Der BND hatte am Mittwoch eine Analyse veröffentlicht, die das Verhalten Saudi-Arabiens in der Region kritisch beurteilt. „Die bisherige vorsichtige diplomatische Haltung der älteren Führungsmitglieder der Königsfamilie wird durch eine impulsive Interventionspolitik ersetzt„, heißt es darin. So wollten sich der neue König Salman und sein Sohn Mohammed als Anführer der arabischen Welt profilieren. Nach Ansicht des BND ist ein abnehmendes Vertrauen Saudi-Arabiens in die USA für das Verhalten des Landes ausschlaggebend.
Saudi-Arabien gilt seit langem als Finanzier der verschiedenen Kampfgruppen im Nahen Osten. Doch offenbar hat die Bundesregierung Sorge, die Saudis jetzt zu verärgern.
In der Bundesregierung wird die Kritik an Riad aus verschiedenen Gründen als sehr schädlich angesehen. „Ohne eine konstruktive Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien wird es nicht gelingen, in Syrien und anderswo in der Region die politischen Fortschritte zu erzielen, die wir so dringend brauchen„, hieß es etwa im Auswärtigen Amt. Auch ein Regierungssprecher betonte, dass Saudi-Arabien eine große Bedeutung für eine syrische Friedenslösung zukomme. „Saudi-Arabien unterstützt in Syrien solche bewaffneten Oppositionsgruppen, die gegen den sogenannten IS kämpfen. Wer bei der Lösung der drängenden Probleme in der Region vorankommen will, braucht konstruktive Beziehungen zu Saudi-Arabien“, sagte er.
Die Bundesregierung spreche Menschenrechtsverletzungen regelmäßig an, betonte der Regierungssprecher.
Die Verärgerung über den BND wird von der Regierung mit Hierarchiefragen begründet – und spätestens hier sollte man hellhörig werden: Die Bundesregierung diskutiert solche Fragen grundsätzlich nicht in der Öffentlichkeit, schon gar nicht, wenn es um einen Geheimdienst in einer kriegsähnlichen Situation geht. Plötzlich wird ein offener Machtkampf insinuiert: „Der BND soll die Bundesregierung mit Informationen versorgen und hoffentlich kluge Analysen liefern“, hieß im Außenministerium. „Einschätzungen des BND sind ein – sicher bedeutendes – Element, das in die außenpolitischen Einschätzungen der Bundesregierung einfließt“, sagte auch der Regierungssprecher zurückhaltend. Der BND untersteht dem Kanzleramt.
Tatsächlich könnte das Bashing der Saudis auch ein abgekartetes Spiel sein: Denn die „Attacke“ des BND kommt zu einem Zeitpunkt, in dem eigentlich ein anderer „wichtiger Partner“, den die Bundesregierung aktuell besonders „dringend braucht“, in die Schusslinie geraten ist: Die Rolle des türkischen Geheimdiensts Millî İstihbarat Teşkilâtı (MIT) in der Zusammenarbeit der Türkei mit dem IS sowie dessen mögliche Verstrickung in die Assad zugeschriebenen Sarin-Angriffe ist nach wie vor völlig ungeklärt. Der MIT ist auch innerhalb der Türkei berüchtigt und gilt weltweit als einer der skrupellosesten Dienste.
Die Diskussion über die Saudis hat der Bundesregierung eine gewisse Entlastung an dieser Front gebracht: Man musste sich nicht mit den von den Russen angeprangerten Verbindungen der Türkei zum IS beschäftigen und konnte trotzdem den Eindruck erwecken, sogar gegen Verbündete der USA heldenhaft kritisch zu sein. Auch die Diskussion um die Drahtzieher des Abschusses einer russischen Maschine konnte so von der deutschen Öffentlichkeit ferngehalten werden.
Unklar ist, ob sich der BND bei seiner „Kommunikationsstrategie“ mit den Russen abgesprochen hat. Die USA und Russland gehen in Syrien gemeinsam vor. Die Rolle Deutschlands ist der Flankenschutz – und das nicht nur bei militärischen Operationen.
In den US-Medien werden die möglichen Verstrickungen der Türkei in die Machenschaften des IS wesentlich offener diskutiert als in Deutschland. Das könnte auch daran liegen, dass die Nato mittlerweile die europäische Politik stärker betreibt als die Regierungen oder die wegen der Flüchtlingskrise am Rand des Abgrunds taumelnde EU.
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