeitsmechanismus zwischen der Türkei, Aserbaidschan und Kasachstan bekannt. Die Türkei ist der größte Investor in den Turkstaaten. Neben dem Bausektor und der Lebensmittelindustrie investiert die Türkei auch in zahlreiche andere Bereiche. Zugleich ist Aserbaidschan der größte Investor der Türkei.“
Seiner Meinung nach besteht eine „Nachfrage für eine Wirtschaftsunion in der Türkisch sprechenden Welt“. Wie Zeybekci kritisiert Quluzade:
„Das Handelsvolumen unter den Mitgliedsstaaten des Türkischen Rates ist weit unter dem, was die Beziehungen hergeben. Das will Ankara angehen, indem es den Handel in der gegenseitigen Nationalwährung in Aussicht gestellt hat.“
Wenn man den Handel angekurbeln möchte, fordert der aserbaidschanische Experte, dass die Turkstaaten auch ihre gegenseitigen Zollrichtlinien erleichtern müssen. Außerdem sieht er die Gründung eines gemeinsamen Investitionsfonds der Turkstaaten als wegweisend für die Entwicklung von IT- und andere Technologie-Sektoren an. Quluzade fügte hinzu:
„Die Türkei gehört zu den G20 und kann sich regional durchsetzen. Die übrigen Turkstaaten müssen lediglich den notwendigen politischen Willen für ein Bündnis mit der Türkei zeigen. Dieses Jahr beenden Türkei und Aserbaidschan den Bau der Baku-Tiflis-Kars-Eisenbahnstrecke. Das wird die Türkei zusätzlich mit Zentralasien verbinden. Wenn die TANAP- und dann die TAP-Pipeline nach Europa fertig gebaut sind, lässt sich die Kooperation auch auf Turkmenistan ausweiten, das sein Erdgas über Aserbaidschan und die Türkei auch an Europa verkaufen will. Damit könnten die Turkstaaten wieder an ihr historisches Erbe des Handels entlang der Seidenstraße anknüpfen, was die Turkstaaten zu einem nennenswerten Staatenblock in Eurasien machen wird.“
Der türkische Politologe an der Atatürk Universität in Erzurum, Cemil Dogac Ipek, sieht die Möglichkeiten einer Wirtschaftsunion der Turkstaaten noch immer kritisch. Seiner Meinung nach muss der sogenannte Türkische Rat, eine internationale Organisation von mehreren Turkstaaten, eine größere Geschlossenheit entwickeln, bevor praktische Schritte eines einheitlichen Wirtschaftsraumes gegangen werden können. Eurasia News erklärte Ipek:
„Mitglieder der Organisation sind Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgistan und die Türkei. Turkmenistan nimmt einen neutralen Beobachterstaates ein und Usbekistan schloss sich aus politischen Problemen seinerzeit unter dem Präsidenten Islam Karimow der Organisation nicht an. Wenn die Türkei tatsächlich eine Union anstrebt, muss sie Turkmenistan und Usbekistan ins Boot bringen.“
Über den Fall Turkmenistan informierte der Analyst:
„Turkmenistan möchte nicht von internationalen Organisationen und anderen Regionalmächten unter Druck gesetzt werden. Deshalb verfolgt es die Ideologie, außenpolitisch neutral zu sein. Ein Bündnis mit den Turkstaaten wird dem Staat nicht nur regionale Unterstützung zusichern, sondern auch wirtschaftliche Probleme leichter lösen. Eine volle Mitgliedschaft beim Türkischen Rat wird Aschgabat in allen Fragen zu Gute kommen.“
Auch die Mitgliedschaft Usbekistans, das zuletzt seine Beziehungen mit der Türkei weitgehend normalisierte, sei von zentraler Bedeutung. Ipek äußerte:
„Für die türkische Welt ist Usbekistan ein Schlüsselstaat. Das liegt vor allem daran, dass Usbekistan die einwohnerreichste Republik in Zentralasien ist. Das Land weist seit Jahren wirtschaftliche Wachstumszahlen von fünf bis sieben Prozent aus, gilt aber weitgehend im Herzen Zentralasiens als unterentwickelt.“
Für Ipek kann die Stärkung des Türkischen Rates in Eurasien ein wichtiger Schritt sein, Wirtschafts- und Energiepolitik von der Türkei bis nach China besser miteinander zu koordinieren. Das würde die Stellung von Turkstaaten als Block zwischen der EU, Russland und China konsolidieren. Außerdem sei eine supranationale Union auch für die Pflege gemeinsamer kultureller Fragen, die die ansonsten geografisch weit verstreuten Turkstaaten verbinden, ein guter Anlass.
Quelle:eurasianews
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