Allerdings mochte Washington die hohen Überschüsse Deutschlands auch zu Obama-Zeiten nicht. Der damalige Finanzminister Jack Lew hielt Berlin immer wieder dazu an, die Staatsausgaben zu erhöhen, um die Weltwirtschaft zu stimulieren und die globalen Ungleichgewichte abzubauen.
In der neuen «America first»-Ära hat das kritische Schielen auf die Handelsüberschüsse von Partnerländern freilich einen anderen Hintergrund. Trump sagte in der gemeinsamen Pressekonferenz, Amerika sei in der Vergangenheit ausgenutzt worden und der freie Handel habe zu schlechten Resultaten für das Land geführt. Millionen Amerikaner seien deswegen zurückgeblieben – das werde nun aufhören.
Dass er ein Isolationist sei, wie ihm ein deutscher Journalist mit Blick auf den geplanten Mauerbau an der Südgrenze vorwarf, liess Trump nicht gelten. Handel müsse fair und gewinnbringend für beide Seiten sein, und er, Trump, sei ein Händler, der Gutes für alle erreichen wolle. Es gehe ihm nicht um den Sieg, sondern um Fairness.
Kanzlerin Merkel stimmte Trump zu, dass der Handel fairer werden müsse. Man werde sich eingehend darüber unterhalten. Handel ist auch in der dieses Jahr von Deutschland präsidierten G-20 ein Hauptthema. Sie habe Trump zum Gipfel eingeladen, und der Präsident habe die Einladung angenommen.
Deutschland habe offensichtlich in der Vergangenheit viel besser verhandelt als die USA und daher bessere Handelsabkommen erzielt, meinte Trump. Merkel ging auf dieses Kompliment nicht ein, sondern erklärte, dass im Falle Deutschlands die Europäische Kommission für Handelsverträge zuständig sei, wenn auch die EU-Mitgliedstaaten Mitspracherecht hätten. Sie glaube an diesen Ansatz, der beispielsweise im jüngsten Abkommen mit Südkorea zu guten Resultaten für beide Seiten geführt und auch Stellen geschaffen habe. Sie hoffe deshalb auch, dass die Verhandlungen mit den USA über eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) bald wiederaufgenommen würden, sagte Merkel. Sie räumte ein, dass das Thema auch in Deutschland nicht immer auf Anklang gestossen sei. Aber sie stelle diesbezüglich einen gewissen Stimmungswechsel fest.
Trump nahm den Ball nicht auf, und es ist nicht klar, ob das Konzept der Europäischen Kommission als Verhandlungspartner bei ihm angekommen ist. Der Präsident erwiderte lediglich, die USA würden im Handel mit Deutschland «künftig sehr gut zurechtkommen». Sein Land werde sich dank soliden Handelsabkommen zum Besseren verändern und nicht mehr unter der Abwanderung von Firmen und Jobverlusten leiden.
Im Rahmen von Merkels Besuch im Weissen Haus fand auch ein runder Tisch mit deutschen und amerikanischen Wirtschaftsführern statt. Dabei ging es um die technische Ausbildung von Arbeitskräften. Trump sagte, Deutschland sei «unglaublich erfolgreich» mit seinem Lehrlingswesen. Auch die USA müssten mehr Alternativen zu einer vierjährigen akademischen College-Bildung anbieten können.
Gegenseitiger Respekt – keine vorgetäuschte Nähe
Peter Winkler, Washington ⋅ Der Eklat ist – natürlich – ausgeblieben. Dies, obschon Präsident Trump im Wahlkampf über seinen Gast einige üble Dinge gesagt hatte und die deutsche Kanzlerin vor den Bundestagswahlen sicherlich noch einige weitere Bemerkungen über den amerikanischen Präsidenten wird machen müssen, wenn sie das Feld der in Deutschland verbreiteten Abneigung gegenüber Trump nicht ihrem Widersacher von der SPD überlassen will.
Bundeskanzlerin Merkel und ihr Gastgeber im Weissen Haus versuchten aber auch nicht, Nähe vorzutäuschen. Man blieb im Ton und in der Körpersprache vielmehr auf respektvoller Distanz. Merkel rief den oft vergessenen Grundsatz in Erinnerung, dass gewählte Staats- und Regierungschefs vor allem die Interessen ihrer Staaten zu vertreten hätten, womit sie sich selber und auch Präsident Trump erlaubte, den Willen zu unterstreichen, diese Interessen wo immer möglich in einem Rahmen zu vertreten, der beiden, in vielem eng verbundenen Ländern Vorteile bringen würde.
Merkel erinnerte auch an die enormen Opfer und Leistungen der USA nach dem Zweiten Weltkrieg, welche die deutsche Erfolgsgeschichte und auch die Wiedervereinigung erst ermöglicht hätten. Damit schaffte sie sich Raum, um auch klarzustellen, dass das Friedensprojekt in Europa eine Frucht nicht nur der Nato ist, sondern auch der Integrationsleistung der Europäischen Union – die in Trumps Weltbild ein unnatürliches Konstrukt und deshalb dem Tod geweiht ist.
Trump seinerseits ergriff die Gelegenheit, auch auf höchster Ebene die «starke Unterstützung» für die Nato zu betonen und gleichzeitig seine alte Forderung vorzubringen, alle Mitgliedstaaten müssten ihren fairen finanziellen Beitrag für das Bündnis leisten.
Sichtlich unbequem wurde es für die Kanzlerin nur einmal. Auf eine Frage eines Reporters meinte Trump, er und Merkel hätten ja vielleicht eine gemeinsame Erfahrung gemacht: von der Administration Obama abgehört zu werden. Er bezog sich dabei auf die weiterhin unbewiesenen Behauptungen, die Telefone in seiner Wahlkampfzentrale seien auf Geheiss seines Vorgängers im Amt überwacht worden. Merkels Gesicht drückte nur eine Regung aus: blanke Verwunderung.
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