Famoser Podolski übertrifft sich selbst

  23 März 2017    Gelesen: 591
Famoser Podolski übertrifft sich selbst
Wem die Geschichte zu kitschig ist, der verkennt die Pointe: Lukas Podolski sichert sich zum Abschied aus der DFB-Elf zum letzten Mal die sportliche Schlagzeile - mit einem Tor, wie es typischer und traumhafter nicht sein könnte.

Am liebsten wolle er jedem im Westfalenstadion die Hand schütteln, hatte Lukas Podolski vor dem Spiel gesagt. Hinterher war er verdammt nah dran, genau das zu tun. Dabei bedachte er vor allem und besonders innig seine Freunde aus Köln unter den 60.109 Zuschauern, die nach Dortmund gekommen waren - und schätzte die Zahl im Überschwang gar auf 30.000. "Da bekommt man Gänsehaut." In der Tat war es so, dass es nach dem 1:0 (0:0) der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen England erst so richtig schön wurde. Der Stadion-DJ spielte kölsche Musik, irgendjemand hatte Lukas Podolski eine rotweiße Fahne mit dem Stadtwappen gegeben, die er sich um die Hüften gebunden hatte. Um den Hals trug er einen Schal des Effzeh. Und dann ließen sie den Mann mit der Nummer 10 hochleben, der zum Abschied erstmals in seiner Karriere die Kapitänsbinde tragen durfte.

Wem das zu kitschig klingt, der verkennt, dass Lukas Podolski sich an diesem letztlich doch denkwürdigen Mittwochabend in seinem 130. und letzten Spiel für die DFB-Elf noch einmal selbst übertroffen hat. Er hat es geschafft, seine eigene Party in den Schatten zu stellen - und sie gleichzeitig vor der drohenden Stimmungsarmut zu retten. Die ironische Pointe ist, dass der nicht selten belächelte und gar mit hämischen Kommentaren bedachte Teilzeitarbeiter der vergangenen Jahre das auf sportliche Weise getan hat. Stets hatten sie ihn zum Abschluss seiner internationalen Laufbahn dafür gelobt, wie wichtig er als stets gut gelaunter Ergänzungsspieler für das Team vor allem beim Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien gewesen sei. Und stets hatten die höflichen Kommentatoren ein wenig verschämt unterschlagen, dass er als Fußballer längst nicht mehr unersetzlich war.

Nun aber in Dortmund, beim glücklichen Erfolg gegen bessere Engländer, war er es, der mit seinen 31 Jahren mit Abstand älteste Spieler im deutschen Kindergarten, der in der 69. Minute das Tor erzielte und sich alleine deswegen - abseits aller gewollten Feierlichkeiten - die Schlagzeile sicherte: Podolski schießt DFB-Elf zum Sieg. In der ersten Verzückung mag so manch einer gedacht haben, dass dieser Lukas Podolski doch womöglich einer sei, der dem Team auch bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland helfen könnte.

"Den hat mir der liebe Gott gegeben"

"Ich weiß ja, dass ich einen linken Fuß habe. Den hat mir der liebe Gott oder sonst wer gegeben. Auf den konnte ich mich schon immer verlassen", sagte er über sein 49. Tor für die Nationalelf. "Das ist ein geiler Film: Wir gewinnen 1:0 und ich mache das Ding." Und Kollege Thomas Müller, der eine knappe Viertelstunde vor dem Ende der Begegnung eingewechselt worden war, blieb sprachlich im Bild, als er sagte: "Ein besseres Drehbuch hätte man gar nicht schreiben können, wobei es mir als Regisseur ein wenig zu kitschig gewesen wäre. Das glaubt dir ja keiner. Allerdings war das ja auch kein ungewöhnliches Tor für ihn."

Um nicht zu sagen: Typischer hätte es nicht sein können. Mit seinem oft und noch vor dem Anpfiff vom DFB-Präsidenten Reinhard Grindel gerühmten linken Fuß drosch er den Ball oben rechts in den Winkel, wie er es in den vergangenen 13 Jahren schon so oft getan hatte. Mit einem Wort: spektakulär. Danach fasste er sich mit beiden Händen an den Kopf, als könne er sein Glück nicht fassen und gar nicht so recht glauben, dass ihm das noch einmal gelungen war. Geiler Film halt, ein Knaller. Oder wie es der Bundestrainer formulierte: "Das war ein typischer Poldi." Dabei hatte er eigentlich überlegt, seinen Lieblingsspieler eher vom Rasen zu beordern. "Aber er hat in der Pause gesagt, dass er länger spielen möchte. Also haben wir geschaut, wie das Spiel läuft. Und es war ja auch gut, dass er da war." Dass seine Mannschaft zum siebten Mal in Folge ohne Gegentor geblieben war und damit einen Rekord in der seit 1908 währenden Länderspielgeschichte des DFB aufstellte, erwähnte Löw nicht.

Es hat viel gepasst an diesem Abend, der der letzte des Lukas Podolski im Trikot der DFB-Elf war. Bei aller Inszenierung und bei allem Tschö-Poldi-Gedöns hat der Hauptdarsteller auf dem Platz für das Glanzlicht gesorgt. So etwas kann niemand planen. "Solche Sachen passieren nur im Fußball", sagte Toni Kroos. Es passte zu Lukas Podolski, dass dieses Treffen fröhlich war und nicht, wie jenes im August vergangenen Jahres bei der Verabschiedung seines Kumpels Bastian Schweinsteiger in Mönchengladbach, in Tränen der Melancholie versank. "Das sind Momente, die man nicht beschreiben kann. Das sind Gefühle, die spielen sich im Inneren ab", sagte Lukas Podolski, der in der Mixed Zone auch gefragt wurde, wie es denn sei, sich nach dem Spiel ein letztes Mal den Fragen der Journalisten zu stellen. Da grinste er: "Die ganzen Idioten hier." Dann lachte er. "Nein, Spaß." Passt schon.

Und es passte, dass sie nach der Partie im Stadion ein Lied von Brings spielten: "Denn ich ben nur ne Kölsche Jung, un mie Hätz, dat litt mer op d'r Zung. Op d'r Stross han ich ming Sprooch jeliehrt und jedes Wort wie tättowiert op minger Zung - ich ben ne Kölsche Jung." Übersetzen muss man das nicht. Der Rest ist Geschichte.

Tags:


Newsticker