Zum Ministerpräsidenten ernannte Macron den 46-jährigen Edouard Philippe von der Partei „Les Républicains“. Er ist für seine Nähe zum früheren Kandidaten der Rechtszentristen bei der Vorwahl, Alain Juppé, bekannt. Nach dessen Niederlage unterstützte Philippe den ehemaligen Premier Francois Fillon, doch nach dem so genannten „Penelopegate“ (dem Skandal um Fillons Gattin Penelope) wendete er sich von ihm ab.
Die Reaktion der Republikaner darauf war unterschiedlich. Der Generalsekretär der Partei, Bernard Accouyer, sagte beispielsweise, dass Philippe mit seiner Tat „den Weggang aus unserer politischen Familie vorbestimmt hat“. 20 Abgeordnete unterstützten jedoch ihren Kollegen und plädierten für das Zusammenwirken mit Macron und anderen Rechtszentristen.
Der Schulterschluss mit Macron ist nicht der erste „Verrat“ Philippes. Seine politische Karriere begann er in der Sozialistischen Partei, die er später verließ, um sich den Rechtszentristen anzuschließen. Übrigens war Philippes politisches Idol der sozialistische ehemalige Premier Michel Rocard, der ein überzeugter EU-Anhänger war. Er war der politische Ziehvater des ehemaligen Premiers Manuel Valls, der inzwischen die Präsidentenpartei „En Marche!“ leitet. Auch Macron machte kein Hehl aus seinen Sympathien für Rocard.
Philippes Bereitschaft, Ministerpräsident zu werden, hat nach Einschätzung vieler Experten die Position des Präsidenten wesentlich gestärkt. „Philippes Ernennung zum Premier wird die traditionellen Parteien schwächen – sowohl die Republikaner als auch die Sozialisten – und gleichzeitig die Zentristen im französischen politischen System stärken“, meint die Leiterin des russischen Zentrums für euroatlantische Studien und internationale Sicherheit, Tatjana Swerewa.
„Macron war früher nur dabei erfolgreich, Sozialisten wie Valls oder den früheren Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian auf seine Seite zu ziehen“, stimmt auch Aarti Shankar vom analytischen Zentrum OpenEurope zu. „Die Ernennung des Republikaners zum Regierungschef wird die Lage entspannen und den Rechtszentristen mehr Einflusskraft verleihen.“
Laut Medienberichten verfolgte Macron bei Philippes Ernennung zum Premier unter anderem das Ziel, die Spaltung in den zwei stärksten Parteien zu vertiefen. Bei den Sozialisten ist das schon zu sehen: Einige gemäßigte Linkszentristen haben bereits die Partei „En Marche!“ unterstützt, und der sozialistische Präsidentschaftskandidat Benoit Hamon, der bei der Wahl mit nur sechs Prozent der Stimmen gescheitert war, hat die Gründung einer neuen linken Bewegung angekündigt.
„Was die Partei ‚Les Republicains‘ angeht, so erlebt sie keine leichten Zeiten, aber ihr Zerfall ist bislang noch kein Thema“, so die Expertin Tatjana Swerewa weiter. „Viele Republikaner haben zwar noch vor der Stichwahl Macron unterstützt. (…) Ob sie aber alle bereit wären, ihre Partei zu verlassen und sich der Macron-Bewegung anzuschließen, ist eine andere Frage.“ Swerewa vermutete, dass einige Republikaner dies tun könnten, viele andere aber würden mit dem Staatschef kooperieren, ohne aus ihrer Partei auszutreten.
Laut Umfragen darf die Partei „En Marche!“ bei der Parlamentswahl, die am 11. und 18. Juni in zwei Runden stattfindet, mit den meisten Stimmen rechnen. Ob sie aber die absolute Mehrheit bekommt, steht in den Sternen. „Es ist vorerst schwer zu sagen, wer die Konfrontation im Parlament gewinnt“, sagt Sergej Fjodorow vom russischen Europa-Institut. „Aktuell kann man nicht ausschließen, dass die Republikaner die Mehrheit bekommen oder dass Frankreich künftig eine Koalitionsregierung haben wird.“
Angesichts dessen ist das von Macron und Philippe ernannte Ministerkabinett noch nicht endgültig. Falls die meisten Sitze im Parlament an die Republikanern gehen, könnten sie die Zusammensetzung der Regierung ablehnen oder sogar Philippes Entlassung verlangen. „Vieles hängt vom Kräftegleichgewicht unter den Republikanern selbst ab“, so Experte Fjodorow weiter. „Alain Juppés Anhänger wären nicht gegen ein Zusammenwirken mit Philippe und seinen Ministern. Aber der Flügel der Rechtszentristen, der bei der Präsidentschaftswahl Francois Fillon unterstützte, könnte sich das unter Umständen nicht gefallen lassen und die Ernennung eines eigenen Vertreters auf diesen Posten verlangen.“
Quelle. sputniknews.com
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