Wie eine Quelle in der Partei „Batkiwschtschina” verriet, unterstützen alle Fraktionsmitglieder die Idee zur Amtsenthebung des Präsidenten, denn „es ist nicht mehr möglich, weiter die Korruption und den Amtsmissbrauch zu dulden“.
Es gibt allerdings ein Problem: Zwar sieht der Artikel 111 der ukrainischen Verfassung vor, dass es im Parlament ein Misstrauensvotum gegenüber einem Präsidenten geben kann, aber praktisch ist das kaum erfüllbar, weil ein Gesetz fehlt, das diesen Prozess formell regeln würde.
Angesichts dessen stellte der „Batkiwschtschina“-Abgeordnete Juri Odartschenko fest, dass Poroschenko die politische Verantwortung für seine Handlungen de facto erst bei der nächsten Präsidentschaftswahl tragen wird. Sein Parteikollege Boris Tarasjuk bedauerte seinerseits, dass der Amtsenthebungsprozess „keine juristischen Mechanismen hat“, obwohl es reichlich politische Motive für das Misstrauensvotum gegenüber dem Staatschef gebe, der „die Aufgaben, die ihm das Volk gestellt hatte, nicht erfüllt hat“.
Die Verfassung sieht die Amtsenthebung des Staatschefs bei Staatsverrat und anderen schweren Straftaten vor. Im Parlament wird zu diesem Zweck eine Ermittlungskommission gebildet, an der sich ein Sonderstaatsanwalt und mehrere Sonderermittler beteiligen. Dann müssen mindestens zwei Drittel der Abgeordneten dafür stimmen. Die Entscheidung der Parlamentarier muss vom Verfassungsgericht und dem Obersten Gerichtshof überprüft werden und eventuell den Tatbestand des vom Präsidenten begangenen Verbrechens bekräftigen. Und schließlich müssen drei Viertel aller Abgeordneten erneut dafür stimmen.
„Es ist eine sehr komplizierte und praktisch kaum umsetzbare Prozedur“, sagte die frühere Justizministerin der Ukraine, Jelena Lukasch, gegenüber „Iswestija“.
Der „Batkiwschtschina“-Abgeordnete Igor Luzenko zeigte sich überzeugt, dass es „mindestens sechs Gründe“ für die Amtsenthebung Poroschenkos gebe. Die wichtigsten seien „die Nichterfüllung der Verfassung im Sinne des Ausrufs des Kriegszustands angesichts der Gefahr bzw. der unmittelbaren äußeren Aggression und die Nichterfüllung anderer Vollmachten des Präsidenten, die die rechtzeitige Unterzeichnung von wichtigen Gesetzentwürfen betreffen. Die legislative Arbeit steht wegen der Passivität des Garanten still“, so Luzenko.
Timoschenko erklärte ihrerseits vor Journalisten, Poroschenko habe „schon längst die Amtsenthebung verdient – seit dem Moment, als er und sein korruptes Umfeld begannen, dank des Blutvergießens, dank des Kriegs Geld zu machen“.
Für das Misstrauen gegenüber Poroschenko werden voraussichtlich auch die Fraktionen des „Oppositionsblocks“, der Partei „Samopomoschtsch“ („Selbsthilfe“) sowie mehrere fraktionslose Abgeordnete stimmen. Laut Quellen in der Rada könnte auch die Radikalen-Partei Oleg Ljaschkos für die Amtsenthebung des Präsidenten stimmen, die allerdings zunächst alle Umstände der entstandenen Situation analysieren will.
„Wir befürworten diesen Gesetzentwurf, denn in einem normalen Staat, in dem man von europäischen Werten, von Verfassungsrechten und —freiheiten der Bürger spricht, sollte es alle Normen geben, die die Amtsenthebung des Präsidenten vorsehen, denn er ist nun einmal kein Monarch“, sagte der Abgeordnete Jewgeni Balizki (Oppositionsblock). „Das Amtsenthebungsgesetz sollte endlich verabschiedet werden.“
Vor einigen Tagen hatte vor der Obersten Rada eine Kundgebung stattgefunden, an der etwa 300 Vertreter verschiedener politischer Kräfte teilnahmen und ein neues Wahlgesetz wie auch einen Mechanismus zur Amtsenthebung des Präsidenten verlangten.
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