Die mit Abstand gravierendsten gesundheitlichen Folgen hat demnach Luftverschmutzung - im Freien und in Innenräumen. Sie hing 2015 mit 6,5 der insgesamt 9 Millionen Todesfälle zusammen und trägt vor allem zu Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen bei. Zudem starben 1,8 Millionen Menschen, weil sie sich durch verschmutztes Wasser Parasiten und Verdauungsprobleme zugezogen hatten. Schadstoffe am Arbeitsplatz und Bleivergiftungen trugen demnach zusammen zu weiteren 1,3 Millionen Todesfällen bei. Da sehr viele Schadstoffe noch unbekannt oder nicht ausreichend untersucht sind, gehen die Forscher davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen noch höher liegen.
Insgesamt entfielen die weitaus meisten Todesfälle (92 Prozent) auf Entwicklungs- und Schwellenländer. So hängt etwa in Indien und Bangladesch jeder vierte, in China und Kenia jeder fünfte Todesfall mit Umweltverschmutzung zusammen. Das heiße aber nicht, dass Umweltverschmutzung eine unvermeidbare Folge wirtschaftlicher Entwicklung sei, betont das Team.
In Deutschland jeder 15. Todesfall durch Umweltbelastungen
In Deutschland sterben demnach mehr als 62.000 Menschen pro Jahr an Umweltbelastungen, was etwa jedem 15. Todesfall entspricht. Auf Verschmutzung der Außenluft entfallen dem Bericht zufolge bundesweit etwa 44.000 Todesfälle. Insgesamt berechnen die Forscher für Deutschland eine jährliche Rate von 75 umweltbezogenen Todesfällen auf 100.000 Menschen. Am geringsten ist dieser Wert im internationalen Vergleich in Moldawien und Brunei mit 4 und 9 pro 100.000, sehr hoch in der Zentralafrikanischen Republik mit 304, in Lesotho mit 227 und in Afghanistan mit 212.
"Der Bericht zeigt, dass kein Land unbetroffen von Umweltverschmutzung ist", schreiben Pamela Das und Richard Horton von "The Lancet" in einem Kommentar. "Menschliche Aktivitäten wie Industrialisierung, Verstädterung und Globalisierung treiben die Verschmutzung an."
Soziale Zusammenhänge
Ko-Autor Karti Sandilya von der Umweltorganisation Pure Earth verweist auf die sozialen Zusammenhänge: "Verschmutzung, schlechte Gesundheit und soziale Ungerechtigkeit sind tief miteinander verwoben", wird er in einer "Lancet"-Mitteilung zitiert. "Verschmutzung und die damit verbundenen Krankheiten betreffen meist die Ärmsten und Ohnmächtigsten der Welt, und die Opfer sind oft die Verwundbaren und Stimmlosen." Die Verschmutzung bedrohe grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf Leben und Gesundheit.
Als ein Beispiel nennt der Bericht etwa Roma-Flüchtlingslager im Kosovo auf einem Areal, wo giftige Abfälle eines Bleibergwerks gelagert wurden. In einem weiteren Kommentar bezeichnen Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Umweltverschmutzung als "Symptom und ungewollte Folge einer ungesunden und nicht nachhaltigen Entwicklung". Daher müsse die Politik die Faktoren und Quellen dieser Entwicklung angehen, betonen sie. Als Beispiel verweisen sie auf das Klimaabkommen von Paris, das zu den wichtigsten Verträgen für die öffentliche Gesundheit zähle.
"Als Ursache von Problemen unterschätzt"
"Insgesamt passt der Bericht zu unseren Berechnungen", sagt Johannes Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Für Deutschland kam Lelieveld allerdings in einer Studie zu einer höheren Zahl: Demnach ist verschmutzte Außenluft hierzulande nicht mit 44.000 vorzeitigen Todesfällen verbunden, sondern sogar mit 52.000. Zur Luftbelastung trage Straßenverkehr 20 Prozent bei, Energieerzeugung 15 Prozent und die Landwirtschaft 40 Prozent, so der Chemiker. Den Beitrag der Landwirtschaft erklärt er damit, dass Stickoxide aus dem Straßenverkehr sich mit Ammoniak aus der Landwirtschaft verbinden und Feinstaub bilden.
"Der Bericht zeigt, dass Umweltverschmutzung als Ursache von Problemen unterschätzt wird, sowohl gesundheitlich als auch wirtschaftlich", sagt Lelieveld. "Ziel des Berichts ist es, dass die Politik die richtigen Lehren zieht und sich systematisch um eine Verbesserung der Situation kümmert."
Quelle: n-tv.de
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