Großbritannien peilt "besondere Partnerschaft" mit EU an

  19 Juni 2017    Gelesen: 649
Großbritannien peilt "besondere Partnerschaft" mit EU an
Fast ein Jahr nach dem Brexit-Referendum haben die Europäische Union und Großbritannien ihre Verhandlungen über den EU-Austritt des Königreichs aufgenommen.
EU-Chefunterhändler Michel Barnier und der britische Brexit-Minister David Davis begannen ihre Gespräche am Montagvormittag in der Brüsseler Zentrale der EU-Kommission. Seine Regierung strebe "eine neue, tiefe und besondere Partnerschaft" mit der EU an, sagte Davis zum Auftakt. "Es gibt mehr, was uns verbindet, als uns trennt."

Barnier sagte, er hoffe, in der ersten Verhandlungsrunde einen Zeitplan für die weiteren Gespräche zu erarbeiten, um den EU-Rat Ende dieser Woche darüber informieren zu können. Ziel sei es zudem, die Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen, die sich durch den Brexit ergeben hätten. Am Abend wollten Davis und Barnier eine gemeinsame Pressekonferenz geben.

Die Verhandlungen sollen bis Herbst 2018 abgeschlossen sein, damit die Ergebnisse von den 27 EU-Staaten, der britischen Regierung, den nationalen Parlamenten und dem EU-Parlament abgesegnet werden können. Am 30. März 2019 soll das 1973 beigetretene Großbritannien dann kein Mitglied der Union mehr sein. Die britische Bevölkerung hatte sich am 23. Juni 2016 mit knapper Mehrheit für den Austritt ausgesprochen.

Angesichts des knappen Zeitplans riefen mehrere EU-Außenminister in Luxemburg zur Eile in den Gesprächen auf. "Die Zeit läuft davon", sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. In der ersten Verhandlungsrunde werde es nach seiner Einschätzung zunächst nur ein Abtasten beider Seiten geben. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel forderte, dass man dringend in die Gespräche kommen müsse.

"Unsere Hoffnung ist, dass auch den Briten klar wird, dass sie gegen die Interessen ihrer Bürger arbeiten, wenn sie nicht wenigstens versuchen, Großbritannien im Binnenmarkt zu halten." Das setze aber die Akzeptanz der EU-Regeln für Arbeitnehmer sowie eine Gerichtsbarkeit entweder der EU oder durch bilaterale Vereinbarungen voraus. Wie die britischen Konservativen mit den Bürgern gespielt hätten, um sich selbst Vorteile zu schaffen, erachte er als "schlimm."

Die EU-Seite befürchtet, dass die Verhandlungen durch die unklaren Machtverhältnisse in London erschwert werden. Die britische Premierministerin Theresa May, die in der von ihr angesetzten Neuwahl keine Mehrheit im Parlament erringen konnte, bemühte sich weiter um eine Unterstützung der nordirischen Partei DUP in Westminster. Auch innerhalb ihrer eigenen Konservativen Partei gingen die Meinungen zum Brexit zuletzt auseinander. Während May und Davis einen klaren Schnitt mit einem Abschied ihres Landes aus EU-Binnenmarkt und Zollunion wollen, plädierte Finanzminister Philip Hammond am Wochenende für Handelsbeziehungen, "die sich so nahe wie möglich wie die heutigen anfühlen."

EU WILL DREI BEREICHE MÖGLICHST FRÜH KLÄREN

Der EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) kritisierte im Deutschlandfunk, die britische Regierung habe bisher nicht klar zu erkennen gegeben, was sie erreichen wolle. Schaden wolle die EU den Briten nicht, sagte Brok, der für die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) die Brexit-Verhandlungen begleitet. Wie bei jeder Scheidung müsse man aber auch Verpflichtungen für den anderen wahrnehmen. Die Gespräche über den künftigen Status der Briten gegenüber der EU würden dann vermutlich mehrere Jahre dauern, weshalb Übergangsfristen vereinbart werden müssten.

Im Brüsseler Berlaymont-Gebäude der EU-Kommission wollten sich Barnier und Davis zunächst gemeinsam mit ihren Experten sowie später zu zweit zu einem Arbeitsessen treffen. Am Nachmittag sind nach EU-Angaben Sitzungen der verschiedenen Arbeitsgruppen geplant. Die gemeinsame Pressekonferenz ist für 18.30 Uhr (MESZ) vorgesehen.

Die EU will in den Gesprächen bis zum Jahresende eine Einigung mit den Briten in drei Bereichen erzielen: die Rechte von EU- und britischen Bürgern im jeweils anderen Hoheitsgebiet nach dem Brexit, die finanziellen Verpflichtungen des Königreichs infolge des EU-Austritts sowie der Umgang mit der Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland.

Die britische Seite will zudem möglichst früh über ein Freihandelsabkommen mit der Staatengemeinschaft reden, worauf sich Barnier nach dem Willen der 27 EU-Staaten aber erst einlassen soll, wenn in den drei anderen Fragen signifikante Fortschritte erzielt wurden.

Der frühere EU-Binnenmarktkommissar aus Frankreich hat sein Team in fünf Gruppen aufgeteilt, die sich entsprechend der EU-Prioritäten auf die Bereiche Strategie, ressortübergreifende Themen und Wettbewerb, Binnenmarkt, die Frage der EU-Rechnung für Großbritannien sowie Handelsfragen konzentrieren. Barniers Stellvertreterin ist die Deutsche Sabine Weyand.

Quelle. reuters.de

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