Die Zentralregierung in Madrid sei darauf bedacht, nicht den Eindruck einer Besatzung aufkommen zu lassen, berichtet die katalanische Zeitung "La Vanguardia". Die spanische Vize-Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría werde daher nicht nach Barcelona reisen. Sie ist seit Samstag kommissarische Regierungschefin Kataloniens.
Minister kommt demonstrativ zur Arbeit
Die Frage an diesem Tag ist, ob die bisherige Regierungsmannschaft sich der Absetzung durch Madrid fügt. Wie "La Vanguardia" berichtet, erschien etwa der ehemalige Umwelt- und Transportminister in seinem Büro. Josep Rull postete ein Foto bei Twitter, das ihn an seinem einstigen Schreibtisch des Ministerbüros zeigt. "Im Büro, bei der Ausübung der Verantwortlichkeiten, die uns das Volk Kataloniens aufgetragen hat", schrieb er dazu. Zwei Beamte der katalanischen Polizei, der Mossos, sollen ihn darauf hingewiesen haben, dass das als Amtsanmaßung gewertet werden könnte. Minuten später habe Rull das Büro verlassen und angekündigt, seinem Terminplan des Tages weiter zu folgen.
Der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido sagte im Fernsehsender Antena 3, die Ex-Minister und hohen Beamten sollten einige Stunden Zeit bekommen, ihre persönlichen Dinge aus den Büros zu holen. Rull rief er dazu auf, "vernünftig" zu sein.
Die katalanische Parlamentspräsidentin und eine der Führungsfiguren der Separatisten, Carme Forcadell, signalisierte dagegen ein Einlenken. Sie sagte eine für den kommenden Dienstag geplante Sitzung des Parlamentspräsidiums ab. Sie begründete dies damit, dass das Parlament nicht mehr existiere. Damit fügt sie sich den Anordnungen der Zentralregierung, die es aufgelöst und Neuwahlen für den 21. Dezember angesetzt hatte.
Unklar ist, ob auch Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont in sein altes Regierungsbüro kommen wird. Seine Regierung war am Samstag von Ministerpräsident Mariano Rajoy abgesetzt worden. Nach Medienberichten könnte er ebenso wie andere ehemalige Amtsträger bald unter dem Vorwurf der Rebellion inhaftiert werden. Die Zwangsverwaltung der wirtschaftsstarken Autonomen Gemeinschaft im Nordosten des Landes soll mindestens bis zur Abhaltung der für den 21. Dezember einberufenen Neuwahlen laufen.
Großdemo gegen Unabhängigkeit
Am Sonntag demonstrierten hunderttausende Menschen für die Einheit Spaniens. Bei einem Marsch durch das Zentrum Barcelonas skandierten die Teilnehmer "Viva España", "Ich bin Spanier" oder "Barcelona gehört zu Spanien". Die Organisatoren sprachen von "mehr als einer Million Teilnehmern", die Polizei in Barcelona schätzte die Zahl auf rund 300.000. Die allgemein befürchteten Proteste von Befürwortern der Unabhängigkeit blieben am Wochenende in Katalonien vorerst aus.
In einer TV-Rede hatte Puigdemont am Samstag durchblicken lassen, dass er seine Amtsenthebung nicht anerkennt. Er rief die Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung zum friedlichen "demokratischen" Widerstand auf und sagte, er wolle weiter für die Gründung eines "freien Landes" arbeiten. Danach spazierte er durch seine Heimatstadt Girona mit seiner Ehefrau und wurde von Passanten bejubelt. Am Freitag hatte das Regionalparlament kurz vor Inkrafttreten der Madrider Zwangsmaßnahmen einen Unabhängigkeitsbeschluss verabschiedet. Nach Medienberichten vom Sonntagabend könnte der spanische Generalstaatsanwalt José Manuel Maza deshalb an diesem Montag die Festnahme von Puigdemont und auch der bisherigen Präsidentin des Regionalparlaments, Carme Forcadell, beantragen.
Sollten sie wegen Auflehnung gegen die Staatsgewalt oder gar Rebellion verurteilt werden, drohen Puigdemont und Forcadell bis zu 30 Jahre Haft. Neben Puigdemont wurden auch die übrigen Mitglieder der Regierung in Barcelona ihrer Ämter enthoben. Insgesamt mussten 150 Regierungsmitarbeiter gehen. Auch die beiden Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra, Pere Soler und Josep Lluís Trapero, wurden abgesetzt. Der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido appellierte an die nationalen und katalanischen Polizeieinheiten zu kooperieren, um einen reibungslosen Ablauf der Wahl im Dezember zu gewährleisten.
Quelle: n-tv.de
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