Regierungspartei vor klarem Sieg in Armenien

  03 April 2017    Gelesen: 1703
Regierungspartei vor klarem Sieg in Armenien
Laut einer Nachwahlbefragung erhielt die Partei von Präsident Sersch doppelt so viele Stimmen wie die Opposition. Diese spricht von Wahlbetrug. Medien berichten von technischen Problemen, die Stimmabgaben verhinderten.

Beobachter hatten im Vorfeld ein knappes Rennen zwischen beiden Lagern erwartet, doch bei der Parlamentswahl in der früheren Sowjetrepublik Armenien zeichnet sich ein klarer Sieg der russlandnahen Regierungspartei ab. Die Republikanische Partei von Präsident Sersch Sargsjan kam in einer Nachwahlbefragung auf 46 Prozent der Stimmen. Das Oppositionsbündnis um den Geschäftsmann Gagik Zarukjan kann demnach mit nur 25 Prozent rechnen. Die Nachwahlbefragung wurde vom Demoskopie-Institut Baltic Surveys/Gallup International und dem Armenischen Soziologenverband erstellt.

Ermittlungen wegen Wahlbetrugs

Bereits vor Schließung der Wahllokale erhob die Opposition den Vorwurf des Wahlbetrugs. "Wir haben zahlreiche Verstöße gegen das Wahlgeheimnis registriert, außerdem Fälle von mehrfacher Stimmabgabe", sagte der Oppositionspolitiker Howsep Churschudjan der Nachrichtenagentur AFP. Die armenischen Behörden teilten mit, sie gingen den Meldungen über Wahlbetrug nach. Das unabhängige Portal EVN-Report berichtete, die Zahl von Beschwerden wegen Wahlrechtsverstößen sei mit 1800 fast doppelt so hoch wie bei einem Verfassungsreferendum 2015.

Vor der Wahl hatten bereits ausländische Beobachter und Oppositionspolitiker Bedenken hinsichtlich der Einhaltung demokratischer Standards geäußert. Die EU-Vertretung und die US-Botschaft in der armenischen Hauptstadt Eriwan zeigten sich in der vergangenen Woche besorgt wegen Berichten über "Wählereinschüchterung, Stimmenkauf und über systematischen Einsatz von Staatsressourcen zur Unterstützung bestimmter Parteien". Internationale Organisationen hatten 640 Wahlbeobachter nach Armenien entsandt.

Probleme bei der Wähler-Identifizierung

Auch bei der Technik gab es Probleme. Um doppelte Stimmabgaben zu verhindern, arbeiteten die Wahlkommissionen mit neuen Geräten zur Identifikation von Fingerabdrücken. Dies funktionierte in vielen Fällen nicht, nach Angaben von Augenzeugen in Eriwan bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen. Demnach konnten Hunderte oder sogar Tausende von Wählern gar nicht abstimmen.

Die Scanner erkannten auch Präsident Sargsjan nicht, der dann anhand seiner Wahlbenachrichtigung wählen durfte. Welchen Einfluss die technischen Probleme auf die Wahlergebnisse hatten oder ob deswegen eine neuen Abstimmung nötig wird, war an diesem Sonntag noch nicht bekannt.

Es war die erste Parlamentswahl seit einer von Sargsjan durchgesetzten Verfassungsreform. Sie sieht vor, dass die Exekutivmacht nach dem Ende von Sargsjans Amtszeit im Jahr 2018 vom Präsidenten auf den Regierungschef übergeht. Die Opposition wirft dem Staatschef vor, auf diese Weise an der Macht bleiben zu wollen, da die Verfassung ihm eine dritte Amtszeit als Präsident verwehrt.

Ein Drittel der Armenier gilt als arm

Gegen Sargsjans russlandnahe Partei trat eine Oppositionsallianz um den Geschäftsmann Zarukjan an. Dieser hatte im Wahlkampf eine Senkung der Preise für Gas und Strom sowie eine Erhöhung der Beamtenvergütung und der Renten versprochen. Die meisten Parteien konzentrierten sich auf die Themen Jobs, Gehälter und Renten. In Armenien lebt 30 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.

Für das Parlament in Eriwan bewarben sich fünf Parteien und vier Wahlbündnisse. Um im Parlament vertreten zu sein, müssen die Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überwinden. Für Bündnisse gilt eine Schwelle von sieben Prozent. Für die Regierungsbildung braucht es laut Verfassung eine Mehrheit von mindestens 54 Prozent der Parlamentssitze. Ergebnisse der komplizierten Auszählung werden am Montag erwartet.

Zwischen Russland und der EU

Vor acht Jahren hatte es nach der Wahl schwere Ausschreitungen gegeben, bei denen zehn Menschen getötet wurden. Wegen häufiger Demonstrationen der Opposition ist die politische Lage in Armenien gespannt. Wirtschaftliche Probleme und der Dauerkonflikt mit dem Nachbarn Aserbaidschan bremsen die Entwicklung des Landes. Armenien lehnt sich deshalb an Russland als Schutzmacht an, zugleich sucht es engere Kontakte zur Europäischen Union.
cw/kle (dpa, afp, rtre)

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