Der türkische Journalist der Tageszeitung "Hürriyet", Şükrü Küçükşahin, wirft im sozialen Netzwerk Twitter dem Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu vor, weiterhin die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten zu verteidigen. Anfang Mai 2016 hatte das Parlament die Aufhebung der politischen Immunität von rund 100 Abgeordneten des türkischen Parlaments beschlossen. Mit den Stimmen der AKP, CHP und MHP wurde damit der Weg für die Justiz frei, mit 506 Justiz-Anträgen gegen 41 Abgeordnete der HDP, 33 Abgeordnete der CHP, 22 der Abgeordnete AKP und 6 Abgeordnete der MHP die Ermittlungen fortzusetzen. Das hält Şükrü Küçükşahin für einen Fehler, der nun vom Oppositionsführer Kılıçdaroğlu in Abrede gestellt und politisch missbraucht werde.
In Zusammenhang mit dem ehemaligen türkischen Chefredakteur der "Cumhuriyet", Can Dündar, erklärt Küçükşahin, dass die Hinweise des im Exil lebenden Journalisten der Justiz den entscheidenden Hinweis gab, die zur Verurteilung des CHP-Abgeordneten Enis Berberoğlu geführt habe. Laut Küçükşahin habe Dündar während des eigenen Prozesses vor Gericht und später in seinem Buch zur Enthüllung der MIT-Affäre (Waffenlieferungen des türkischen Nachrichtendienstes MIT) den entscheidenden Tipp gegeben und somit die Quelle verraten. Der Tipp, es sei "ein linker Abgeordneter" gewesen, der ihm das Videomaterial überreicht habe, soll dazu geführt haben, dass der Kreis der Verdächtigen kleiner wurde, die Ermittler nur noch weitere Recherchen vorantreiben mussten, um auf den CHP-Abgeordneten Enis Berberoğlu zu stoßen, der dann die Verantwortung übernommen habe.
Küçükşahin zufolge habe Dündar somit beim Quellenschutz fahrlässig gehandelt. Nach dem Pressekodex hat der Journalist die Pflicht, über seine Quellen zu schweigen und so seine Informanten zu schützen. Dieser Informatenschutz stehe aber rechtlich nur dem Journalisten zu, nicht dem Informanten zu, so Küçükşahin. Daher sei der CHP-Abgeordnete auch rechtlich zu belangen gewesen und die CHP habe das mit ihrer Stimme auch selbst in die Wege geleitet.
In Istanbul hatte die 14. Strafkammer am Mittwoch den Vize-Chef der Republikanischen Volkspartei CHP und ehemaligen Journalisten Enis Berberoğlu zu einer Freiheitsstrafe von 25 Jahren verurteilt. Dem Politiker wurde Hochverrat und Spionage in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von geheim eingestuftem Material über den Vorfall vom 19. Januar 2014 in der Provinz Adana vorgeworfen, bei der eine Waffenlieferung des türkischen Nachrichtendienstes MIT an Rebellen in Syrien aufflog.
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