Österreichs SPÖ ebnet Weg für Bündnis mit Rechtspopulisten

  15 Juni 2017    Gelesen: 578
Österreichs SPÖ ebnet Weg für Bündnis mit Rechtspopulisten
Der Aufwind der rechtspopulistischen FPÖ lässt Österreichs Sozialdemokraten gut vier Monate vor den Parlamentswahlen nach ungewöhnlichen Wegen aus der Krise suchen.
Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern kündigte am Mittwoch eine grundsätzliche Öffnung für eine Koalition mit der Freiheitlichen Partei an und weichte damit ein seit Jahrzehnten nicht nur in der Alpenrepublik geltendes Tabu auf.

In Gremien der SPÖ wurde in den letzten Monaten an einem Kriterienkatalog gearbeitet, der Bedingungen für Koalitionen festlegt. Jede Partei, die diese Bedingungen mittrage, kommt laut Kern als möglicher künftiger Partner infrage. Die Partei beendet damit nicht nur ihren Anti-FPÖ-Kurs der letzten 30 Jahre, sondern sichert sich damit vor allem mehr Möglichkeiten für künftige Regierungsbildungen. "Wir rollen hier nicht den roten Teppich für die Freiheitlichen aus", sagte Kern. Wenn die FPÖ künftig als Partner infrage kommen soll, müsse sie sich ein "ordentliches Stück" bewegen. Das letzte Wort sollen jedoch die Parteimitglieder bekommen, die nach den Neuwahlen im Oktober über einen Koalitionsvertrag abstimmen sollen. Zu den von der SPÖ formulierten Bedingungen zählen neben einer Senkung der Lohnnebenkosten für heimische Unternehmen die Anhebung des Mindestlohns auf 1500 Euro und der flächendeckende Ausbau von Ganztags-Kinderbetreuung.

In der SPÖ gab es zuletzt immer mehr Stimmen, die sich für eine Zusammenarbeit mit der FPÖ aussprachen. Umgesetzt wurde sie im Bundesland Burgenland, wo es seit 2015 ein rot-blaues-Bündnis gibt. Schwung in die Debatte brachte Kern selbst. Anders als seine Vorgänger schloss er bei seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr eine Zusammenarbeit mit der FPÖ nicht mehr grundsätzlich aus. Es müssten aber gewisse Grundsätze gelten, die auch immer vor einem Machterhalt stehen müssten. "Wir arbeiten nicht mit Parteien zusammen, die gegen Minderheiten hetzen", nannte Kern früher schon eine Bedingung. Nach einem TV-Duell mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprach Kern zwar von einer freundlichen Diskussion, inhaltlich würden die Parteien aber "mittlere Welten trennen". Die FPÖ wiederum sieht sich allen Bündnissen gegenüber offen. "Uns geht es darum, mit wem wir am besten unser Programm umsetzen können", sagte ein Sprecher.

POLITOLOGEN: SPÖ SUCHT AUSWEG AUS IHREM DILEMMA

So wie in vielen Ländern Europas haben die Sozialdemokraten in Österreich Stimmen an die Rechtspopulisten verloren, die EU-kritisch sind und eine schärfere Asylpolitik fordern. Seit dem Höhepunkt des Flüchtlingszustroms 2015 führte die FPÖ lange Zeit in Umfragen. Zuletzt hat jedoch die konservative Volkspartei (ÖVP) mit ihrem neuen Parteichef, Außenminister Sebastian Kurz, die FPÖ überholt. Kurz ist international für seinen scharfen Asylkurs bekannt, womit er im Stimmenlager der FPÖ fischt. Die SPÖ liegt derzeit knapp vor der FPÖ auf Platz zwei. Derzeit regiert in Wien ein Bündnis aus SPÖ und ÖVP. Eine Neuauflage der großen Koalition gilt laut Politologen als unpopulär. Nachdem die Regierungspartner monatelang über die Umsetzung wesentlicher Punkte des Koalitionsvertrages stritten, forderte Kurz im Mai vorgezogene Wahlen. Während sich die SPÖ anfangs gegen Neuwahlen aussprach, einigte man sich später auf einen Termin am 15. Oktober. Regulär wären die nächsten Wahlen im Herbst 2018 anberaumt gewesen.

Selbst wenn die SPÖ gewinnen sollte, waren die Möglichkeiten für die Bildung einer Regierung bisher begrenzt. Neben einem Bündnis mit der ÖVP ginge rechnerisch nur ein Zweier-Bündnis mit der FPÖ. Nach Ansicht von Politologe Peter Filzmaier sucht die SPÖ daher einen "Ausweg aus ihrem Dilemma". "Seit den 80er Jahren hat die SPÖ in Summe über eine Million Stimmen an die FPÖ verloren", sagt er. Das entspricht einem Sechstel aller Wahlberechtigten. Nach Einschätzung des Experten gibt es aber viele Wähler, die beide Parteien für wählbar halten. "Für die Wechselwähler muss ich einen Ausweg finden. Zu sagen, die FPÖ kommt nicht infrage, so gewinne ich diese Wähler auf keinen Fall zurück." Auch Politologe Anton Pelinka sieht hier eine strategische Weichenstellung: "In der Annahme, dass die FPÖ bei der nächsten Wahl so stark sein wird, dass man gegen sie nicht mehr eine Zweier-Koalition machen kann. Und weil man das Feld nicht der ÖVP überlassen will."

Eine Zusammenarbeit von SPÖ und FPÖ wäre grundsätzlich nicht neu. Die erste Annäherung gab es in den 1970er Jahren, als die 1955 von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern gegründete FPÖ eine SPÖ-Minderheitsregierung unterstützte. Als sich in den 80er Jahren ein liberaler Flügel innerhalb der FPÖ durchsetzte, kam es zu einer Koalition mit der SPÖ. Die Sozialdemokraten zählten damals noch 47 Prozent der Stimmen, die FPÖ nur fünf Prozent. Als Jörg Haider an die FPÖ-Spitze gelangte, platzte das Bündnis. Der über die Landesgrenzen hinaus bekannte Politiker sorgte mit ausländerfeindlichen Äußerungen für Aufsehen. Der damalige Kanzler Franz Vranitzky (SPÖ) schloss daraufhin ein Bündnis mit den Freiheitlichen aus. Diese Doktrin galt auf Bundesebene in den vergangenen 30 Jahren. Auch im neuen Jahrtausend schaffte es die FPÖ in die Regierung, als 2000 ein Bündnis mit der ÖVP geschlossen wurde. International stieß dies auf Ablehnung, die EU verhängte sogar Sanktionen gegen das Land.

In anderen Ländern Europas gilt eine Koalition von Sozialdemokraten und Rechtspopulisten als undenkbar. "Im europäischen Vergleich gibt es keine andere sozialdemokratische Partei, die mit einer Partei wie der Front National oder Geert Wilders oder der FPÖ koalieren würde", sagte Pelinka. Auch in Deutschland schließt die SPD ein Bündnis mit der rechtspopulistischen Afd aus.

Quelle. reuters.de

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