Generalstaatsanwalt nimmt Minister ins Visier

  15 März 2017    Gelesen: 820
Generalstaatsanwalt nimmt Minister ins Visier
Abgeordnete und Minister, eventuell auch Präsident Temer: Brasiliens Staatsanwaltschaft beantragt im Korruptionsfall Odebrecht Strafermittlungen gegen 83 Politiker. In Kolumbien indes will Präsident Santos nichts gewusst haben.
Der Schmiergeldskandal um den Baukonzern Odebrecht erfasst weite Teile der politischen Führungselite Brasiliens. Der Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot beantragte beim Obersten Gerichtshof 83 Verfahren gegen Abgeordnete, Minister und Ex-Präsidenten. Die Anschuldigungen entstanden auf Basis der Aussagen von 77 früheren und aktuellen Managern des Baukonzerns Odebrecht, wie er mitteilte. Nach Angaben des Portals "Estadão" befinden sich auf der Liste fünf der 29 Minister aus dem Kabinett von Staatspräsident Michel Temer sowie die Ex-Präsidenten Dilma Rousseff und Luiz Inácio Lula da Silva. Auch Temer selbst soll sich mit dem inzwischen zu mehr als 19 Jahren Haft verurteilten Ex-Chef Marcelo Odebrecht getroffen haben. Aber gemäß der Verfassung kann ihm ein Amtsenthebungsverfahren eigentlich nur bei Vergehen während seiner Amtszeit drohen. Die Vorgänge fallen jedoch in eine Zeit, als er noch Vizepräsident unter Rousseff war.

Temer und seine rechtskonservative Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) ließen 2016 die Koalition mit Rousseffs Arbeiterpartei platzen. Durch einen Pakt mit bisherigen Oppositionsparteien kamen die Mehrheiten für die Amtsenthebung von Rousseff zustande und Temer an die Macht. Aber zugleich wird auch noch eine Annullierung der Wahl 2014 wegen Schmiergeldzahlungen für die Kampagne von Rouseff/Temer vom Obersten Wahlgericht geprüft. Sollte auch Temer stürzen, würde ihm bis zur nächsten Wahl 2018 eigentlich Parlamentspräsident Rodrigo Maia nachfolgen - doch der soll auch auf der Liste der Verdächtigen stehen. Nächste in der Rangfolge wäre die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Cármen Lúcia.

Durch die hohe Zahl an Verdächtigen droht das Vertrauen in die Politik weiter zu erodieren und Populisten könnten Auftrieb bekommen. Auf Demonstrationen wird immer wieder ein Einschreiten des Militärs gefordert - vor der demokratischen Phase gab es von 1964 bis 1985 eine Militärdiktatur. Die Ermittlungen könnten Reformen in dem von einer tiefen Rezession erfassten fünftgrößten Land der Welt verschleppen.

Nun muss vom Gerichtshof entschieden werden, welche Ermittlungen zugelassen werden. Eigentlich sollten im Frühjahr auch die zweiten deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen stattfinden, dieses Mal mit Kanzlerin Angela Merkel als Gastgeberin in Berlin. Aber hierzu wurde bisher kein Termin bekannt gegeben - ein Grund dafür sollen die Unwägbarkeiten angesichts des Korruptionsskandals sein. Wegen der möglichen Konsequenzen wird in Brasilien bereits von der "Operation Ende der Welt" gesprochen.

Kolumbiens Präsident entschuldigt sich

116 Staatsanwälte seien an der Ermittlungsarbeit beteiligt, hieß es. In der Regel floss ein Teil der Vertragssumme an Politiker, im Gegenzug kam es zur "Refinanzierung" und oft zu enormen Kostensteigerungen. Daher fordert zum Beispiel die Justiz in Rio de Janeiro 60 Millionen Euro von den Baufirmen um Odebrecht für den Umbau des Maracanã-Stadions zurück. Odebrecht realisierte auch andere Stadionbauten und Verkehrsprojekte für die Fußball-WM und die Olympischen Spiele in Rio. Der Konzern, dessen Wurzeln auf deutsche Einwanderer zurückgehen, soll in zwölf Ländern Lateinamerikas und Afrikas rund 785 Millionen US-Dollar (735 Mio Euro) an Schmiergeldern gezahlt haben, um an Aufträge zu kommen.

Auch Kolumbien ist von dem Odebrecht-Skandal betroffen. Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos bestritt am Dienstag eine persönliche Kenntnis von illegalen Spenden durch den Baukonzern. Er verurteilte die Unregelmäßigkeiten bei seiner Wahlkampagne 2010 und betonte: "Ich habe diese Dinge nicht erlaubt und nichts davon gewusst." Gleichzeitig bat er um Entschuldigung. Sein Ex-Wahlkampfleiter Roberto Prieto hatte eingeräumt, dass Odebrecht rund 375.000 Euro für Wahlwerbung bezahlt habe. Zudem prüft die Staatsanwaltschaft, ob für Santos' Wiederwahlkampagne 2014 sogar fast eine Million Euro von Odebrecht gezahlt worden ist.

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