Wie schlägt die Welt zurück?

  19 November 2015    Gelesen: 560
Wie schlägt die Welt zurück?
Regierungen auf der ganzen Welt ringen um eine angemessene Antwort auf den Anschlag von Paris. In Frankreich, Russland, den USA und Deutschland gibt es viele ähnliche Ansätze, doch auch gravierende Unterschiede, die eine gemeinsame Strategie erschweren. Ein Überblick.
Frankreich

129 Tote - so viele Menschen kostete das Attentat des Islamischen Staates (IS) in der französischen Hauptstadt das Leben. Präsident François Hollande ließ der Schreckensnacht des 13. November denn auch harsche Worte folgen. "Frankreich ist im Krieg", wütete er und kündigte eine "erbarmungslose" Schlacht an. In den Tagen nach dem Attentat deutete sich immer deutlicher an, wie er diese Schlacht führen will.

Die Luftwaffe der "Grande Nation" flog mehrere Angriffe auf Rakka, die Hochburg des IS in Syrien. Das Verteidigungsministerium verkündete, dass es diese Angriffe ausweiten würde. Damit gibt sich Hollande allerdings nicht zufrieden. Denn Luftangriffe haben Frankreich und die Allianz gegen den IS unter Führung der USA bereits etliche geflogen. Sie nutzten aber nur dazu, den IS in seiner Peripherie zu schwächen und dessen Öleinnahmen einbrechen zu lassen, nicht ihn vernichtend zu schlagen.

Hollande griff auf Artikel 42 der EU-Verfassung zurück, um sich den Beistand der Mitgliedsstaaten zu sichern. Er fordert sie nicht explizit auf, verstärkt in Syrien zu intervenieren, erwartet aber mindestens, dass sie Frankreich bei anderen Einsätzen, wie dem in Mali, entlasten.

Auf die Beistandsklausel der Nato, Artikel 5, setzte er nicht. Wohl vor allem, weil er Russland, einen der stärksten Spieler im Konflikt, nicht verprellen will. "Wir brauchen eine große, eine breit aufgestellte Koalition", sagte Hollande. Deswegen reist er am kommenden Dienstag erst nach Washington und am Donnerstag nach Moskau, um über die künftige Strategie gegen den IS zu beraten. Ziel ist dabei, die Grundlage für ein Mandat des UN-Sicherheitsrats zu schaffen. Unklar ist, wie weit Hollande dann am Ende bereit ist zu gehen. Er will den IS "zerschlagen", ob er dafür Bodentruppen einsetzen will, sagte er noch nicht. Auch ob er sich nun mit dem möglichen Machterhalt des syrischen Machthabers Baschar al-Assad abfindet, den er bisher strikt ablehnte, ist ungewiss.

Russland

Wladimir Putin übte nach dem Anschlag von Paris den demonstrativen Schulterschluss mit Frankreich. Den Absturz einer russischen Passagiermaschine Ende Oktober etwa, die auf dem Weg vom ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich nach St. Peterburg war, bewertete er wenige Tage nach dem Attentat plötzlich neu. Anfangs weigerte sich der russische Präsident diesen als Terroranschlag zu deklarieren, obwohl britische und amerikanische Geheimdienste das längst taten. Zudem bekannte sich ein IS-Ableger zu der Tat. Putin ließ trotzdem von voreiligen Schlüssen sprechen. Am Dienstag sprach dann der russische Geheimdienst FSB von einem Anschlag. Von Putin hieß es anschließend: "Wir werden die Verbrecher überall suchen, wo auch immer sie sich verstecken. Wir werden sie an jedem Ort des Planeten finden und sie bestrafen."

Russlands Luftwaffe flog, wie die Frankreichs, Luftangriffe auf die IS-Hochburg Rakka. Auch das war neu. Bisher griffen russischen Jets zwar unzählige Ziele in Syrien an, sie zielten aber vor allem auf Rebellengruppen, die nichts mit dem IS zu tun haben.

Putin setzt nun verstärkt auf einen gemeinsamen Anti-Terror-Kampf und näherte sich auch beim Streit über den syrischen Bürgerkrieg insgesamt mit dem alten Rivalen USA an. Bei der Syrien-Konferenz in Wien am Wochenende einigten Moskau und Washington sich auf eine Lösung des Konflikts im Rahmen der Vereinten Nationen. Sie setzen auf einen Waffenstillstand zwischen Rebellen und Regime, eine Übergangsregierung, dann Neuwahlen. Und das alles innerhalb von zwei Jahren.

Eine deutliche Ansage, ob er in dem Konflikt bereit ist, Bodentruppen einzusetzen, machte Putin bisher nicht. Er wählte seine Formulierungen aber stets so bedacht, dass er diese Möglichkeit damit nicht ausschloss.

Vereinigte Staaten

US-Präsident Barack Obama steht ohnehin unter enormem Druck. Der Anschlag von Paris erhöht ihn weiter. Falken unter den Republikanern aber auch in der eigenen Partei der Demokraten halten seine Strategie im Kampf gegen den IS für zu zaghaft. Die USA beschränken sich bisher auf Luftangriffe in Syrien und dem Irak und unterstützen regionale Kräfte mit Waffen.

Obama will auf keinen Fall eine Invasion mit amerikanischen Bodentruppen. Höchstens eine geringe Zahl an Spezialkräften dürfte zum Einsatz kommen. Der US-Präsident ging schließlich mit dem Verständnis ins Amt, alles anders zu machen als sein Vorgänger George W. Bush im Irak und in Afghanistan. Obama setzt auf die Stärke der Nachbarstaaten Syriens und der Opposition im Land. Auch zu noch massiveren Luftangriffen ist er nicht bereit. Denn die würden unweigerlich mehr zivile Opfer fordern.

In ländlichen Regionen lassen sich Posten des IS noch gezielt ausschalten. In Städten geschweige den in Großstädten ist all das aber undenkbar. Der Versuch, den IS im irakischen Mossul mit Bomben auszumerzen, würde einem Flächenbombardement gleichkommen.

Obama zieht sich darauf zurück, dass seine Strategie - Luftschläge der internationalen Allianz und erstarkende regionale Kräfte am Boden - wirken würden. Es bräuchte nur mehr Geduld. Angesichts des steigenden Drucks näherte er sich bisher nur bei der Frage der Lösung des syrischen Bürgerkriegs mit Russland an - ganz vorsichtig. Obamas Bereitschaft, dass Despot Assad Teil einer Übergangslösung in Syrien sein könnte, könnte größer werden. Er war sich auf jeden Fall mit Putin einig, dass die Syrer selbst über einen politischen Übergang entscheiden sollten.

Deutschland

Kanzlerin Angela Merkel versprach Frankreichs Präsident am Tag nach dem Attentat "jedwede Unterstützung". Durch die Hilfsanfrage über Artikel 42 der EU-Verfassung könnte die Bundesrepublik sie mittlerweile auch nicht mehr verweigern, ohne diesen Teil des Gemeinschaftsvertrags nachhaltig auszuhöhlen. Es ist allerdings unübersehbar, dass Deutschland nicht deutlich weiter gehen möchte als bisher. Die Bundesregierung versicherte, dass sie die Unterstützung der kurdischen Peschmerga, einer der stärksten Gegner des IS auf dem Boden, weiterhin unterstützen werde. Außenminister Frank-Walter Steinmeier ließ allerdings keinen Zweifel daran, dass es dabei bleiben sollte. "Es macht keinen Sinn, dass jetzt zu den 16 Nationen, die Bereitschaft gezeigt haben, Luftangriffe in Syrien zu fliegen, eine 17., 18. oder 19. hinzukommt", sagte er. Auf das EU-Hilfsgesuch von Frankreich antwortete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen damit, dass sie eine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Mali versprach. Dieser Schritt war allerdings schon vor dem Anschlag geplant.

Ein Einsatz von Bodentruppen hat in Berlin keinen Rückhalt. Die Bundesregierung setzt vor allem auf Diplomatie, um eine Lösung des syrischen Bürgerkriegs zu erreichen. Wenn nötig, müsse dafür auch mit Machthaber Assad gesprochen werden. Sie setzt zudem auf Mandate des UN-Sicherheitsrates und wie die USA auf die Bedeutung regionaler Kräfte statt vermeintlich schneller militärischer Lösungen mit Brachialmethoden, wenn es um den Kampf gegen den IS geht. Ob das Frankreichs Präsident Hollande reicht, ist ungewiss.

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