YouTuber aus Syrien

  06 April 2017    Gelesen: 473
YouTuber aus Syrien
Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt, muss viele Fragen beantworten - und hat doch selbst so viele: Woran erkennt man eine Pfandflasche? Wie eröffnet man ein Konto? Zwei Syrer drehen jetzt Erklärvideos.
"Noch mal, die Szene noch mal, ihr habt zu schnell geredet." Rody Almahmoud, 30, ist ein strenger Regisseur. Und so muss sich Deiaa Abdullah schon wieder bei Bianca Jamitzky von der Volkshochschule Brühl zum Deutschkurs anmelden. Kritisch schaut Almahmoud auf das Display der Kamera.

Der Syrer hat ein Video darüber gedreht, wie man in Deutschland bei einer Bank ein Konto eröffnet und den Müll trennt, wie man sich in Deutschland bei einer Krankenkasse anmeldet und in einer Buchhandlung ein Buch kauft.

Das Video über die Anmeldung zum Deutschkurs ist ein weiterer Teil seiner YouTube-Serie. Sie trägt den Titel "Deutsch B1 & B2". Das steht bei Sprachkursen für die Schwierigkeitsstufe "Selbstständige Sprachverwendung". Genau das möchte Almahmoud für seine Landsleute bewirken: dass sie selbstständig werden in der neuen Heimat.

"Syrien hat nicht so eine Bürokratie. Es ist wichtig, dass man weiß, was man alles machen muss, um in Deutschland nicht nur zu stranden, sondern anzukommen", sagt Almahmoud. Er hat in Syrien als Manager gearbeitet, 2015 kam er mit der großen Flüchtlingswelle nach Deutschland. Seine Frau und seine Kinder, ein vierjähriger Junge und ein zweijähriges Mädchen, hat er bei seiner Flucht in Griechenland vorerst zurücklassen müssen. Sein Asylantrag ist jetzt durch, aktuell ist er auf Jobsuche, parallel nutzt er die Zeit für die Aufkläraktionen für seine Landsleute.

"Es fängt schon damit an, dass viele Flüchtlinge nicht wissen, an wen genau sie sich wenden müssen für einen Sprachkurs", sagt Bianca Jamitzky, Leiterin des Fachbereichs Fremdsprachen an der VHS Brühl. "Viele wissen auch nicht, welche Papiere sie mitbringen müssen bei der Anmeldung oder von welcher Behörde sie die Kostenbefreiung oder die Zulassung für einen Kurs bekommen."

Almahmoud ist für den Dreh gut ausgestattet: zwei Videokameras auf Stativen, ein Mikrofon mit Windschutzfell, ein runder Flächenreflektor zum Steuern von Licht, eine Softbox zum Weichzeichnen von Schatten. Das Equipment gehört ihm. Die Räume stellt die VHS Brühl - zum Dank, weil er sich für sie ehrenamtlich als Übersetzer engagiert.

"Wenn ich als Flüchtling in ein neues Land komme, darf ich mich nicht verkriechen. Ich muss mich zeigen. Ich muss Lust darauf haben, die neue Kultur kennenzulernen. Ich muss Lust darauf haben, die neue Sprache zu lernen. Ich kann nicht erwarten, dass die Deutschen Arabisch lernen", sagt Almahmoud und rückt die dunkelgraue Beanie-Mütze auf seinem Kopf zurecht.

Auch Deiaa Abdullah, der heute den VHS-Interessenten mimt, hat eine eigene YouTube-Serie. In der erklärt er in arabischer Sprache deutsche Grammatik. Abdullah, schwarze Haare, Vollbart, freundliche Augen, ist ein gemütlicher Typ, der viel lacht, einer, der gute Laune verbreitet. Als er vor etwas mehr als drei Jahren nach Deutschland kam, hätte er sich gefreut, wenn es damals schon Videos gegeben hätte, die die deutsche Welt erklären, sagt er. Zum Beispiel ein Video darüber, dass man als Flüchtling ganz viel Post von Behörden bekommt. "Mich hat das anfangs verstört", sagt Abdullah, "es wäre eine Hilfe gewesen zu erfahren, dass die viele Post völlig normal ist."

Mehr als 88.000 Abonnenten hat er auf YouTube, über 150 Videos hat er schon hochgeladen, unter ihnen stehen begeisterte Kommentare: "Abdullah, du bist der beste Deutschlehrer! So, wie du es erklärst, können wir es gut verstehen!"

"Wenn ich nicht drehe, quengeln meine Abonnenten, wo der nächste Film bleibt", sagt Abdullah und lacht. Er hat in Aleppo Medizin studiert, seine Eltern sind Ärzte. Noch wartet er darauf, dass ihm Asyl bewilligt wird. Sobald der Antrag durch ist, will er sein Studium fortsetzen. Zurzeit bereitet er sich auf die "Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang" vor - er möchte mal Orthopäde werden. Und er hofft, dass er spätestens an der Uni viele neue Leute kennenlernt, "um zu verstehen, wie die Deutschen ticken".



Quelle : spiegel.de

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