Etwa 145 Extremisten aus Deutschland sollen in Syrien oder dem Irak bereits gestorben sein. Ein Drittel der Dschihadisten sind dem Bundesamt zufolge mittlerweile wieder in die Bundesrepublik zurückgekehrt, mindestens 70 von ihnen sollen an Kämpfen beteiligt gewesen sein.
Insgesamt flaue die Ausreisedynamik aber ab, so die Verfassungsschützer. Weil der "Islamische Staat" (IS) militärisch zunehmend unter Druck gerate, zögerten inzwischen viele Islamisten, sich der Miliz anzuschließen, heißt es in Sicherheitskreisen. Anfang 2017 seien daher weniger Extremisten ausgereist als in vergleichbaren Zeiträumen der Vorjahre. Hinzu kommt auch, dass die deutschen Behörden mehr als 100 Personen die Reise in das Krisengebiet verboten haben.
Die Terroristengruppe musste im Irak und in Syrien zuletzt erhebliche Gebietsverluste hinnehmen. Dadurch verliert der IS immer mehr Einnahmen, die sich etwa aus der Ölförderung und der Erpressung von Abgaben aus der Bevölkerung speisen.
Erhöhte Gefährdung
Gleichwohl führen die militärischen Rückschlägen des IS nach Einschätzung von Experten zu einer erhöhten Gefährdung Europas. Die Terrormiliz, so interpretieren Fachleute in Sicherheitsbehörden die Lage, könnte sich künftig noch stärker darauf verlegen, Attentäter in den Westen zu entsenden oder gleich Attentäter in Europa zu anzuwerben. Beide Vorgehensweisen führten in den vergangenen Jahren bereits zu Terrorakten in Frankreich, Belgien und auch in Deutschland. Der Chef des Bundeskriminalamts, Holger Münch, hatte schon im Frühjahr 2015 gewarnt: "Je weniger militärische Erfolge der IS in Syrien und dem Irak hat, desto mehr wird er sich Anschlagsziele im Ausland suchen, auch in Deutschland."
Zudem schätzen Sicherheitsbehörden und Radikalisierungsforscher die sogenannten Rückkehrer als besonders gefährlich ein. "Sie haben häufig extreme Gewalterfahrungen gemacht, sind stark radikalisiert und haben nur wenige Perspektiven in ihrer Heimat", so ein Staatsschützer. "Um sie müssen wir uns besonders kümmern."
Der französische Journalist und Terrorexperte David Thomson sagte dem SPIEGEL vor einiger Zeit über die Dschihad-Rückkehrer: "Das Drama ist, dass viele wieder in demselben langweiligen Leben landen, das sie unbedingt hinter sich lassen wollten." Es gebe keine richtige Methode, wie die Gesellschaft mit ihnen umgehen solle. Auch in Deutschland setzt der Staat bei den heimgekehrten Terror-Touristen bislang vor allem auf Strafverfolgung und Repression.
Die Zahl der nach Syrien und in den Irak ausgereisten Islamisten aus Deutschland hatte sich zwischen 2014 und 2015 mehr als verdoppelt. Seinerzeit zählten die Verfassungsschützer mindestens 680 solcher Terror-Touristen. "Zwischen 2013 und 2015 wurde der IS von einer Siegeswelle getragen", so Experte Thomson. "Es sah so aus, als ob nichts ihn aufhalten könnte." Inzwischen gebe es diese Euphorie nicht mehr. "Die Leute haben jetzt einfach Angst zu sterben."
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