Auch Sajjad Husaini und Alishah Farhang sind zwei filmreife Typen. Sie sind die ersten Skifahrer vom Hindukusch. In St. Moritz wagen sie, das Unwahrscheinliche wahr zu machen. Für die diesjährige Alpine Skiweltmeisterschaft haben sie sich qualifiziert. Am Donnerstag ist ihr großes Rennen im Riesenslalom – Aufregung pur.
"Natürlich sind wir nicht so professionell wie die erfahrenen Sportler", sagt Sajjad Husaini. "Wenn sie über dich lachen, ist das ziemlich schwierig. Aber das bedeutet doch nicht, dass wir aufhören sollen. Es motiviert mich, beim nächsten Mal besser zu werden."
Vom Hindukusch in die Alpen
Der internationale Sport ist hart – noch härter für Husaini und Farhang, da die zwei Nachwuchsathleten erst seit wenigen Jahren Skifahren können. In ihrer Heimat Afghanistan gibt es zwar viel Schnee und wilde Pisten. Eine Wintersportkultur ist aber gerade erst im Entstehen.
2011 organisierte der Schweizer Journalist Christoph Zürcher die "Afghan Ski Challenge", ein Skirennen im Hochland von Afghanistan. Er musste die Dorfältesten und Einheimischen der Provinz Bamiyan überreden, die Berge des Hindukusch für Abfahrten zu nutzen. Sie stimmten zu, seitdem steckt die ganze Region im Wintersportfieber.
Husaini und Farhang haben das Rennen damals gewonnen – das war ihr Ticket nach Europa, wie sich Martin Berthod erinnert. Der Sportdirektor von St. Moritz hat die beiden Afghanen in den Schweizer Luxusort geholt. "Es geht uns wirklich gut hier und das möchten wir an andere weitergeben. Es ist unsere Absicht, mit dem Sport auch die Freundschaft und den Frieden weiter zu verbreiten." Farhang und Husaini sind Botschafter ihres Landes. Bei der Eröffnung der Alpinen Skiweltmeisterschaft vor einer Woche schwenkten sie die afghanische Flagge – neben denen von Österreich, Deutschland und Italien.
Zwei Stunden Aufstieg – fünf Minuten Abfahrt
Das Land vom Hindukusch ist eine von 75 Nationen bei der Ski-WM in St. Moritz – Husaini und Farhang zwei von rund 800 Sportlern, die teilnehmen. Ihr Trainer Alvin Ganz hält sich mit Prognosen zurück, große Chancen werden ihnen kaum zugerechnet. Bemerkbare Fortschritte könnten sie dennoch vorzeigen, sagt er. "Anfangs dachte ich noch, es ist ein sehr weiter Weg. Aber mittlerweile haben sie sich sehr gut entwickelt, dass sie da mitfahren können."
Und nicht nur das: Mittlerweile gibt es sogar einen afghanischen Skiverband. Frauen in dem streng muslimischen Land machen bei dem Sport mit, fahren bei Rennen sogar dieselben Pisten wie die Männer – nur an der Infrastruktur fehlt es noch. Da es keine Skilifte gibt, müssten Skifahrer für fünf Minuten Abfahrt zwei Stunden den Berg hochlaufen. Außerdem können Verletzungen sehr riskant sein: Die Krankenhausdichte ist klein, Rettungsteams und Helikopter gibt es nicht – wer in Afghanistan Ski fährt, muss die Strecken kennen.
Traum von Olympia 2018
Vergleichbar ist der sportliche Entwicklungsstand in Afghanistan mit dem der Schweiz vor über einhundert Jahren. In St. Moritz findet seit dem 6. Februar zum fünften Mal eine Ski-WM statt. Auch wenn die afghanischen Skipioniere kaum Chancen auf Medaillen haben, für sie gilt: Dabei sein ist alles – so wie die Jamaikaner von "Cool Runnings".
In wenigen Tagen geht es zurück in die Heimat: 8000 Kilometer gen Osten – in eine komplett andere Welt. Dort müssen sie weitertrainieren. Einen Traum wollen sie sich nämlich noch erfüllen: die Teilnahme an den Winterspielen 2018 im südkoreanischen Pyeongchang. "Für mich wäre es das Größte, wenn wir als Erste Afghanistan bei den Olympischen Winterspielen vertreten würden. Das würde der nächsten Generation die Hoffnung geben, dass auch sie es schaffen können", hofft Husaini.
In Afghanistan sind sie jetzt schon Ski-Stars – ganz gleich, wie sie bei der Skiweltmeisterschaft in der Schweiz abschneiden. Und sie sehen sich als Vorbild für ein friedlicheres, modernes Afghanistan. Die meisten verbinden das Land am Hindukusch vornehmlich mit Terror und Krieg. Husaini und Farhang wollen das ändern.
Quelle: n-tv.de
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