Baltischer Sturm: Wohin das Aufrüsten des Baltikums führt

  06 Juli 2017    Gelesen: 702
Baltischer Sturm: Wohin das Aufrüsten des Baltikums führt
Die baltische Region verwandelt sich allmählich zu einem Schauplatz für Auseinandersetzungen zwischen Russland und dem Westen, schreibt die Zeitung „Kommersant“ am Donnerstag.
Die im Baltikum zu Ende gegangenen Manöver „Saber Strike” und „Iron Wolf”, die von internationalen Medien vor dem Hintergrund des Syrien-Konfliktes fast unbemerkt blieben, haben die Frage nach der Vertrauenskrise und Erosion des Sicherheitssystems in Europa gestellt.

Das Baltikum ist eine spezielle Region. Selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs unterschied sich die Situation hier vom allgemeinen Bild des Konflikts beider Supermächte. Das Baltikum sah als Region eines zwar kalten, jedoch ewigen Friedens aus. Vor dem Hintergrund Kubas und Vietnams – den Hauptschauplätzen der Konfrontation in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – blieb die Lage im Baltikum relativ ruhig und konfliktlos.

Zudem konnte die „baltische Welt“ weder vom Zerfall der Sowjetunion noch von der darauf gefolgten Erweiterung der Nato in den Osten zerstört werden, bei der die ehemaligen baltischen Sowjetrepubliken Allianzmitglieder wurden. Noch vor 15 Jahren sprachen westliche Politiker und Experten vor allem darüber, wie Komplikationen bei den Beziehungen zu Russland wegen der Aufnahme Lettlands, Litauens und Estlands in die Nato vermieden werden könnten. Doch unter den jetzigen Bedingungen wird Russland in Bezug auf das Baltikum als eine Bedrohung bezeichnet – über Russland wird fast nur noch im Kontext der „Abschreckung seiner potentiellen Aggression“ gesprochen.

Warum kommt es gerade heute zu einer großangelegten Umgruppierung der Kräfteverhältnisse – die beinahe die ernsthafteste seit letzten Jahrhunderten ist –, und was werden die Folgen für die Teilnehmer der neuen Konfrontation sein?

Es gibt eine bestimmte Logik darin, dass ein neuer Spannungsherd im euroatlantischen Raum gerade in dem Teil des postkommunistischen Europa auftauchte, der versucht, den Ton in den Beziehungen zu Russland zu diktieren. Das Baltikum überwand einen klassischen Kalten Krieg, erwies sich aber als nicht bereit, einen Sturm unter Bedingungen einer „Lite-Version“ zu verhindern.

Es ist nicht verwunderlich, dass mittlerweile fast ständig über gefährliche Manöver über der Ostsee berichtet wird, die Russland und die Nato sich traditionell gegenseitig vorwerfen. Zur Gewohnheit sind auch gegenseitige Vorwürfe von Informationskriegen und Cyber-Angriffen geworden.

In der Region beginnt eine schleichende Militarisierung – im vergangenen Jahr wurde in Polen und in drei baltischen Republiken jeweils ein Bataillon der Nato-Vorderkräfte stationiert. Die Allianz zeigte erstmals die Bereitschaft, Kampfeinheiten unmittelbar an der Grenze zu Russland zu stationieren. Russland verstärkt seinerseits den eigenen Truppenverband im Gebiet Kaliningrad.

Bislang hat dieses Muskelspiel zum Ziel, das strategische Gleichgewicht in der Region zu brechen. Das ist nur im Falle radikalerer Schritte möglich, die auf eine Eskalation ausgerichtet sind. Ein solcher Schritt könnte die Stationierung von taktischen Atomwaffen bzw. Raketenabwehrsystemen unmittelbar an der Grenze zu Russland sein.

Dieses Szenario sieht zwar immer noch theoretisch aus, doch man muss es in Betracht ziehen. Wege der Entspannung im Baltikum sind nicht in Sicht. In Zukunft kann die jetzige Krise zur Bildung einer vollwertigen Verteidigungsallianz zwischen den letzten neutralen Ländern der Region führen – Schweden und Finnland.

Doch der größte Baltische Sturm steht noch bevor.

Tags:


Newsticker