"Trumps Sprüche dienen Kims Propaganda"

  26 Dezember 2017    Gelesen: 518
"Trumps Sprüche dienen Kims Propaganda"
2017 ist das Jahr einer Eskalation des Nordkorea-Konflikts. Kims Selbstbewusstsein wächst mit den Fortschritten des Atomprogramms. Und US-Präsident Trump reagiert mit einer Unbesonnenheit, die "nicht hilfreich" ist, wie Nordkorea-Experte Eric Ballbach sagt.
n-tv.de: Stellen wir uns vor, Kim Jong Un sitzt in seinem Palast und lässt das Jahr 2017 Revue passieren. Wie würde sein Urteil wohl ausfallen?

Eric Ballbach: Er kann vermutlich zufrieden sein. Nordkorea hat enorme Fortschritte gemacht, was die weitere Entwicklung der Raketentechnologie und das Streben nach Atomwaffen angeht.

Kim hat 2017 fast 20 Raketentests sowie einen Atomtest durchgeführt. So häufige Provokationen Nordkoreas gab es wohl noch nie zuvor. Warum drehte Kim gerade dieses Jahr so auf?

In Pjöngjang wurde die strategische Entscheidung getroffen, diesen Weg hin zur Nuklearmacht nicht mehr zu verlassen. Gleichzeitig hat sich Nordkorea kaum auf internationale Verhandlungen eingelassen.

Nach dem Raketentests Ende November verkündete Nordkorea, das Atomprogramm sei mit dem angeblich erfolgreichen Start der Interkontinentalrakete Hwasong 15 abgeschlossen. Ist das glaubhaft?

Nordkorea hat ein Interesse daran, die internationale Gemeinschaft glauben zu lassen, dass man tatsächlich das Programm bereits abgeschlossen hat oder kurz davor ist. Ob Nordkorea tatsächlich diesen letzten Schritt schon gemeistert hat, da bin ich mir nicht so sicher. Denn jetzt geht es darum, die offenbar entwickelte Raketen- und Trägertechnologie mit dem Nuklearprogramm zusammenzuführen. Zudem muss Nordkorea die Verkleinerung der Sprengköpfe hinbekommen. Außerdem ist fraglich, wann Nordkorea die Frage des Wiedereintritts in die Erdatmosphäre meistert und so weit ist, Ziele tatsächlich auch genau zu treffen.

Wie groß ist die Gefahr, dass Kim Atomwaffen einsetzt, wenn er sie tatsächlich hat?

Also ich halte das für äußerst unwahrscheinlich, dass Nordkorea eine solche Waffe in einem Erstschlag einsetzen würde. Quasi Nordkoreas gesamtes staatliches Handeln ist auf das Ziel ausgerichtet den Machterhalt des Regimes abzusichern. In Nordkorea glaubt niemand realistischerweise, man könnte der vereinten Militärkraft der USA mit den regionalen Verbündeten Südkorea und Japan militärisch etwas entgegensetzen. Ein Angriff auf die USA oder deren Verbündete in der Region könnte sehr schnell zum Ende des Regimes führen.

Wo liegt dann das Problem?

Es gibt die Gefahr von Fehlkalkulationen. Denn Schritte der USA könnten missinterpretiert werden als direktes Bevorstehen eines Militärschlags. Es gibt keinen Dialog auf militärischer Ebene, wo solche Missverständnisse ausgeräumt werden könnten. Deshalb ist es wichtig, dass wir die wenigen bestehenden Kommunikationskanäle mit Nordkorea offen halten und uns nicht dem Druck der US-Administration beugen, unsere Botschaft zu schließen. Außerdem kann es zu Unfällen kommen und da sich Nordkoreas Nuklearisierung außerhalb internationaler Kontrollregime vollzieht haben wir bezüglich der Sicherheit der Anlagen kaum Informationen. Und es kommt noch ein dritter Punkt dazu, nämlich die politische Gefahr.

Was meinen Sie?

Das Beispiel Nordkorea wird von anderen Staaten sehr genau beobachtet. Die Anerkennung eines nuklearen Nordkoreas könnte Nachahmer haben. Das Signal wäre: Man kommt am Ende damit durch. Da muss man nur mal an den Iran denken. Momentan gilt der Iran-Deal. Aber wenn für Nordkorea der Atomwaffensperrvertrag aufgeweicht wird, kann es weitere Staaten geben, die ausscheren.

Das Jahr 2017 ist von sehr scharfen verbalen Attacken Donald Trumps geprägt. Was lösen diese Drohungen in Pjöngjang aus?

Trumps Sprüche dienen Kims Propaganda. Seine Aussagen landen zum Teil eins zu eins auf Posterwänden. Auch ein totalitärer Staat wie Nordkorea muss ein so teures Programm vor der eigenen Bevölkerung erklären. Und Trumps Rhetorik liefert dem Regime ein Beleg dafür, wie gefährlich die USA angeblich sind – und wie wichtig deshalb der Besitz von Atomwaffen sei. Aber auch sonst sind Trumps Verbalattacken nicht hilfreich.

Warum?

Druck führt in Nordkorea immer zu Gegendruck. Man muss die nordkoreanische Position in diesem Konflikt verstehen um den Konflikt zu entschärfen. Wir fragen uns immer, warum kommen die Nordkoreaner nicht einfach an den Verhandlungstisch zurück? Wenn sie jetzt an den Verhandlungstisch zurückkehren, würde dies unter Umständen das Signal aussenden, dass Trumps Politik des maximalen Drucks zum Ziel geführt hat. Und genau diesen Eindruck will Nordkorea vermeiden. Deshalb gehen viele Beobachter davon aus, dass ernsthafte Verhandlungen praktisch erst wieder möglich sind, wenn Nordkorea faktisch eine Nuklearmacht ist.

Welches Interesse könnte Nordkorea dennoch an Gesprächen haben?

Momentan wiederholt Nordkorea auch im informellen Dialog immer wieder, dass das Nuklearprogramm nicht mehr verhandelbar ist. Die Atomwaffe ist für das Regime der zentrale Garant. Umgekehrt bedeutet das aber zumindest, dass Nordkorea womöglich die Nuklearwaffe gegen eine andere Sicherheitsgarantie fallen lässt. Kurzfristig ist das unrealistisch. Aber Schritt für Schritt wäre das denkbar. Dabei gibt es aber ein Problem.

Welches?

Für Nordkorea ist die Nuklearwaffe nicht mehr nur ein sicherheits- und militärpolitisches Programm. Mittlerweile verbindet das Regime auch ein gewisses Prestige damit. Es ist zu einem Identitätsprojekt geworden. Kurzfristig ist der große Verhandlungswurf also sehr unrealistisch. Dazu bräuchte es einen enormen politischen Willen, den ich weder in Washington, noch in Pjöngjang momentan sehe.

Quelle: n-tv.de

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