Laut einem Bericht der Website "Politico" soll der britische Zoll trotz massiver Hinweise eine systematische Betrugsmasche ignorieren, mit der durch den massenhaften Import chinesischer Billig-Textilien der Haushalt der EU geschädigt wird. Betrüger führen dabei Schuhe, Hosen und Hemden aus China über britische Häfen in die EU ein, geben dabei aber einen viel zu geringen Warenwert an. Deshalb wird kaum Zoll auf die Billigerzeugnisse aufgeschlagen und einbehalten. Das fehlt dann im EU-Haushalt, der sich unter anderem aus diesen gemeinsamen Zöllen der Gemeinschaft finanziert.
Laut der EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf entgingen Brüssel allein zwischen 2014 und 2016 durch "kontinuierliche Nachlässigkeit" des britischen Zolls bis zu zwei Milliarden Euro Einnahmen. "Die Verluste im EU-Haushalt gehen weiter, weil dieser Betrug bis heute nicht gestoppt wurde", zitiert "Politico" einen Olaf-Sprecher.
Großbritannien profitiert, EU zahlt
Der bandenmäßige Betrug hat weitreichende Folgen. Nicht nur verliert die EU Zolleinnahmen, wenn Waren beim Import unterdeklariert werden. Beim Weiterverkauf geht zusätzlich Umsatzsteuer verloren, denn auch die wird ja prozentual auf den Warenwert aufgeschlagen: Je kleiner der Preis, desto geringer auch die Steuer.
Doch die Ausfälle treffen nicht Großbritannien, sondern die anderen EU-Länder: Die Betrüger dürfen die chinesischen Billigsachen von britischen Häfen umsatzsteuerfrei nach Hamburg, Le Havre oder Rotterdam weiterverschiffen - so wollen es die veralteten Regeln für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU. Erst in Deutschland, Frankreich oder Holland wird dann beim Weiterverkauf zuwenig Umsatzsteuer kassiert. Und selbst das bisschen, was überhaupt anfällt, fließt meist in die Taschen der Betrüger: Genau wie bei Umsatzsteuerkarussellen, die die EU-Finanzämter jährlich rund 50 Milliarden Euro kosten, verschwinden die Händler mit der Steuer und tauchen unter anderem Namen wieder auf.
Weil die Betrugsmasche die Finanzämter im Ausland schädigt, ist sie den britischen Zöllnern offenbar egal. Großbritannien profitiert dagegen von dem illegalen Einfuhrrabatt: Er zieht Handelsumsätze und Schiffe an und sichert damit Arbeitsplätze auf der Insel. Selbst Waren, die in Hamburg ankämen, würden deshalb vorher über Dover umgeleitet, schreibt "Politico". "Die britischen Behörden haben kein Interesse, in diesem Feld zusammenzuarbeiten, wahrscheinlich weil sie das Problem nicht direkt betrifft", sagte ein französischer Beamter der Webseite. "Sie strengen sich nicht an."
Verdächtig billige Hosen
Dabei müsste sich der britische Zoll nicht mal sonderlich bemühen, um zu merken, dass mit den spottbilligen Klamotten aus Fernost etwas nicht stimmen kann: Einige der Damenhosen aus China waren angeblich weniger als einen Euro pro Kilo wert - und kosteten damit weniger als die Baumwolle, aus der sie hergestellt wurden. Der EU-weite Durchschnitt für importierte Hosen liegt dagegen laut Olaf bei 26 Euro.
Anders als viele andere europäische Länder sträubt sich Großbritannien, etwas gegen den Importbetrug zu unternehmen. "Trotz wiederholter Anläufe durch Olaf und im Widerspruch zu den Maßnahmen, die einige andere Mitgliedsstaaten im Kampf gegen diese Betrüger getroffen haben, ist die Drehscheibe des Betrugs in Großbritannien weiter gewachsen", teilte die Antikorruptionsbehörde mit. Das Land habe auch keine Ermittlungen eingeleitet.
Man habe "eine exzellente Bilanz bei der Bekämpfung von allen möglichen Arten von Betrug" und deshalb allein im letzten Jahr mehr als 26,6 Milliarden Pfund sichergestellt, hielt die zuständige britische Steuerbehörde HMRC dagegen. Man nehme die Empfehlungen von Olaf zur Kenntnis.
Neuer Zankapfel beim Brexit
Noch tauschen die Steuerbehörden in London und Brüssel bloß ihre Positionen aus. Nach dem EU-Austritt der Briten könnte der Streit bald in einen diplomatischen Eklat münden. Denn Olaf hat der EU-Kommission empfohlen, die Zollausfälle zurückzufordern und London eine Strafe von zwei Milliarden Euro aufzubrummen, die als Entschädigung direkt in den EU-Haushalt eingezahlt werden soll.
Die Summe käme zu den bis zu 20 Milliarden Euro hinzu, die London ohnehin noch an EU-Haushaltsbeiträgen schuldet. Wieviel Großbritannien am Ende zahlen muss, hängt von den Brexit-Verhandlungen ab. Beide Posten dürften dabei zum Politikum werden. Die britische Premierministerin Theresa May will noch im März den Startschuss geben und in Brüssel formal den Austritt Großbritanniens aus der EU erklären. Dann dürfte ziemlich schnell der Streit ums Geld beginnen.
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