In der autonomen Region Kurdistan haben Hunderte von ihnen Zuflucht gefunden. Einigen gelang die Flucht vor den Terroristen auf eigene Faust, andere wurden von ihren Familien freigekauft, so die türkische Zeitung Hürriyet. Das Blatt traf einige jesidische Mädchen und Frauen in den Lagern der nordirakischen Stadt Duhok.
Da ist zum Beispiel die Geschichte von Dalia. Mit 19 Jahren gelang ihr Anfang April dieses Jahres die Flucht. Zuvor wurde sie über neun Monate hinweg misshandelt, gefoltert und vergewaltigt. Sieben Mal sei sie von Militanten verkauft und wieder gekauft worden. Der Horror begann für die junge Frau im August 2014. Sie wachten auf, als die IS-Milizen ihr Dorf überfielen. Alle hätten versucht zu fliehen, doch die Männer seien schneller gewesen, schildert die junge Frau heute.
„Sie trieben uns auf dem Dorfplatz zusammen. Sie drohten: ‚Entweder konvertiert ihr zum Islam oder ihr werdet sterben.‘ Aus Angst stimmten wir zu“, so Dalia. Dennoch hätten sie alle Männer des Dorfes mitgenommen. „Wir haben sie nie wieder gesehen.“ Anschließend hätten sie die jungen von den alten Frauen getrennt. Die jungen Frauen und Kinder seien nach Tel Afar gebracht worden. Alle, die älter als fünf Jahre alt gewesen seien, seien dann in eine Schule eingesperrt worden.
Dort sei es zugegangen wie auf einem Sklavenmarkt. Jeden Tag seien IS-Anhänger gekommen und hätten die Frauen und Mädchengekauft, darunter auch 12- und 13-Jährige. Auch ihr sei es so ergangen. Einer ihrer Herren habe sie dazu gezwungen, sich mit Benzin zu waschen. Dann habe er sie eingesperrt und vergewaltigt. Im Laufe der Zeit wurde die junge Frau zwischen verschiedenen Männern hin und her gereicht. Zuletzt risikierte sie alles und wehrte sich. Erst ihr letzter Käufer hatte nichts Böses mit ihr im Sinn und verhalf ihr zur Flucht.
Die Geschichte der 20-jährigen Leyla klingt nicht weniger schaurig. Auch ihr Dorf wurde im August vergangenen Jahres überfallen. Seitdem sind ihre Mutter, zwei Schwestern und ein Bruder in der Gewalt des IS. Ihr Vater wird immer noch vermisst. Statt gleich auf einem Sklavenmarkt zu landen, wurden die Frauen hier erst einmal für zwei Tage in eine leere Halle in Mosul eingesperrt. Dann seien sie nach Raqqa verschleppt worden. Jeden Tag seien die IS-Anhänger gekommen und hätten sich drei, vier Mädchen herausgepickt. Auch sie selbst sei eines Tages ausgesucht und nach Husaybah in den Irak gebracht und von dort aus weiterverkauft worden. Mit Handschellen gefesselt habe sie ebenfalls immer wieder Vergewaltigungen erdulden müssen. „Ich dachte oft über Selbstmord nach“, so die junge Frau. Letztlich entschied sie sich dagegen, da ihre Familie so keine Chance gehabt hätte, ihre sterblichen Überreste überhaupt nur zu finden. Eines Tages nutzte sie den Moment, ergriff das Telefon und ihr gelang mit Hilfe ihres Onkels die Flucht in die Türkei.
Schlimmes berichtet auch die 26-jährige Selma. Die Mutter zweier Kinder brachte ihr Baby gar in Gefangenschaft zur Welt. IS-Militanten verkauften sie für 2600 US-Dollar, der nächste bezahlte sogar 4000. Die junge Frau hatte ebenfalls Glück im Unglück. Ein heimlicher Telefonanruf und die immense Auslöse durch ihren Ehemann rettete ihr und ihren Kinder das Leben.
Doch auch, wenn die jungen Mädchen und Frauen nicht selbst von Gewalt betroffen waren. Einige Bilder werden sie wohl ihr Leben lang nicht wieder los. So berichtet etwa die erst zehnjährige Rudeyna gegenüber den Journalisten von Hinrichtungen, die direkt vor ihren Augen durchgeführt worden wären. Das Trauma sitzt tief. Die Alpträume verfolgen sie auch Monate später nach wie vor. Sobald sie einen Mann mit Bart sehe, fange sie an zu weinen, so ihre Tante.
Die Frauenbegegnungsstätte Utamara e.V. bezeichnet ein solches Vorgehen gegen die Frauen als „physische und seelische Vernichtung“. Der von der Terrormiliz IS in Syrien und dem Irak verfolgte Genozid an den alten Völkern und Religionen des Mittleren Ostens sei auch ein Genozid an Frauen, ein Feminizid. Der Verein arbeitet seit Jahren zu Traumatisierung durch Krieg und Flucht, zu Gewalt an Frauen in ihren strukturellen und gesellschaftlichen Formen und insbesondere auch zu kulturell und religiös begründeter Gewalt. In einem Informationsdossier haben die Mitglieder die fatale Situation von Frauen in den betroffenen Gebieten in Syrien, im Irak und in Kurdistan zusammengetragen. Der Verein bestätigt die Schilderungen der Frauen mit folgenden Zeilen:
„Der Beginn des Krieges in Syrien im Jahr 2011 (…) markierte für die Frauen in dieser Region eine brutale Steigerung von Gewalt und Unterdrückung aufgrund ihres Geschlechts. (…) Es werden Fatwas erlassen, die Frauen verbieten sich in der Öffentlichkeit zu bewegen und ihnen vorschreiben, sich ganz zu verschleiern. Frauen werden entführt und auf Sklavenmärkten verkauft. Frauen werden zur Prostitution gezwungen, um den Dschihadisten als Sexsklavinnen zu dienen oder ihnen wird durch ihre Leistung im Sex-Dschihad der Eintritt ins Paradies versprochen. Frauen werden ermordet oder in den Selbstmord getrieben.“
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