Das deutsche Problem

  11 Februar 2017    Gelesen: 466
Das deutsche Problem
Deutschen neigen zur Vorsicht. Nur eine Minderheit an Kapitalanlegern investiert im Ausland. Die geringe Fähigkeit hohe Renditen zu erzielen und damit Vermögen zu bilden, sticht international heraus.
Es gibt sie sehr wohl: Deutsche Kapitalanleger, die im Ausland Immobilien besitzen oder, zum Beispiel über Fonds für Private Equity, an Unternehmen beteiligt sind und damit still und leise über Jahrzehnte stattliche Renditen vereinnahmen. Manche für die Betreuung von Familienvermögen spezialisierte Berater besitzen auf diesem Gebiet sogar eine besondere Expertise. Deutsche Anleger besitzen zudem ausländische Aktien oder Anteile an auf ausländische Aktien spezialisierte Investmentfonds. Aber das ist nur eine Minderheit.

Die deutsche Präferenz für Renditeverzicht und vermeintliche Vorsicht zeigt sich auch in der Kapitalanlage im Ausland. Ende 2015 beliefen sich nach Angaben der Deutschen Bundesbank die Auslandsvermögen der Deutschen auf 7871 Milliarden Euro, von denen aber nur rund ein Viertel auf Anlagen in Eigenkapital entfielen. Die Renditechancen von Eigenkapital gelten langfristig als vergleichsweise günstig, aber auch als risikobehaftet und überdies sind manche Anlagen wie Immobilien und Unternehmensbeteiligungen nicht schnell verkäuflich, also wenig liquide.

So erstaunt es denn nicht, dass rund drei Viertel der deutschen Auslandsvermögen in scheinbar sicherem Fremdkapital angelegt sind; zum Beispiel in Anleihen oder in Bankguthaben. Als Anleger sind die Deutschen lieber Gläubiger als Eigentümer. Nur müssten die vergangenen Jahre gelehrt haben, dass solche Anlagen nicht nur häufig wenig rentabel sind, sondern auch ziemlich unsicher sein können. Es waren deutsche Gelder, die nicht unwesentlich zum Aufpumpen der Immobilienblasen in den Vereinigten Staaten, Spanien und Irland beigetragen hatten. „Deutschland lieferte Porsche und bekam Lehman-Zertifikate“, sagte der Ökonom Hans Werner Sinn einmal. Und es waren nicht wenige deutsche Gelder, die zum Kauf von Staatsanleihen nach Griechenland und Italien geflossen sind. Nach Ausbruch der Finanz- und Eurokrise wurde deutlich, dass viele der scheinbar zuverlässig angelegten Gelder verloren waren. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt die Verluste auf Auslandsanlagen für die Jahre 2000 bis 2013 auf rund 400 Milliarden Euro. Im Ausland lacht man schon lange über „dummes deutsches Geld“.

Bescheiden im internationalen Vergleich

Diese Fehlleistungen tragen dazu bei, dass die Deutschen bei internationalen Vergleichen über die durchschnittlichen Vermögen in einem Land eher bescheiden abschneiden. Die Transformation im internationalen Vergleich hoher Durchschnittseinkommen in im internationalen Vergleich hohe Durchschnittsvermögen gelingt seit langer Zeit nicht kontinuierlich. Das ist das eigentliche deutsche Problem. Zum zweiten trägt die Verwaltung der Auslandsvermögen zur starken Spreizung der Vermögen innerhalb Deutschlands bei, denn viele vermögende Deutsche wissen sehr wohl, wie man mit langfristigen Anlagen in ausländisches Eigenkapital ansehnliche Renditen erzielt. Es ist eher der normale Anleger, der die Zeche für schlechte Kapitalanlagen im Ausland, durch Direktanlagen wie durch Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen, zahlen muss.

Ein Vergleich mit den Vereinigten Staaten ist lehrreich. Die amerikanischen Auslandsvermögen waren Ende 2015 mit 23.341 Milliarden Dollar deutlich höher als die deutschen. Das ist nicht erstaunlich, weil die amerikanische Wirtschaft deutlich größer ist als die deutsche. Instruktiv ist ein Vergleich der Nettopositionen eines Landes mit dem Ausland. Er entsteht, wenn man die Auslandsvermögen eines Landes mit seinen Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland vergleicht, die im wesentlichen den Kapitalanlagen von Ausländern im eigenen Land entsprechen. Deutschland kam im Jahr 2015 auf ein hohes Nettovermögen von 1476 Milliarden Euro, zu dessen Entstehung die Leistungsbilanzüberschüsse wesentlich beigetragen haben.

>b>Amerikaner sind im Ausland hoch verschuldet

Dagegen sind die Amerikaner im Ausland netto sehr hoch verschuldet, denn ihren Auslandsanlagen von 23.341 Milliarden Dollar standen Ende 2015 Verbindlichkeiten gegen das Ausland von 30 621 Milliarden Dollar gegenüber. Daraus errechnet sich eine Nettoverschuldung der Amerikaner gegenüber dem Ausland von 7281 Milliarden Dollar, die im Laufe der Jahre wesentlich durch die Defizite in der Leistungsbilanz gespeist wurde. Doch obgleich die Amerikaner schon seit Jahrzehnten gegenüber dem Ausland hoch verschuldet sind, gelingt es ihnen, im Kapitalverkehr mit dem Ausland erhebliche Gewinne zu erzielen. Mit anderen Worten: Die Amerikaner erzielen auf ihre Auslandsanlagen deutlich höhere Renditen, als sie ausländischen Anlegern für deren Kapitalanlagen in Amerika zahlen müssen.

Wie machen sie das? Ein Grund ist im sogenannten „exorbitanten Privileg“ zu sehen, dass sich aus der Produktion der führenden Währung der Welt ergibt, die Anlegern in der ganzen Welt einen sicheren Hafen bietet und auch in Krisenzeiten liquide Märkte für Staatspapiere anbietet. Ökonomen haben errechnet, dass die Rendite amerikanischer Staatsanleihen als Ergebnis der Eigenschaft, ein sicherer Hafen zu sein, um rund 0,7 Prozentpunkte gesenkt wird. Viele internationale Kapitalanleger fühlen sich verpflichtet, amerikanische Staatspapiere zu halten. Und dies ist ein Grund, warum die Preise von Wertpapieren rund um den Globus von der Preisbildung amerikanischer Staatsanleihen beeinflusst werden, wie John Cryan, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, kürzlich sagte.

Unterschied liegt in der Art der Anlagen

Aber es ist nicht das „exorbitante Privileg“, das die Amerikaner so sehr von den Deutschen unterscheidet. Denn wenn Amerika den sicheren Hafen für die Anleger rund um den Globus bildet, so bildet Deutschland den sicheren Hafen in Europa. Deutsche Bundesanleihen haben auch aus diesem Grund eine so niedrige Rendite; sie sind traditionell bei vielen internationalen Großanlegern beliebt, auch wenn in den vergangenen zwei Jahren im Rahmen des EZB-Anleihekaufprogramms viele Papiere von der Deutschen Bundesbank angekauft worden sind.

Den Unterschied macht die Art und Weise, wie die Amerikaner Geld im Ausland anlegen. Während nur rund 25 Prozent der deutschen Auslandsvermögen in Eigenkapital angelegt sind, beträgt der Anteil für die amerikanischen Auslandsvermögen rund 50 Prozent. Die Amerikaner kaufen im Ausland gerne wenig liquide, aber potentiell renditestarke Unternehmen und Immobilien, und es ist diese Anlagekultur, die zur führenden Rolle amerikanischer Häuser im globalen Investmentbanking beiträgt.

Arbeiten wie in einer Bank

Nach den Worten der französischen Ökonomin Hélène Rey arbeiten die Vereinigten Staaten gegenüber dem Ausland wie eine hoch verschuldete Bank, die in Krisenzeiten die Rolle eines Versicherers übernimmt. Die Rolle der Bank besteht aus der Eigenschaft, durch das Angebot liquider Staatswertpapiere Anlegern eine jederzeit verfügbare und zumindest bei Papieren mit kurzen Laufzeiten auch relativ kursstabilen Hafen zu bieten. Dies funktioniert aber nur, wenn die Anleger davon ausgehen, dass der Dollar am Devisenmarkt nicht zu stark abwertet.

Die Amerikaner legen im Ausland lieber langfristig und häufig wenig liquide an, um hohe Renditen zu erzielen. Damit betrieben die Amerikaner wie eine Bank die Transformation von Fristen und Risiken, sagt Rey. Mit Kollegen hat sie versucht, die aus dieser Rolle entstehende Extrarendite auf Auslandsvermögen zu berechnen und sie ist bei einer langfristigen Betrachtung auf eine Rendite von durchschnittlich rund 2 Prozent gelangt. Dies ist ein Durchschnittswert, weil die Amerikaner in Finanzkrisen mit ihrer Strategie Geld verlieren: Sie bieten Ausländern weiterhin einen liquiden Anleihemarkt und agieren damit wie ein Versicherer, aber sie verlieren auf ihre langfristigen Anlagen in Finanzkrisen kurzfristig Geld.

So bilden das deutsche Nettovermögen und die amerikanischen Nettoschulden ebenso zwei Seiten einer Medaille wie das deutsche Sicherheitsstreben und die amerikanische Risikofreude in der Kapitalanlage. Weder beuten die Deutschen die Amerikaner aus noch die Amerikaner die Deutschen. Für die Deutschen wäre es dennoch wichtig, ihr Geld im Ausland besser anzulegen.


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