Neue Regierung in Österreich: Kurz vor dem Ziel

  18 Dezember 2017    Gelesen: 1141
Neue Regierung in Österreich: Kurz vor dem Ziel
In Österreich endet die Ära der Großen Koalition. An ihre Stelle tritt ein rechtsgerichtetes Bündnis unter dem jungen ÖVP-Chef Kurz und einem Vizekanzler von der rechtspopulistischen FPÖ. Heute werden sie in der Hofburg vereidigt. Draußen könnte es Proteste geben.
Begleitet von umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen wird die neue Regierung am Vormittag von Bundespräsident Alexander van der Bellen in der Hofburg vereidigt. Das Areal um den Amtssitz des Bundespräsidenten in der Wiener Innenstadt ist ab 6 Uhr morgens weiträumig von der Polizei abgeschirmt, fünf Stunden vor dem offiziellen Festakt.

Zu den insgesamt neun genehmigten Protestdemonstrationen, zu denen verschiedene Gruppen wie der österreichische Studentenverband und die Offensive gegen rechts aufgerufen haben, werden nach Behördenangaben mehrere Tausend Menschen erwartet. "Die Polizei ist mit 1500 Polizisten vor Ort, um hier für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen", sagt Polizeisprecherin Irina Steirer.

Vor 17 Jahren war es bei der Vereidigung der ersten schwarz-blauen Regierung aus Volkspartei und Freiheitlicher Partei an selber Stelle zu erheblichen Ausschreitungen gekommen.

Weniger Geld für Flüchtlinge

In gemeinsam geführten Zeitungsinterviews mit österreichischen Medien kündigten Sebastian Kurz und Heinz Christian Strache unter anderem an, mit einer Verfassungsänderung die Bundesländer zu zwingen, die Leistungen für Flüchtlinge deutlich zu senken. Die sogenannte Mindestsicherung liegt in den Ländern bei durchschnittlich 840 Euro pro Monat, künftig sollen es nur noch 365 Euro sein - sowie im Falle von positiven Integrationsbemühungen - weitere 155 Euro pro Monat. Das Rote Kreuz kritisierte, es handele sich nicht um eine Reform der Mindestsicherung, sondern um eine "drastische Kürzung, die dazu führen könne, Asylberechtigte in die Illegalität zu drängen".

Innen- und Verteidigungsressort für die FPÖ

Kritik an der Tatsache, dass die rechte FPÖ das Innen- und Verteidigungsministerium führt und damit die Geheimdienste des Landes, begegneten Kurz und Strache mit dem Hinweis: Künftig sollten die Dienste auch an den Bundespräsidenten, Kanzler und Vize-Kanzler berichten.

Bei Passanten in Wien fiel die Entscheidung der neuen Koalition, der FPÖ neben dem Außen- auch das Innen- und das Verteidigungsressort zu geben, auf ein geteiltes Echo: "Ich glaube, das macht nichts", sagt ein Mann. "Wir sind nicht im Jahr 1934. Ein Bürgerkrieg steht nicht bevor." Die Parteien hätten sich darauf konzentriert, was sie wirklich könnten: "Die FPÖ kennt sich eben in Sicherheit recht gut aus und die ÖVP eher in der Wirtschaft und der Verwaltung." Eine andere Passantin findet es hingegen "sehr überraschend", dass die FPÖ so viele Ressorts bekommen hat.

Nur Kurz bei ÖVP mit Ministererfahrung

Mit Ausnahme von Kurz haben die übrigen Ministerinnen und Minister, die von der Volkspartei aufgestellt worden sind, keine Regierungserfahrung. Er habe die Expertise von Fachleuten in die Politik bringen wollen, begründete Kurz seinen bereits im Wahlkampf angekündigten Schritt. Zu diesen Personen zählt unter anderem der künftige Finanzminister Hartwig Löger, der bislang Österreich-Chef des Versicherungskonzerns Uniqa war.

Bei der Bewertung der Ressortverteilung zwischen den beiden Parteien dürfe man nicht vergessen, dass die ÖVP mit dem Finanzressort ein zentrales Ministerium für die Regierungsarbeit besetze, betonte Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Allerdings: "Umgekehrt hat natürlich die Freiheitliche Partei mit den Sicherheitsressorts viele Medienauftritte für sie wichtige Themen gewonnen."

Beim Thema Direktdemokratie habe allerdings Strache mächtig nachgegeben. So wollte der FPÖ-Chef bereits bei einer Unterstützung von vier Prozent der Wahlberechtigten Volksabstimmungen zulassen - im Regierungsprogramm steht hingegen, dass mindestens 14 Prozent der Wahlberechtigten ein Volksbegehren unterschreiben müssten, bevor zu einer Volksabstimmung kommen könne.

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