Macrons Wahlsieg ist historisch

  12 Juni 2017    Gelesen: 1046
Macrons  Wahlsieg ist historisch
Nach der Stichwahl in einer Woche dürfte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über die größte Mehrheit in der Nationalversammlung seit 50 Jahren verfügen. Wie kam es dazu und was bedeutet das für Deutschland? Ein Überblick.
Seit wann gibt es Macrons Partei überhaupt?

Als Partei ist "En Marche!" gerade mal einen Monat alt, als Bewegung etwas mehr als ein Jahr. Macron hatte "En Marche!" zur Unterstützung seiner Präsidentschaftskandidatur im April 2016 ins Leben gerufen. Zur Partei wurde diese Bewegung unter dem Namen "La République en Marche!" (Frankreich in Bewegung) am 8. Mai - einen Tag, nachdem Macron zum Präsidenten gewählt worden war. Es ist schlichtweg eine Sensation, dass eine so junge Partei mit so vielen völlig unbekannten Kandidaten in so kurzer Zeit so erfolgreich ist.

Wie groß ist Macrons Wahlsieg im historischen Vergleich?
Das endgültige Ergebnis wird erst in einer Woche feststehen. Dann wird in jenen Wahlkreisen noch einmal gewählt, in denen kein Kandidat im ersten Wahlgang eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte; in Frankreich gilt Mehrheitswahlrecht. Aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass Macron über die größte parlamentarische Mehrheit verfügen wird, die ein Präsident in Frankreich seit 1968 hatte. Damals gewann das konservative Bündnis des damaligen Präsidenten Charles de Gaulle 80 Prozent der Sitze. En Marche hat Aussicht auf 400 bis 455 der insgesamt 577 Abgeordnetenmandate. Das wären 70 bis 78 Prozent.

Warum ist Macron so erfolgreich?

Diese Frage hat Eileen Keller vom Deutsch-Französischen Institut schon vor der Wahl beantwortet: "Macron ist ein neues Gesicht mit einer gewissen Erfahrung auf oberster politischer Ebene", sagte sie im Interview mit n-tv.de. "Er hat viele erfahrene Leute um sich geschart. Es gibt ein historisches Moment, bei dem für ihn viele Dinge günstig gelaufen sind. In Frankreich gibt es ein weit verbreitetes Gefühl, dass die politische Situation eingefahren ist und sich endlich was ändern muss."

Bei der Präsidentschaftswahl hatten davon sowohl Macron profitiert als auch die Chefin des Front National, Marine Le Pen. "Es gab einen Drang weg von den Etablierten und den alten Parteiapparaten hin zu einem jungen, dynamischen Kandidaten, der einen anderen Politikstil praktiziert und eine andere Sprache spricht", erklärte Keller.

Warum sind die Sozialisten und Konservativen so abgestürzt?

Für die etablierten Parteien ist die Wahl eine Katastrophe: Die Sozialisten erreichten nur 9 Prozent, in der neuen Nationalversammlung haben sie und ihre Verbündeten Aussicht auf nur noch 20 bis 30 Sitze. Der Chef der Sozialisten, Jean-Christophe Cambadélis, schaffte den Sprung ins Parlament nicht. Auch der sozialistische Präsidentschaftskandidat Benoît Hamon wird der Nationalversammlung nicht angehören. "Diese Sozialistische Partei ist tot, sie liegt hinter uns", sagte der ehemalige sozialistische Premier Manuel Valls bereits Anfang Mai.

Die konservativen Republikaner sind zwar nicht tot, aber auf jeden Fall schwerkrank. Sie und die mit ihnen verbündete Zentrumspartei kamen auf gut 21 Prozent. In einer Woche dürften sie bei 70 bis 110 Mandaten landen.

"Die zwei großen Lager, die sich über Jahrzehnte in der Regierung abgewechselt haben, sind durch mehr Konfliktlinien gekennzeichnet, als es durch die Lagerlogik nach außen hin oftmals den Anschein hat", erklärt Frankreich-Expertin Keller. "Macron nutzt das aus, indem er sich gezielt an die Mitte richtet. Mit einem Angebot, das Teile aus beiden Lagern anspricht."

Was ist mit dem Front National und der radikalen Linken?

Der Front National erreichte 13,2 Prozent, im zweiten Wahlgang dürfte er auf maximal 10 Abgeordnete kommen, darunter auch ein Mandat für Parteichefin Le Pen. Damit wird der FN die Zahl seiner Sitze zwar erhöhen. Anders als erhofft wird er es jedoch nicht schaffen, die 15 Mandate zu erreichen, die man braucht, um in der Nationalversammlung eine Fraktion zu bilden. Im Vergleich zur Präsidentschaftswahl sind 13,2 Prozent ohnehin ein Desaster für den FN. Le Pen hatte im zweiten Wahlgang 33,9 Prozent der Stimmen erhalten.

Die linke Partei "Das Unbeugsame Frankreich" von Jean-Luc Mélenchon kam auf 11 Prozent. Ihr werden 8 bis 18 Sitze zugetraut. Auch dieses Ergebnis ist für die französische Linkspartei enttäuschend: Im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen hatte Mélenchon noch knapp 20 Prozent erreicht.

Warum war die Wahlbeteiligung so niedrig?

Nur 48,7 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab, so wenig wie noch nie seit Gründung der Fünften Republik im Jahr 1958. Zwei Gründe werden dafür genannt: Zum einen hatten Wahlforscher einen klaren Sieg von En Marche erwartet, so dass viele Wähler sich am Sonntag möglicherweise gar nicht die Mühe machten, ins Wahllokal zu gehen. Außerdem dürfte in Frankreich eine gewisse Wahlmüdigkeit herrschen. Schließlich liegt die Präsidentschaftswahl, die ja auch in zwei Runden entschieden wurde, erst wenige Wochen zurück

Was bedeutet Macrons Wahlsieg für die Bundesregierung?

Für die SPD ist Macrons Wahlsieg ein Hoffnungsschimmer. "Freue mich über das gute Ergebnis für @EmmanuelMacron", schrieb Kanzlerkandidat und Parteichef Martin Schulz auf Twitter. "Um Europa zu reformieren, brauchen wir im September auch in Deutschland den Wechsel!" Aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel freute sich. Das Wahlergebnis sei ein "starkes Votum für Reformen", twitterte Regierungssprecher Steffen Seibert in ihrem Namen.

Der neue Präsident will mit Investitionen die Wirtschaft seines Landes anschieben - dazu muss Frankreich aber seine ohnehin zu hohe Neuverschuldung weiter erhöhen dürfen. Im Gespräch sind auch Investitionen aus EU-Kassen. Ein Streitpunkt dürften auch der deutsche Exportüberschuss sowie die von Macron geforderte Reform der Eurozone werden.

Merkel weiß, dass Macron nur erfolgreich sein kann, wenn er den dafür notwendigen Spielraum bekommt. Sie dürfte vermuten, dass Macron Frankreichs letzte Chance ist: Scheitert er, dann drohen eine weitere Radikalisierung der französischen Politik, der "Frexit" und damit ein Auseinanderbrechen der Europäischen Union. Es wäre also durchaus in Merkels Sinne, Macron zu unterstützen. In ihrer eigenen Partei könnte das allerdings für Diskussionen sorgen.

Tags:


Newsticker