Öffnet sich Iran weiter dem Westen?

  19 Mai 2017    Gelesen: 1026
Öffnet sich Iran weiter dem Westen?
Irans Staatschef Ruhani gilt als Favorit bei der Präsidentenwahl. Doch mit dem Hardliner Raisi steht ihm ein ernstzunehmender Herausforderer gegenüber, der das Land zunehmend abschotten will. Iran muss zwischen Diplomatie und Konfrontation wählen.
In Iran hat am Morgen die Wahl des neuen Präsidenten begonnen. Über 56 Millionen Iraner sind aufgerufen zu bestimmen, ob sie dem moderaten Präsidenten Hassan Ruhani eine zweite Amtszeit geben oder einen politischen Wechsel wollen. Sein Hauptrivale ist Ebrahim Raisi, der Spitzenkandidat des erzkonservativen Klerus. Die anderen beiden Kandidaten gelten als chancenlos.

Die Wahl wird auch als ein Referendum angesehen: Ruhanis Politik der Öffnung steht gegen Raisis Abschottungspolitik. Das Wahlergebnis wird zeigen, welchen Kurs die Iraner bevorzugen. Inhaltlich dreht sich wieder alles um den Atomdeal mit den Weltmächten. Dabei geht es für die Wähler nicht um das Wiener Abkommen von 2015 selbst, sondern um die von Ruhani betriebene vorsichtige Öffnung des Landes zum Westen.

Auch wenn sich die beiden graubärtigen Kleriker Ebrahim Raisi und Ruhani mit ihren randlosen Brillen und ihren Turbanen äußerlich ähneln, stehen die Präsidentschaftskandidaten für entgegengesetzte Herangehensweisen. Während Ruhani durch eine weitere Liberalisierung der Wirtschaft und die Normalisierung des Verhältnisses zu den USA Investoren anziehen will, setzt Raisi auf Abgrenzung.

Wirtschaftliche Wende ausgeblieben

Ruhani hat im Wahlkampf bei den Wählern um mehr Zeit geworben, um seinen Kurs der Entspannung fortsetzen zu können. In seiner ersten Amtszeit war es ihm gelungen, mit dem internationalen Atomabkommen einen der brisantesten Konflikte in der Region zu entschärfen, der wiederholt zu einer militärischen Konfrontation mit Israel und den USA zu führen drohte.

Für ihn war es besonders wichtig, das schlechte Image des Gottesstaates zu verbessern. Nach dem Atomabkommen fließt das Öl. Der Westen spricht wieder mit dem Iran und gesellschaftlich ist das Land liberaler geworden. Ruhani selbst hält sich zugute, den Menschen - vor allem den Jugendlichen - wieder Zuversicht und Hoffnung gegeben zu haben.

Nach vier Jahren im Amt hat er vieles erreicht. Vieles aber auch nicht. Der Ölexport läuft zwar wieder, aber die von Ruhani versprochene wirtschaftliche Wende ist ausgeblieben. Sein Problem sind die großen europäischen Banken, die wegen US-Sanktionen außerhalb des Atomabkommens die Handelsprojekte mit dem Westen nicht finanzieren wollen. Damit konnte Ruhani sein Versprechen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, nicht umsetzen.

Raisi ist Neuling in der Politszene

Keine Reformen, keine Öffnung, keinen Ausgleich mit dem Westen - sein Konkurrent Ebrahim Raisi steht für einen Kurs der politischen Konfrontation. Der 56-jährige Konservative warnte im Wahlkampf vor "Schwäche im Angesicht des Feindes" und warb unter dem Schlagwort der "Widerstandswirtschaft" für ökonomische Autarkie statt einer weiteren Öffnung des Landes.

Als Politiker war der Kleriker Raisi bis jetzt ein unbeschriebenes Blatt im Iran. Er gilt zwar schon seit Jahren als einflussreich - aber vor allem in seiner Rolle als Generalstaatsanwalt in Teheran oder als die Nummer zwei in der Judikative. In der Politszene ist er ein Neuling. Im Gegensatz zu Ruhani hat er aber die volle Unterstützung des Klerus und der staatlichen Medien.

Im Wahlkampf gab er sich sozialistisch und als Vertreter der Armen. Er wolle jedes Jahr Millionen von neuen Jobs schaffen. Experten halten seine wirtschaftlichen Vorstellungen und Versprechen allerdings für unsachlich und nicht umsetzbar. Außenpolitisch gibt sich Raisi gesprächs-, aber nicht kompromissbereit.

Das Wiener Atomabkommen lehne er nicht ab, sagte Raisi. Er wolle aber konsequenter - und im Gegensatz zu Ruhani weniger kompromissbereit - für die Umsetzung des Deals agieren. Für Beobachter könnte genau diese Einstellung zum Scheitern des Atomabkommens führen.

Ruhanis Chanchen stehen nicht schlecht

Ruhani ist sich bewusst, dass er seinen Anhängern noch viel schuldig ist. Seine Versprechen will er nun in einer zweiten Amtszeit umsetzen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, da die Wähler Raisi nicht viel zutrauen. Im Gegenteil. Mit ihm könnte das Land nach den Worten Ruhanis erneut in eine "dunkle Ära" zurückfallen. Setzt sich der Konservative trotzdem bei der Wahl durch, ist mit einer Rückkehr zu einer konfrontativeren Politik zu rechnen.

Gewinnt Ruhani, bleibt die Hoffnung auf Entspannung. Allerdings hat seine erste Amtszeit auch gezeigt, dass das Verhältnis zum Westen und den arabischen Nachbarn nicht allein von Teheran abhängt, und dort die Politik nicht nur vom Präsidenten bestimmt wird.

Die Wahllokale werden voraussichtlich bis Mitternacht Ortszeit geöffnet sein. Erste Prognosen soll es schon Samstagmorgen geben. Nach Angaben von Innenminister Abdulresa Rahman Fasli werden die Endergebnisse Samstagabend oder spätestens am Sonntag bekanntgeben.

Quelle: n-tv.de , jki/jug/dpa/AFP

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