Der größte europäische Versicherer steht mit seinen Sorgen nicht allein da. In der Autobranche gilt vor allem die OBD2-Schnittstelle als gefährdet, die seit Ende der neunziger Jahre in alle Fahrzeuge eingebaut ist. Diese ungesicherte Schnittstelle wurde bewusst offen gehalten und war ursprünglich für das Auslesen von Abgasdaten per Kabel in der Werkstatt gedacht, wie Maik Böres erläutert, Leiter "Future Mobility" bei BMW.
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Inzwischen ermöglichen jedoch nachträglich installierte Bauteile, sogenannte "Smart Dongles", für diese Schnittstelle die Datenübertragung per WLAN oder Sim-Card - damit lässt sich beispielsweise ein elektronisches Fahrtenbuch führen. Doch der Schutz gegen Eingriffe von außen ist mangelhaft.
"Die Dongles von Drittanbietern sind zum Teil nicht mal passwortgeschützt", sagt Böres. Der Münchner Premiumhersteller BMW hat Vorkehrungen getroffen: "Bei BMW sind alle fahrsicherheitsrelevanten Dinge von der OBD-Schnittstelle abgekoppelt", sagt Böres. Doch gibt es Sorgen in- und außerhalb der Autobranche, dass die Sicherheitsvorkehrungen keineswegs bei allen Herstellern ausreichend sind.
"Heute sind moderne Autos rollende Computer", sagt Allianz-Vorstandsmitglied Müller. Durch die Multimedia- und Internetfunktionen seien zentrale Steuergeräte im Auto häufig nicht nur mit dem Internet verbunden, sondern hätten auch internen Zugriff auf die Kommunikationsnetze des Fahrzeugs.
Fahrassistenten verwundbar
Ein Hackerangriff auf Computer oder Handy ist für die Opfer sehr ärgerlich, doch in aller Regel nicht lebensgefährlich. Kriminelle Cyberattacken auf Autos dagegen könnten gefährlich für Leib und Leben werden: "Wichtige Fahrfunktionen, wie etwa ESP oder Bremsassistenten sind in die fahrzeuginterne Datenkommunikation eingebunden", sagt Müller. "Wem es gelingt, in diese Systeme einzudringen, der kann zum Beispiel auch ein ungewolltes Bremsmanöver auslösen."
Solche Szenarien klingen bedrohlich: "Cyberangriffe auf Fahrzeuge machen Hersteller und große Flottenbetreiber zu potenziellen Erpressungsopfern", sagt Müller. Am Anfang stehe immer der individuelle Angriff auf das vernetzte Auto. "Findet ein Hacker eine Schwachstelle, könnte er dann aber alle Fahrzeuge derselben Baureihe gleichzeitig sabotieren und zum Beispiel den Motor abstellen. Der Reputationsschaden für die Automobilbranche wäre riesig."
Großangelegte Attacken auf ganze Fahrzeugflotten sind noch nicht bekannt geworden, doch haben Hacker im Test die OBD2-Schnittstelle bereits ohne Probleme geknackt - in einem Fall gelang es den Programmierern des US-Cybersicherheitsunternehmens Argus, einen laufenden Motor mittels Bluetooth-Signal an den Smart Dongle auszuschalten.
Autoindustrie entwickelt Schutzkonzept
Die Allianz fordert von den Autoherstellern möglichst sichere IT-Architektur, die sich für die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs gegen neue Gefahren nachrüsten lässt. Die deutsche Autoindustrie nimmt diese Sorgen ebenfalls ernst: Unter dem Dach des Verbands der Automobilindustrie (VDA) entwickeln Hersteller und Zulieferer ein Konzept, das sowohl die Sicherheit des Autos und seiner Insassen als auch Datensicherheit und -schutz gewährleisten soll.
BMW stellte im Mai sein auf diesem Konzept basierendes "CarData"-Programm vor. Die Telematik-Daten der Fahrzeuge werden verschlüsselt und an einen Server übermittelt. So soll verhindert werden, dass Unbefugte oder Kriminelle sich bei laufender Fahrt Zugriff auf ein Auto verschaffen.
Die Hoheit über die Daten soll beim Autobesitzer bleiben - er kann nach dem VDA-Konzept auswählen, was der Hersteller Werkstätten, Versicherern, Internetanbietern, App-Entwicklern und anderen Drittanbietern zur Verfügung stellt. "Es muss stets die Entscheidung des Kunden sein, ob und welche seiner Daten er weitergeben und welche Dienste er nutzen möchte", sagt eine VDA-Sprecherin. Doch Standard in der Autoindustrie ist dieses Modell noch nicht.
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