Die Zukunft der globalen Auto-Industrie entscheidet sich in China

  25 Februar 2017    Gelesen: 458
Die Zukunft der globalen Auto-Industrie entscheidet sich in China
China wird zum Standard-Setzer für die Automärkte. Hintergrund sind die Marktgröße, die Umweltverschmutzung und der Wille der chinesischen Führung, Dominanz in der globalen Autoindustrie anzustreben. Für die etablierten globalen Autobauer bahnt sich eine Fusions- und Restrukturierungs-Welle an.
AUTOMOBIL
Die Zukunft der globalen Auto-Industrie entscheidet sich in China
Deutsche Wirtschafts Nachrichten, Michael Bernegger | Veröffentlicht: 25.02.17 01:27 Uhr
China wird zum Standard-Setzer für die Automärkte. Hintergrund sind die Marktgröße, die Umweltverschmutzung und der Wille der chinesischen Führung, Dominanz in der globalen Autoindustrie anzustreben. Für die etablierten globalen Autobauer bahnt sich eine Fusions- und Restrukturierungs-Welle an.

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China hat ein ernstes Problem mit dem Smog. (Foto: dpa)
China hat ein ernstes Problem mit dem Smog. (Foto: dpa)

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Chinas Automarkt ist heute der größte der Welt – mit der besten Wachstumsdynamik. Doch dieser Erfolg ist mit einem hohen Preis erkauft. In den chinesischen Städten ist die Umweltverschmutzung katastrophal. Vor allem im Winter ergeben sich Konzentrationen von Feinstaub-Partikeln, die hochgiftig sind und denen man kaum ausweichen kann. China hat die Urbanisierung in riesigen Megastädten mit Wolkenkratzern realisiert, und damit eine sehr hohe Bevölkerungskonzentration geschaffen. Um diese Megastädte herum wurden Kohlekraftwerke und Industrieanlagen gruppiert, zu denen sich in den Städten der motorisierte Verkehr gesellt. Die Konzentration von Emissionen sorgt für einen giftigen Cocktail in und rund um diese Megastädte. Es sind in den Spitzen hohe Feinstaub-Konzentrationen, denen Hunderte von Millionen Chinesen alljährlich ausgesetzt sind. Die Auswirkungen sind schwer abschätzbar, aber eine ganze Generation von Chinesen dürfte im weiteren Verlauf des Lebens mit Gesundheitsproblemen konfrontiert sein. Im einfachsten Fall noch mit Atembeschwerden – im schlimmsten Fall mit Lungen- und Herz/Kreislaufproblemen, Krebs und verfrühtem Tod.

Diese Luftverschmutzung hat die Kommunistische Partei Chinas in Schwierigkeiten gebracht – trotz starker Zunahmen der Realeinkommen für die Bevölkerung. Gerade die neu entstandene Mittelklasse in den Megastädten, eigentlich die Gewinner im Wachstumsprozess, ist sehr kritisch und besorgt. Die anhaltende ökologische Krise erfordert scharfe Korrekturen. Es ist sogar unsicher, ob diese Form der Urbanisierung mit Korrekturen noch zu bewältigen ist. Die Partei hat mehrere große Initiativen an den Tag gelegt. Für die Autoindustrie ist eine umfassende Elektrifizierung des Autoverkehrs geplant. China fördert neue energetische Fahrzeuge (engl. New Energy Vehicles, kurz NEVs). Das sind rein elektrische oder Hybrid-Fahrzeuge, die sich folgendermaßen erklären:

Konventionelle Fahrzeuge gewinnen die Energie durch die Verbrennung von Benzin oder Diesel-Treibstoff. Personenwagen sind in China praktisch nur benzinbetrieben. Diesel wird vor allem für Lastwagen verwendet.
Hybride sind Fahrzeuge mit mindestens zwei verschiedenen Motoren, einem konventionellen Motor, in China einem Benziner, und mit einem oder mehreren batteriebetriebenen Elektromotor(en).
Bei einem Vollhybrid kann die Batterie durch den Benzinmotor und durch die Rekuperation von Bremsenergie und vom Schubbetrieb (etwa beim Bergabfahren) gespeist werden.
Bei einem Mildhybrid wird die Batterie nur durch die Rekuperation von Bremsenergie und vom Schubbetrieb gespeist. Eine Voraussetzung für den breiten Einsatz ist ein 48-Volt-Bordnetz. Dies ist eine Technologie, die bald generell verfügbar sein wird.
Bei einem Plug-in-Hybrid wird die Batterie zusätzlich durch Strom an der Säule oder an der heimischen Steckdose aufgeladen. Man spricht auch vom Steckdosen-Hybrid.
Die Förderpolitik ist ein Schulbeispiel dafür, wie China seine Industrien aufbaut und zur Weltmarkt-Führerschaft bringen will. Ökologische und industriepolitische Ziele werden untrennbar vermengt. Der Aufbau einer weltweit dominanten Elektro-Fahrzeugindustrie in China stellt aber die oberste Priorität dar – und nicht der Umweltschutz oder die Entlastung der Bevölkerung in China selbst. Oberstes Ziel ist explizit, die Weltmarktführerschaft bei NEVs zu erlangen und eine Exportstärke und sogar Weltmarkt-Dominanz der Industrie daraus zu entwickeln.

Um den Mechanismus zu verstehen, sei dies kurz für den Automarkt erklärt. Nehmen wir an, in- und ausländische Produktionskosten für ein Fahrzeug seien identisch. Für das inländische Fahrzeug 100, für das ausländische ebenso 100. Nach Importsteuern von 25 Prozent kostet das ausländische Fahrzeug aber 125. Nun wird die Mehrwertsteuer von 17 Prozent darauf geschlagen. Das inländische Fahrzeug geht dann für 117 über den Ladentisch, das ausländische aber für 146.25 (=1.17*125). Bei Kleinwagen kommt dann noch eine geringe Konsumsteuer hin, bei Mittel- und Oberklasse-Fahrzeugen dagegen eine erhebliche bzw. eine sehr hohe Konsumsteuer. Für ein Oberklasse-Fahrzeug (Typus Mercedes S-Klasse, BMW X6) muss der Käufer summa summarum rund das 2.5-fache des Preises in den USA bezahlen.

Nun sind die Kosten für die Herstellung eines bestimmten Fahrzeug-Typs am Anfang im Ausland wesentlich tiefer. Die Kapazität existiert ja dort. Sie ist auf das betreffende Modell ausgerichtet. Die chinesische Führung macht deshalb eine Form von Anschubfinanzierung, um die inländischen Produzenten wettbewerbsfähig zu machen. Dadurch sollen die Verkäufe angekurbelt und damit die Stückzahlen erhöht werden, bis die inländischen Wettbewerber konkurrenzfähige Stückkosten haben und die Importzölle allein greifen. Die Regierung hat dies nicht nur im Auto-, sondern auch in anderen Bereichen wieder und wieder vorexerziert.

Bezogen auf NEVs hat die chinesische Regierung schon sehr früh, seit 2011, Subventionen für inländische Hersteller, zusätzliche hohe Verkaufssubventionen für jedes verkaufte Auto und drittens Käufe von Elektrofahrzeugen durch öffentliche Arbeitgeber implementiert. Autoverkäufe an private Endkäufer wurden mit rund 9.000 US-Dollar für Elektrofahrzeuge und 7.000 US-Dollar für Plug-in Hybride subventioniert, wobei die Beträge direkt den Herstellern überwiesen wurden – mit der Erwartung, dass diese an Kunden weitergegeben werden. Diese Verkaufshilfen gelten aber nur für in China produzierte NEVs. Importierte Plug-in Hybride haben also einen Preisnachteil beim Verkauf, der ohne Weiteres 50 Prozent und mehr erreichen kann. Der Verkauf von elektrischen Bussen für städtische Verkehrsmittel wurde mit noch wesentlich höheren Subventionen von rund 80.000 Dollars pro Stück subventioniert.

Damit wurde die chinesische NEV-Fahrzeugindustrie mit riesigen Subventionen und Marktabschottung lanciert. So etablierte sich BYD Auto (‚Build Your Dream‘) als weltweit größter Hersteller von Elektrofahrzeugen und Plug-in Hybriden. Auch andere chinesische Hersteller erreichen oder übertreffen die Produktionszahlen ausländischer Hersteller wie Tesla. Chinesische Elektrofahrzeuge sind vor allem Kleinfahrzeuge, Plug-in Hybride finden sich vor allem in der Kompakt-Klasse. Der chinesische Markt für Elektrofahrzeuge und für Plug-in Hybride ist heute schon der größte der Welt. Damit dies funktionierte, wurde eine städtische Infrastruktur mit Schnell-Lade-Stationen in ausgewählten Großstädten aufgebaut. Dafür wurden die Elektrizitäts-Versorger angewiesen und subventioniert.

Die zweite Maßnahme bestand darin, Quoten für die Anzahl verkaufter Fahrzeuge festzulegen. In China tätige Autohersteller müssen ab 2018 acht Prozent aller produzierten Autos als NEVs verkaufen, ab 2019 zehn Prozent und ab 2020 zwölf Prozent. Bei ausländischen Herstellern werden importierte NEVs nicht angerechnet, sondern nur die in China produzierten. Toyota kann also keine Plug-in Hybride wie den neuen Prius Plug-in oder Auris Plug-in anrechnen lassen, die aus Japan importiert werden. Analog kann VW seine GTE Golf oder Passat-Modelle, die sich in Europa kaum verkaufen, nicht nach China exportieren, um die Verkäufe konventioneller Fahrzeuge zu unterstützen. Vollhybrid-Modelle, die nicht an der Steckdose aufgeladen werden können wie Toyota Prius oder Mildhybride werden nicht angerechnet, obschon sie tiefe Verbräuche und deutlich reduzierte Emissionswerte aufweisen und eine lange Historie und Erfahrungswerte haben. Diese Regulierung zwingt die ausländischen Hersteller, möglichst rasch elektrische und Plug-in Fahrzeuge in China herzustellen. Sonst sind die Verkäufe ihrer konventionellen Modelle bedroht. Wie üblich in Chinas Autoindustrie müssen diese NEVs in Joint-Ventures mit staatlichen Herstellern produziert werden. Damit ist der Technologie-Transfer garantiert. Die Herstellung von NEVs soll gemäß Planung von rund 500.000 Fahrzeugen im Jahr 2016 auf 5 Millionen 2020 heraufgefahren werden. Damit wäre China einsam an der Spitze in der Welt.

Der Absatz ist nicht das Problem. Die Verkaufssubventionen sind genügend hoch angesetzt und garantieren für den Absatz. Zudem entfallen beim Kauf von NEVs die Kosten für die Fahrzeug-Lizenz, denn eine solche ist garantiert. Dieser Wegfall subventioniert den Verkauf von Elektro mit zusätzlich fast 1000 Dollar. Andere Vorteile kommen hinzu: Bei konventionellen Fahrzeugen kann ein potentieller Käufer schon daran scheitern, dass er gar keine Lizenz in Großstädten mit Verkehrsüberlastung erhält.

Das Problem für die großen ausländischen Hersteller ist vielmehr, die Produktion so schnell hochfahren zu können. Volkswagen zum Beispiel hat 2016 erst eine dritte Lizenz mit einem neuen Partner für die Produktion von NEVs erhalten, muss die Fabrik aber noch bauen und die Fertigung bis 2018 drastisch nach oben fahren können. Gleiches gilt für andere große Hersteller wie Toyota oder GM. Sie müssen sich auf die Produktion von Elektrofahrzeugen stürzen. Allein die Verfügbarkeit von Batterien lässt Zweifel an den Zielen wachsen. Die Regulation hing schon lange in der Luft, wurde aber erst im September 2016 als Entwurf veröffentlicht. In der Substanz bevorzugt sie die inländischen Hersteller mit kleineren Produktionszahlen.

Neben dem Zwang für etablierte Hersteller, steigende Quoten von Elektrofahrzeugen und Plug-in Hybriden in China herzustellen, hat die chinesische Regierung als dritte Maßnahme noch 10 spezielle Lizenzen für spezialisierte Hersteller von Elektrofahrzeugen vergeben. Das sind häufig Start-ups, die aber mit hohen Beträgen subventioniert werden dürfen. Die Vergabe von solchen Extra-Lizenzen soll einerseits den Wettbewerb für die etablierten Hersteller konventioneller Fahrzeuge erhöhen. Zudem soll die übervölkerte NEV-Industrie – sie umfasst gegenwärtig rund 200 Hersteller – radikal ausgemistet werden. Viele NEV-Hersteller leben nur von staatlichen Subventionen und sind im Wettbewerb dauerhaft gar nicht überlebensfähig. Nach welchen Kriterien die Lizenzen vergeben werden, soll an einem Beispiel gezeigt werden:

Der chinesische Start-up NEVS (nicht: NEVs) hat eine der 10-Lizenzen erhalten. NEVS hat eine Kernkompetenz in der Batterietechnik und hat den bankrotten schwedischen Autohersteller SAAB 2012 für wenig Geld übernehmen können. NEVS hatte aber keine genügende Kapitalbasis. Die Produktion des Saab 9-3 musste nach einigen Monaten eingestellt werden, die Zulieferer wurden in einem Entschuldungsverfahren teilentschädigt. NEVS wird hoch subventioniert, baut in Tianjjn bis 2017 ein neues Werk für 200.000 Elektrofahrzeuge und will 2018 mit der Produktion auf der Basis des alten Saab 9-3 beginnen. Der Absatz scheint garantiert, denn die ersten 150.000 Fahrzeuge werden an eine Leasing-Gesellschaft für Elektrofahrzeuge verkauft.

Als vierte Maßnahme hat China auf den 01.12.2016 eine weitere Steuererhöhung auf den Verkauf von Luxusfahrzeugen verfügt. Begründung in der Regierungsmitteilung ist explizit die Bekämpfung der Umweltverschmutzung. Es ist also eine Lenkungsabgabe. Nur fallen dabei einige Unstimmigkeiten auf: Die Abgabe wird ausschließlich auf Importfahrzeuge erhoben. Das einzige in China produzierte Luxusgefährt des chinesischen Herstellers Hongqi, der 3.2 Tonnen schwere L5 mit 12-Zylinder Vollaluminium-Motor, ist davon nicht betroffen. Er ist in China ein Konkurrent für Rolls-Royce oder Bentley und kostet rund 580.000 Dollar – und wird auch als Staatskarosse verwendet. Dafür wird die Zusatzabgabe auch für den Tesla S und X erhoben, welche reine Elektrofahrzeuge sind und somit lokal keine Emissionen verursachen. Auch der Mercedes S-Klasse Plug-in-Hybrid, der gemäß unabhängigen Tests niedrige reale Verbräuche ermöglicht, ist dieser Zusatzabgabe unterworfen. Dieser Mercedes hat geringe Feinstaub-Emissionen, denn seit 2014 verfügt er über eine Art Partikelfilter für Feinstaub. Mit dieser Maßnahme sollen also teure ausländische Modelle, vor allem reine Elektrofahrzeuge wie die Teslas oder Plug-ins mit niedrigen Verbräuchen, nochmals massiv verteuert werden. So wird der Anreiz geschaffen, alle Fahrzeugtypen, gerade auch die explizit von der Regierung besonders geförderten, in China herzustellen.

Als fünfte Maßnahme werden Fahrzeuge unter Staatshilfe vernetzt, es wird ein chinesisch dominiertes Internet des Autos aufgebaut. China baut eine sehr ambitiöse digitale Architektur auf, welche auch für die Autohersteller nutzbar sein wird – vor allem für die einheimischen. Ausländische Institute und Hersteller argwöhnen, dass diese Vernetzung und Digitalisierung dazu benutzt werden, einheimischen Herstellern einen zusätzlichen Vorteil zu verschaffen.

Summa summarum erscheint dies auf den ersten Blick alles nicht unvernünftig. Der Verkehr soll auf umweltfreundliche Technologie umgestellt und die Emissionen reduziert werden. Eine Vernetzung macht Sinn, weil sie die Sicherheit und Effizienz des Verkehrssystems erhöht. Nur ist das Ganze in Wirklichkeit primär Industriepolitik und sicher nicht auf die dringende Reduktion der Emissionen ausgerichtet. Dabei mag allerdings auch Unwissen seitens der chinesischen Behörden relevant sein – vor allem bezüglich der Emissionswirkungen von konventionellen Fahrzeugen.

Die ganze Besteuerung des chinesischen Automarktes läuft nämlich auf die Produktion von konventionellen Benzin-Modellen mit kleinen Motoren unter 2 Liter Hubraum hinaus – ähnlich, aber viel strikter als in Europa. Damit werden 6- und 8-Zylinder-Motoren unattraktiv gemacht, dafür kleine hochaufgeladene Motoren (3- oder 4-Zylinder-Motoren) mit Benzindirekteinspritzung favorisiert. Diese Motoren, und zwar vor allem die kleinen aufgeladenen Direkteinspritzer, haben eine unangenehme Eigenschaft: Ohne Partikelfilter sind das nicht selten richtige Feinstaub-Schleudern. Sie emittieren hohe Mengen ultrafeiner Partikel (kleiner als 2.5 PM), welche in die Lungen und von dort direkt in das Blut gelangen. Solche ultrafeinen Partikel gelten im Allgemeinen als speziell gefährlich, da sie karzinogen sind. Wohlgemerkt gilt das nicht für alle, aber für viele Benzin-Direkteinspritzer. Vor allem bei kleinen Modellen lohnen sich aufwändige innermotorische Maßnahmen gar nicht, um die Verbrennung zu optimieren.

Benzin-Direkteinspritzer-Modelle mit Partikelfilter gibt es noch gar nicht in genügend großer Zahl. Mercedes wird in Deutschland 2017 erst bei der S-Klasse damit beginnen, andere große Hersteller wie VW ebenfalls nur bei einzelnen Modellen wie beim Touran. PSA soll ebenfalls 2017 damit beginnen. Konventionelle Saugmotoren, naturgemäß eher mit größeren Volumen, emittieren im Unterschied zu Direkteinspritzern praktisch keine Feinstaub-Partikel und wären viel besser geeignet, solange effiziente Partikelfilter noch nicht in genügender Zahl im Markt verfügbar sind. Technisch sind Partikelfilter für Benziner oder alternativ 4-Wege-Katalysatoren heute kein Problem. Sie sind auch nicht teuer, aber eben noch nicht verfügbar.

Die rasche Förderung der Elektrofahrzeuge ist ebenfalls sehr problematisch. Zwar erzeugt dann ein Fahrzeug lokal keine Emissionen, doch wenn die Stromerzeugung fast ausschließlich auf Kohleverbrennung wie in den Megastädten Chinas beruht, dann ist der Gesamt-Effekt sogar stark negativ. Diese Form der Elektrizitätsproduktion hat im Gesamteffekt indirekt das Zwei- bis Fünffache an Feinstaub-Emissionen der Elektrofahrzeuge gegenüber Benzinern zur Folge. Chinesische Wissenschaftler haben darauf hingewiesen, dass zuerst die Elektrizitätsproduktion umgestellt werden sollte, bevor auf breiter Basis auf Elektrofahrzeuge gesetzt wird.

Effektiv ist in einer solchen Situation die Verwendung von Mild- oder von Vollhybriden wie bei einem Toyota Prius, ebenso geeignet, weil dann kein Strom aufgetankt werden muss. Bei solchen Hybriden wird Strom durch Sprit-Verbrennung, durch den Fahrbetrieb und durch Bremskraft-Rekuperation gewonnen. Doch genau diese Modelle sind von der Anrechnung und Förderung ausgeschlossen.

Schließlich weist die Tatsache, dass im Ausland produzierte und importierte Modelle per se ausgeschlossen sind, auf primär industriepolitische Ziele hin. Denn der größte Teil des Energieverbrauchs beim Auto fällt immer noch in der Produktion und Fertigung des Autos an und nicht beim laufenden Betrieb. Importfahrzeuge würden also den Energieverbrauch vor allem von Kohlestrom zur Industrieproduktion reduzieren.

Die ganze Form der Regulierung ist von normalen Standards des Umweltschutzes so weit verschieden, dass sie interpretationsbedürftig ist. Hersteller eines bestimmten umweltverschmutzenden Produkts müssen ein ziemlich verschiedenes anderes Produkt in einer rasch steigenden minimalen Größenordnung oder Quote produzieren. Dieses ist unter den gegebenen Voraussetzungen aber auch extrem umweltverschmutzend, einfach indirekt über die Elektrizitätsproduktion. Normal wäre stattdessen ein maximaler Emissionswert der einzelnen Fahrzeuge und/oder in Kombination der ganzen Fahrzeugflotte. Dies würde den Herstellern erlauben, je nach Stand ihrer Technik diese Ziele zu erreichen. Sie könnten nur noch emissionsarme Modelle anbieten, oder wären gezwungen, in ihre Modelle die technisch mögliche emissionsmindernde Abgas-Technologie einzubauen.

Was durch die Regulation in Wirklichkeit erreicht wird, ist etwas ganz Anderes. Die großen Massenhersteller müssen ihre bisher nicht in die JVs eingebrachte Technologie herausrücken. Toyota etwa ist bisher der Pionier und weltweit erfolgreichste Produzent von Hybrid-Fahrzeugen. Das japanische Unternehmen hat weltweit schon über 9 Millionen Hybrid-Fahrzeuge verkauft. Doch in China hat Toyota bisher praktisch keine Prius oder anderen Hybrid-Fahrzeuge produziert – wohl wegen Bedenken wegen der Intellectual Property (IP). Für die wenigen produzierten Prius und Camrys dürften die Kernkomponenten als Autobestandteile importiert und in China nur montiert worden sein. Das wird in Zukunft nicht mehr möglich sein. Toyota hat auch angekündigt, jetzt im großen Maßstab Plug-in Hybrid-Fahrzeuge in China zu produzieren.

Für die chinesische Umwelt wird der Effekt der gesamten Regulation in der kurzen bis mittleren Frist eine weitere, wahrscheinlich deutliche Verschlechterung sein. Die in den Megastädten hoffnungslos überhöhte Automobildichte wird weiter ansteigen. Es werden bei den konventionellen Benzinern vor allem kleinmotorige aufgeladene Direkteinspritzer ohne Partikelfilter produziert. Viele werden sehr hohe Feinstaubwerte aufweisen. Diese werden nachher für 10 und mehr Jahre hinaus im Wagenpark sein. Elektrofahrzeuge und Plug-in Hybride werden zunächst die Kohleverstromung rund um die Großstädte und damit die Rußbildung noch stärker anheizen. Denn die Energieversorgung kann nur langsam und schrittweise umgestellt werden – wenn dies überhaupt angegangen wird. Was auch immer Wissensstand und Absicht der chinesischen Behörden sind, welche all diese Regulationen erlassen haben, sie zeigen eines in aller Deutlichkeit auf:

China ist im Automarkt zum globalen Standard-Setzer geworden. Bisher waren dies die Europäische Union mit ihren Euro-Grenzwerten einerseits, die USA andererseits. Die großen ausländischen Autohersteller müssen jetzt in substantiellem Ausmaß und innerhalb sehr kurzer Frist Elektro-Fahrzeuge und Plug-in Hybride produzieren, wenn sie im größten Markt der Welt noch konventionelle Autos verkaufen wollen. Für die deutschen und generell die europäischen Hersteller wie Volkswagen, die lange – bis vor kurzem – auf den Diesel als Standard gesetzt und diesen global propagiert haben, ist dies ein Schock. Sie müssen jetzt unter hohem Zeitdruck massiv neue Motoren und Modelle entwickeln. Das verteuert die Entwicklungs-Aufwendungen ungemein. Denn Elektrofahrzeuge werden vom Design her völlig anders gebaut als konventionelle Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren. Bei Tesla ist die Batterie im Fahrzeugboden, nicht unter der Fronthaube. Und der Elektromotor macht viele bisherigen Kernkompetenzen konventioneller Autohersteller obsolet: etwa im Motorenbau, bei Turbos, Einspritzsystemen, in der Getriebe-Entwicklung und anderem mehr.

Umgekehrt sind Start-ups mit Kernkompetenzen in der Batterie-Entwicklung wie Tesla oder BYD und andere Hersteller in China mit erheblichen Vorteilen ausgestattet. Elektrofahrzeuge unterscheiden sich vor allem in der Batterie-Entwicklung. Es gibt ungefähr vier verschiedene Grund-Typen von Batterien. Chinesische Hersteller haben bei der Batterie-Entwicklung zwei Vorteile: Sie haben die Batterie-Technologie von der Smartphone- und generellen ICT-Technik bereits im Griff und haben dort Kernkompetenzen aufgebaut. BYD beispielsweise startete als Batterie-Lieferant für die chinesische ICT-Industrie. Und China verfügt praktisch monopolartig über seltene Erden, welche für einzelne Batterietypen von Elektrofahrzeugen unentbehrlich sind.

Welche Batterie-Technik sich schließlich durchsetzt, ist im Vornherein nicht identifizierbar. Die europäischen Hersteller müssen also parallel Diesel-, Benzin- und Elektrofahrzeuge sowie alle möglichen Hybrid-Formen entwickeln. In der europäischen und vermutlich sogar in der globalen Autoindustrie dürfte es deshalb zu einer Fusions- und Konzentrationswelle kommen. Denn nur Hersteller mit viel größeren Stückzahlen können sich diese auf verschiedene Antriebstechnologien verzettelten Forschungs- und Entwicklungsausgaben leisten. Von daher ist auch der Ausstieg von GM bei Opel verständlich. GM kann sich dann auf Benzin- und Elektrofahrzeuge konzentrieren und Dieselmotoren aufgeben, welche in Europa von der Regulation (Priorität der CO2-Ziele) her noch längere Zeit möglich und notwendig sind. Damit würde sich GM einzelnen asiatischen Herstellern annähern, welche wie Toyota aus der Dieselmotoren-Entwicklung aussteigen.

Den hohen Kosten der Entwicklung von NEVs und emissionsärmeren konventionellen Fahrzeugen in den nächsten Jahren steht für die Autohersteller ein möglicher Zusammenbruch der Preise von Autos gegenüber. Elektrofahrzeuge können viel einfacher als konventionelle Benziner und Diesel konstruiert werden. Ob sie preislich und vom Gebrauchsnutzen wettbewerbsfähig sind, hängt von zwei Faktoren ab: Die Batteriekosten und die Reichweite elektrischer Fahrzeuge sind die kritischen Größen. Die Batterieherstellung wird durch die hohen Stückzahlen bedingt zu Skaleneffekten führen und sowohl die Batteriepreise drastisch sinken lassen wie die Reichweite deutlich erhöhen. Dann können die Preise von Elektrofahrzeugen wie auch von Plug-ins ins Rutschen kommen. Damit könnten auch die Preise konventioneller Fahrzeuge, wo keine vergleichbaren Produktivitätseffekte möglich sein dürften, unter Druck kommen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass jetzt durch das Marktwachstum und durch die Regulation in China bedingt eine Überinvestition im globalen Automarkt stattfindet, die nachher genauso wie in vielen anderen Branchen von Überkapazität, technischer Obsoleszenz und dramatischen Preisfällen mit weit verbreiteten Konkursen und Restrukturierungen begleitet sein wird.

Der globale Schiffstransport ist ein gutes Beispiel, wo China zwischen 2007 und 2014 einen gewaltigen Kapazitätsaufbau in allen Bereichen – Tanker, Schüttgut- und Containerschiffe – machte, der jetzt die Branche weltweit in die Bredouille bringt: Siehe die Lage der Schiffskredite bei der HSH Nordbank, Commerzbank oder bei den griechischen Banken. Weitere Beispiele aus der chinesischen Binnenwirtschaft sind die Chinesische Stahl-, Aluminium-, Zement-, Metallindustrie, die ihre überschüssige Kapazität jetzt auf dem Weltmarkt zu Dumpingpreisen zu verramschen suchen.

Der Plan der chinesischen Regierung, über die skizzierten Zwangsmaßnahmen eine dominante chinabasierte und wenn möglich chinesisch beherrschte NEV-Industrie aufzubauen, ist gar nicht so unrealistisch. Je nach Produktivitätsfortschritt in der Batterie-Entwicklung kann die Regierung die Quoten für NEVS sukzessive anheben und damit der Technik zunächst auf dem Binnenmarkt zum Durchbruch und daraufhin zur Dominanz verhelfen. Sie kann auch, unter Verweis auf die Umweltbelastung, die Emissionswerte für konventionelle Fahrzeuge plötzlich drastisch verschärfen, sodass diese ohne Hybrid-Technologie gar nicht mehr zu erreichen sind. In einem zweiten Schritt, wenn die Stückkosten von NEVs aufgrund der immensen Stückzahlen drastisch gesunken sind, kann dann der Weltmarkt der Fahrzeugherstellung erschlossen und später erobert werden. Das ist zweifellos das Skript der chinesischen Regierung.

Die chinesische Regierung reagiert so auf eine Vielzahl von Faktoren und Erfahrungen. Bei konventionellen Fahrzeugen werden sich die chinesisch beherrschten Autohersteller auf absehbare Zeit gegen die ausländischen Hersteller weder auf dem chinesischen Markt noch auf den Weltmärkten durchsetzen können. Bei Elektro-Fahrzeugen und Hybriden kann dies anders werden. Bedingt durch technologische Fortschritte in der Batterie- und Antriebstechnik sowie durch die Digitalisierung wird die bisherige technologische Führerschaft etablierter Autohersteller entwertet. Das Feld ist für Newcomer offen – nicht nur in China. China hat dabei komparative Vorteile, die sich aus seiner Rolle in der ICT-Industrie und im Autobau abstützen. Langfristig können diese beiden Antriebstypen Antworten auf umweltpolitische Probleme in China wie auf den Weltmärkten darstellen. Der Automobilsektor wird von der chinesischen Führung ganz klar als eine Kernindustrie angesehen, in der sie die chinesischen Unternehmen an der Weltspitze sehen will, und zwar bei NEVs. Sie hat in reifen Märkten in den Industrieländern großes Potential, und noch viel mehr in den Schwellenländern.

Die umweltpolitischen Ziele wird die chinesische Regierung kurz- und mittelfristig kaum erreichen können. Diesbezüglich repräsentieren die Maßnahmen eher eine Fahrt in eine zunächst noch dichtere Smogglocke. Zu Beginn wird der Ausstoß von Emissionen direkt und über erhöhte Kohleverstromung indirekt noch verstärkt. Empirische Untersuchungen haben zudem ergeben, dass für die Feinstaub-Belastung durch den Straßenverkehr die Abgase und Emissionen der Motoren nur einen, wenn auch wichtigen Teil darstellen. Der Feinstaub von Pneus, von Bremsen sowie durch das Aufwirbeln von Straßenstaub wird ergänzt und multipliziert die Abgas-Emissionen. Mit der Erhöhung der Anzahl der Fahrzeuge steigen diese Emissionen weiter an – selbst wenn die Abgas-Emissionen längerfristig reduziert werden könnten. Die Wahrheit ist wohl, dass Autos kein geeignetes Verkehrsmittel für den Berufsverkehr in solchen Mega-Großstädten mit einer enormen, historisch präzedenzlosen Bevölkerungs-Konzentration auf engstem Raum darstellen können. Wenn schon solche Megastädte, sollte der öffentliche Verkehr – U-Bahn, S-Bahn, Trams, Busse – drastisch ausgebaut, der private Berufsverkehr unterbunden oder scharf reduziert und traditionelle Verkehrsmittel wie Fahrräder ermöglicht werden. Es ist eine verfehlte Konzeption der ganzen Urbanisierung, auf das Auto als wichtigen Verkehrsträger zu setzen, die letzten Endes dahinter steckt.

Quelle:deutsche-wirtschafts-nachrichten

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