Das Parlament der Anfänger

  19 Juni 2017    Gelesen: 665
Das Parlament der Anfänger
In Frankreich ist die Parteienlandschaft komplett auf den Kopf gestellt. Es ist, als wären Union und SPD zusammen in die Opposition gegangen. Nun regiert eine völlig neue Partei alleine - mit völlig neuen Politikern.
Nein, es ist kein stressiger Job an diesem Sonntag in Bitry im Départment Oise, anderthalb Stunden nördlich von Paris. Und eigentlich könnten die Wahlhelfer auch etwas Schöneres tun, bei 30 Grad. An den nahen See fahren, zum Beispiel.

Denn in dem 300-Einwohner-Dörfchen kommt höchstens alle halbe Stunde einer vorbei, der seinen Stimmzettel in die Urne werfen möchte. Liegt es am Wetter? Oder doch daran, dass es die vierte Stimmabgabe in zwei Monaten ist? Erst zwei Runden Präsidentschaftswahl, nun zwei Runden zur Nationalversammlung. Es scheint, die Franzosen möchten wieder andere Dinge tun als wählen.

Das ist keine richtig gute Nachricht für Emmanuel Macron. In Wahrheit ist es der einzige große Wermutstropfen an einem ansonsten sensationellen Wahltag. Denn Macron kann durchregieren. Mit einer so riesigen Mehrheit, wie sie noch vor einem Monat niemand für möglich gehalten hatte. Und doch wird es Menschen geben, die bei jeder schmerzhaften Reform sagen werden: "Ich habe Macrons Partei nicht gewählt. Genau wie zwei Drittel der Franzosen." So ist das in der Demokratie.

"Hinterher soll sich keiner aufregen, wenn ihm was nicht passt", sagt einer, der dann doch wählen geht in Bitry. Macron wird den Wermutstropfen schlucken und sich an die Arbeit machen. Mit einem Team von Nicht-Politikern.

Von hier - und wahrlich keine Berufspolitikerin

Emmanuelle Bour ist so eine, die für Macrons Bewegung in die Nationalversammlung einziehen will. Ihr Posten ist an diesem Sonntagmittag noch nicht sicher. Dabei macht sie sich große Hoffnungen auf einen Sieg: In den umliegenden Wahlkreisen haben Frauen und Männer wie Emmanuelle Bour gewonnen. Und zwar mit erheblichem Abstand zu ihren Gegnern. Doch wird es auch für die Landwirtin reichen?

Bour wohnt in Bitry und war bis vor wenigen Monaten wahrlich keine Politikerin, sondern Besitzerin eines Bauernhofes und Organisatorin von Pferderennen. Sie kennt die Probleme der Landwirte, der Reiter, der Waldbesitzer. Und das ist nicht ganz unwichtig in diesem ländlichen Teil Frankreichs.

Bisher teilten sich hier - wie in allen anderen Gegenden der Grande Nation - Sozialisten und Konservative die Nationalversammlungssitze untereinander auf. Die Parlamentarier waren Berufspolitiker, die im fernen Paris arbeiteten, nur mal am Wochenende nach Hause kamen und irgendwie entrückt waren.

Die Wähler sind solche Berufspolitiker leid. Und Menschen aus der Zivilgesellschaft mit all ihren Erfahrungen und ihrer Expertise könnten darauf nun die Antwort sein im neuen Parlament. "Wir brauchen neue Ideen", sagt Bour. "Wir müssen pragmatisch sein. Und Republique en Marche hat das erkannt, mit Menschen im Parlament, die sind wie Sie und ich."

Es kommt anders als erwartet

Das bedeutet auch, dass die ersten Wochen hart werden für die Neuen im Parlament. Das Volk erwartet Reformen und Taten. Und nun müssen absolute Neulinge diese Taten vollbringen. Die Bürger werden ihnen die Zeit geben. Weil sie ja genau diesen frischen Wind wollten.

Auch Bour ist bereit, über sich hinauszuwachsen: "Ich habe noch nicht auf jede Frage eine Antwort, ich werde viel lernen müssen", sagt Bour selbstbewusst, "aber auch das habe ich ja in meinem bisherigen Leben getan. Gelernt. Immer wieder aufs Neue. Und deshalb habe ich keine Angst davor, Abgeordnete zu sein."

Am Wahlabend dann gebanntes Warten in einem Hotel in der Kleinstadt Compiègne. Die Auszählung von Bours Wahlkreis läuft. In den Wahlkreisen ringsum haben es die "Republique en Marche"-Kandidaten geschafft.

Doch hier werden die Blicke immer ungläubiger. Man war so sicher. Doch nicht alle Wähler folgten der Macron-Euphorie. Manche hatten - so scheint es - doch zu viel Angst vor dem Ungewissen. Oder haben in Wahlkreisen mit hoher Front-National-Wählerschaft in der zweiten Runde lieber konservativ gewählt statt die neue Partei. Und so bleibt in diesem ländlichen Wahlkreis dann doch der Berufspolitiker Vatin von Les Republicains der Abgeordnete. Mit gerade mal vier Prozent Vorsprung vor Emmanuelle Bour.

Bour wohnt in Bitry und war bis vor wenigen Monaten wahrlich keine Politikerin, sondern Besitzerin eines Bauernhofes und Organisatorin von Pferderennen. Sie kennt die Probleme der Landwirte, der Reiter, der Waldbesitzer. Und das ist nicht ganz unwichtig in diesem ländlichen Teil Frankreichs.

Bisher teilten sich hier - wie in allen anderen Gegenden der Grande Nation - Sozialisten und Konservative die Nationalversammlungssitze untereinander auf. Die Parlamentarier waren Berufspolitiker, die im fernen Paris arbeiteten, nur mal am Wochenende nach Hause kamen und irgendwie entrückt waren.

Die Wähler sind solche Berufspolitiker leid. Und Menschen aus der Zivilgesellschaft mit all ihren Erfahrungen und ihrer Expertise könnten darauf nun die Antwort sein im neuen Parlament. "Wir brauchen neue Ideen", sagt Bour. "Wir müssen pragmatisch sein. Und Republique en Marche hat das erkannt, mit Menschen im Parlament, die sind wie Sie und ich."

Es kommt anders als erwartet

Das bedeutet auch, dass die ersten Wochen hart werden für die Neuen im Parlament. Das Volk erwartet Reformen und Taten. Und nun müssen absolute Neulinge diese Taten vollbringen. Die Bürger werden ihnen die Zeit geben. Weil sie ja genau diesen frischen Wind wollten.

Auch Bour ist bereit, über sich hinauszuwachsen: "Ich habe noch nicht auf jede Frage eine Antwort, ich werde viel lernen müssen", sagt Bour selbstbewusst, "aber auch das habe ich ja in meinem bisherigen Leben getan. Gelernt. Immer wieder aufs Neue. Und deshalb habe ich keine Angst davor, Abgeordnete zu sein."

Am Wahlabend dann gebanntes Warten in einem Hotel in der Kleinstadt Compiègne. Die Auszählung von Bours Wahlkreis läuft. In den Wahlkreisen ringsum haben es die "Republique en Marche"-Kandidaten geschafft.

Doch hier werden die Blicke immer ungläubiger. Man war so sicher. Doch nicht alle Wähler folgten der Macron-Euphorie. Manche hatten - so scheint es - doch zu viel Angst vor dem Ungewissen. Oder haben in Wahlkreisen mit hoher Front-National-Wählerschaft in der zweiten Runde lieber konservativ gewählt statt die neue Partei. Und so bleibt in diesem ländlichen Wahlkreis dann doch der Berufspolitiker Vatin von Les Republicains der Abgeordnete. Mit gerade mal vier Prozent Vorsprung vor Emmanuelle Bour.

Am Ende sind die Konservativen die einzige Partei, für die es nicht ganz so schlimm gekommen ist wie vermutet. 137 Sitze haben sie in der neuen Assemblée. Immer noch keine große Opposition, aber es sind ein paar Mandate mehr, als die Umfragen vorhersagten. Die Sozialisten verlieren dagegen mehr als 250 ihrer bisher 280 Sitze.

Für Bour ist das Ergebnis schade. Doch sie will einfach in der Zivilgesellschaft weiterarbeiten. Und den anderen Anfängern im Parlament die Daumen drücken.

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