Dennoch sollte niemand wirklich über diese Entwicklung erstaunt sein - vor allem nicht über den Rückzug Israels. Das Verhältnis zwischen Israel und der Unesco war seit Jahren höchst angespannt. Der Grund dafür sind vor allem eine Reihe ziemlich fragwürdiger Entscheidungen der Unesco.
Streit um "Heilige Stätten"
Die Entscheidung der Staatengemeinschaft im Jahr 2011, Palästina als volles Unesco-Mitglied aufzunehmen, erklärt nicht allein den Schritt Israels, den wichtigen kulturellen Dialog mit der Weltgemeinschaft aufzugeben. Denn Israel hat trotz schwerer Kritik daran Palästinas Mitgliedschaft sechs Jahre lang de facto akzeptiert. Doch es gab weitere umstrittene Entscheidungen. 2016 entschied das Unesco -Weltkulturerbe-Komitee, den sogenannten Tempelberg nicht als eine jüdische Kulturstätte anzuerkennen und ihn, im ersten Schritt, ausschließlich mit seinem muslimischen Namen zu bezeichnen. 2017 bestritt die Unesco religiöse und historische Bezüge Israels zu den sogenannten "Heiligen Stätten" wie der Klagemauer in Ost-Jerusalem. Sie bezeichnete Israel auch im Hinblick auf diese als Besatzungsmacht.
In beiden Fällen gibt es aber eindeutig auch jüdische historische Verbindungen zu diesen stark umstrittenen Kulturstätten. Das relativiert die Besatzung des Westjordanlands durch Israel keinesfalls, wurde aber von der Unesco vollständig ignoriert.
Im Juli dieses Jahres ging die Unesco sogar noch einen Schritt weiter und erkannte die Hebroner Altstadt und das Grab der Patriarchen ausschließlich als gefährdetes "palästinensisches" Kulturerbe an. Die beiden Stätten liegen ohne Zweifel in der Westbank, sie sind aber allen drei monotheistischen Weltreligionen wichtig, da sich dort Abrahams Grab befindet.
Alle diese aus israelischer Sicht einseitigen anti-israelischen Entscheidungen sorgten im Land für Aufruhr, woraufhin Premierminister Benjamin Netanjahu versprach, die Zusammenarbeit mit der Unesco zu beenden. In dieser Hinsicht ist Israels Austritt der logische nächste Schritt in einer Serie von Provokationen und Ausgrenzungen. Auch der Austritt der USA wurde unter anderem mit der anti-israelischen Haltung der Organisation begründet. Bereits unter US-Präsident Barack Obama hatte das Land wegen des Beitritts der Palästinensischen Autonomiebehörde zur Unesco ihre Zahlungen eingestellt.
Auf der neuen Unesco-Chefin liegen jetzt viele Hoffnungen
Obwohl die Entscheidung insbesondere der israelischen Regierung nachvollziehbar ist, schadet sie damit nicht nur dem internationalen Dialog, sondern auch den USA und Israel selbst. Der Rückzug beider Staaten aus der Unesco schränkt nicht nur ihren Gestaltungsspielraum bei der UN ein, sondern stärkt ja gerade die Kräfte, die israelkritisch sind. Der Rückzug ist somit im Grunde ein Sieg für Palästinas Präsident Mahmoud Abbas und seiner PLO, die sich durch Eintritt in diverse multilaterale Organisationen wie Interpol und den Internationalen Gerichtshof auf der internationalen Ebene nun noch stärker profilieren kann. Die USA und noch viel mehr Israel überlassen somit der Palästinensischen Autonomiebehörde diese internationale Bühne - ein Schritt, der langfristig nicht in ihrem Interesse sein dürfte. Zudem hat Israel selbst neun Kulturstätten, die als Unesco Weltkulturerbe eingetragen sind, und profitiert dadurch von bedeutenden Bildungs- und Umweltinitiativen.
Aus der Perspektive der Heinrich-Böll-Stiftung Israel ist die multilaterale Zusammenarbeit mit und in den Institutionen der UN ein wichtiger Bestandteil der internationalen Konfliktbewältigung. Unter dem Austritt der zwei wichtigen OECD-Länder leidet das Image der Unesco schwer. Daher appelliere ich an Israel und die USA, ihren Austritt zu überdenken.
Damit Israel und die USA wieder beitreten können, muss sich jedoch auch bei der Unesco vieles ändern. Israel wird von der internationalen Staatengemeinschaft als Mitglied anerkannt. Daher ist nicht nur Antisemitismus, sondern auch eine einseitig anti-israelische Haltung innerhalb der Unesco absolut unakzeptabel. Es werden also Bemühungen beider Seiten notwendig sein, um das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen. Die frischgewählte neue Chefin der Unesco, die französische frühere Kultusministerin und marokkanische Jüdin Audrey Azoulay, wird hier Einiges an diplomatischem Geschick beweisen müssen.
Möglicherweise hat ja die Ankündigung des Austritt Israels als Warnsignal in letzter Minute verhindert, dass der Kandidat der Regierung Katars, der Diplomat Abdulasis al Kawari, das Rennen machen konnte. Denn dieser hätte als Kandidat der arabischen Welt vermutlich den anti-israelischen Kurs der Organisation eher verschärft und damit Öl ins Feuer gegossen. Auf Azoulay liegen jetzt viele Hoffnungen, die zerstrittene Organisation wieder auf einen vernünftigen Kurs zu führen.
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