Als der Audi 200 die Safari-Rallye gewann

  26 Dezember 2017    Gelesen: 757
Als der Audi 200 die Safari-Rallye gewann
Mit einem spektakulären Sieg bei der Safari-Rallye in Kenia meldet sich Audi im Jahr 1987 aus dem internationalen Rallye-Zirkus ab. Der Triumph, den Hannu Mikkola mit seinem Audi 200 einfährt, wirkt bis heute nach.
Wenn Marc Lichte über die Zukunft von Audi spricht, dann wirft der Designchef den Blick gerne zurück. Denn vor allem die Ära der Quattros und ihre Erfolge im internationalen Rallye-Zirkus haben es ihm angetan. "Quattro, das ist eine Eigenschaft, die Audi ausmacht", ist Lichte überzeugt und will das mit neuen, scharfen Linien künftig wieder stärker zum Ausdruck bringen. Bei Showcars tut er das schon lange.

Doch dass ausgerechnet der gerade erst vorgestellte A8 das erste Serienmodell ist, bei dem seine neuen Quattro-Hüften mit den scharfen Blistern über der Hinterachse zum ersten Mal voll zum Tragen kommen, ist irgendwie passend. Denn damit schließt sich nach drei Jahrzehnten ein Kreis. Schließlich war es kein Sportwagen und keiner der Ur-Quattros, sondern ein Audi 200, also im Prinzip der Urahn des A8, mit dem die Bayern ihren letzten und vielleicht spektakulärsten Rallye-Sieg eingefahren und endlich die Safari-Rallye in Kenia gewonnen haben.

Vor Walter Röhrl durchs Ziel

30 Jahre, nachdem Hannu Mikkula die Direktionslimousine mit der Startnummer 7 in einem Husarenritt nach 4002,8 Kilometern noch vor Walter Röhrl im zweiten Wagen als erster durch das Ziel in Nairobi geprügelt hat, hat die Traditionsabteilung von Audi noch einmal ein Zusammentreffen der Heroen am Ort des Geschehens arrangiert. Schließlich hatte die Safari-Rallye in Ingolstadt immer schon immer einen besonderen Stellenwert: "Die sollte man als Werk einmal gewonnen haben", so die Worte von Herwart Kreiner, dem damaligen Audi Sportchef. Und nachdem es mit dem Rallye Quattro partout nicht gelingen wollte, war der Doppelsieg von Mikkola und Röhrl auf dem vermeintlich braven 200er umso bemerkenswerter, erinnert sich Dieter Basche, der für die Entwicklung der Wettbewerbswagen verantwortlich war.

Während die alten Herren auf Campinghockern im Schatten eines Affenbrotbaumes noch in der Vergangenheit schwelgen, holen sie die Mechaniker mit ihren geschickten Händen schnell ins Hier und Heute zurück. Denn plötzlich zerreißt das Brüllen des gerade mal 2,2 Liter kleinen Fünfzylinders die Stille und lässt auch die letzten Zweifel verfliegen. Eine Herde Elefanten nimmt Reißaus, die Gnus springen aus den Hecken, erschrocken schießen die Vögel in den Himmel und auf Mikkolas freundlichem Altherren-Gesicht macht sich ein seliges Grinsen breit: Willkommen auf einer Zeitreise mit 250 PS, 330 Newtonmeter, und 200 km/h.

Ein Auto voller Erinnerungen

"Dieses Auto steckt voller Erinnerungen", schwärmt Mikkola, für den die Safari 1987 das Comeback nach bald einem Jahr Pause markiert hat. Und auch jetzt sitzt er nach einer längeren Pause zum ersten Mal wieder am Steuer: Noch etwas geschwächt von einem Lungeninfekt läuft ihm der Schweiß aus dem Helm und er wirkt festgezurrt in seinen Schalensitz fast ein bisschen verloren. Doch seine Augen strahlen, während sie wieselflink und hellwach die Strecke scannen, nach Schlaglöchern und Baumstümpfen suchen und die Ideallinie durch die afrikanische Savanne ausmachen.

Und wie ein junger Gott lässt er die Limousine über die Piste aus glutroter Erde tanzen, ohne je vom Gas zu gehen, bis eine Schleppe aus Staub die Sonne verdunkelt, seinen Weg in den Himmel schreibt und vom kurzen Comeback des 200ers kündet. Ein Ruck am Lenkrad, ein kleiner Drift, ständig mit beiden Füßen auf den Pedalen und schneller mit der Schaltung als der Co-Pilot mit dem Blick, jagt Mikkola durch die Wildnis und braucht dabei keinen Beifahrer, der ihm aus dem Gebetsbuch vorliest, so gut kennt er sich auf der Safari aus. "Immer schön den Schwung halten und nie aus dem Flow kommen," verrät er das Rezept eines Erfolges, an den damals so recht keiner glauben wollte.

Denn der Audi 200, diese brave Direktionslimousine und der Ur-Enkel des aktuellen A8 passt eigentlich zur Rallye wie ein grauer Zweireiher zum Wandertag: Mit ihren 4,80 Metern ist die Limousine viel zu lang und mit mehr als 1500 Kilogramm zu schwer für den Höllenritt durch Afrika. Und auch wenn der 200er mit seinem Fünfzylinder damals als "Ferrari für die Familie" gehandelt wurde, war er eigentlich zwei Nummern zu schwach. Erst recht, wenn man von 1987 noch ein, zwei Jahre zurückschaut.

200er besser als das Coupé

Denn dann fällt der Blick wie von selbst auf die legendäre Gruppe B, in der die Fahrzeuge völlig entfesselt waren. Wilde Flügelmonster mit hoffnungslos überzüchteten Motoren, die mit dem Serienmodell nicht viel mehr als den Namen gemein hatten – und buchstäblich mörderisch waren. Nach einer Reihe tödlicher Unfälle wurde die Gruppe B deshalb aufgelöst, Audi hat den Sport Quattro eingemottet und unter dem sehr viel engeren Reglement der Gruppe A die 200er für die Saison 1987 fit gemacht.

Dem Afrika-Auto kam dabei eine ganz besondere Bedeutung zu, sagt Dieter Basche. Und er muss es wissen. Schließlich hat er die Entwicklung des Rennwagens geleitet und die brave Limousine flott gemacht für die Strapazen auf dem schwarzen Kontinent. "Wir haben bei Tests daheim in Ingolstadt herausgefunden, dass der 200er viel besser geeignet war als das Coupé, weil er stärker, schneller und stabiler war", erinnert sich Basche. "Aber was ihn hier in Afrika erwartet hat, das konnte sich keiner ausmalen." Also ist Basche mit Mikkola und dem Auto nach Nairobi geflogen und ist tagelang über die schlechtesten Strecken gefahren, um sich ein Bild des mechanischen Martyriums zu machen. "Am Ende haben wir die gesamte Struktur verstärkt, die Bodenfreiheit erhöht und ein besonders stabiles Fahrwerk eingebaut", erinnert sich der Rallye-Rentner im Schatten eines Affenbrot-Baumes.

Ein Außenseiter für den Sieg

Dazu der Bullenfänger am Bug, die riesige Batterie an Scheinwerfern und im Kofferraum einen auf 200 Liter verdoppelten Tank- und fertig war ein Außenseiter, der plötzlich um den Sieg mitfahren konnte, sagt Basche und Mikkola schaut ihn dabei noch heute dankbar an. Denn für den Finnen hatte die "Safari" immer einen besonderen Stellenwert. Südamerika, Nordamerika, Griechenland, die Elfenbeinküste oder Monte Carlo - und natürlich daheim in Finnland – Mikkola ist überall auf er Welt gefahren. "Und jede Rallye hat ihren eigenen Reiz", sagt der 75jährige. "Doch die Safari war mir immer die liebste von allen."

Das hat für den Vollgas-Fahrer gleich mehrere Gründe. Touristisch, weil er die Landschaft liebt und zumindest beim Training auch mal ein Auge darauf werfen kann. Und sportlich, weil diese Rallye einfach nicht kalkulierbar ist. "Hier verliert man keine Sekunden, sondern Minuten oder ganze Stunden – und hat am Ende trotzdem noch eine Chance." Das liegt vor allem an der mörderischen Strecke, die für ein knappes Dutzend Prüfungen auf über 4000 Kilometern in Steppe, Savanne und Gebirge kombiniert und den Fahrern oft 36 Stunden am Steuer mit nur minimalen Pausen zugemutet hat. Und dass er sie 1972 als erster Nicht-Afrikaner schon einmal gewinnen konnte, hat seinem Faible für die Veranstaltung sicher auch keinen Abbruch getan.

Ohne Panne nicht zu schaffen

"Dass einem dabei mal was passiert, war von vornherein klar", sagt Mikkola. Denn ohne Panne oder Probleme sei dieser Höllenritt nicht zu schaffen gewesen. "Entscheidend war nur, wo dir was passiert ist, wie schnell die Helfer da waren und wie schnell du wieder los konntest." Auch mit der vergleichsweise geringen Leistung konnte sich der Finne gut arrangieren. In seiner Karriere ist er vom Volvo PV544 seines Vaters mit 50 PS bis zum Gruppe B-Boliden mit 550 PS so ziemlich alles gefahren – und mit jedem Auto musste er einen anderen Kampf kämpfen. Viele Gedanken hat er sich dabei allerdings nie gemacht.

Während sein Landsmann Rauno Aaltonen gerne den Rallye-Professor gibt und minutenlang über jedes Manöver philosophieren kann, fährt Mikkola eher aus dem Bauch heraus als mit dem Kopf – und kommt so auch mit 75 Jahren noch mit atemberaubenden Tempo über ihm unbekanntes Terrain. Und war 1987 so schnell, dass Walter Röhrl und Christian Geistdörfer 17 Minuten Rückstand hatten und das restliche Feld buchstäblich Stunden später ins Ziel kam. Dass dieser Sieg für die Ewigkeit gewesen ist, hat allerdings noch einen ganz anderen Grund: mit dem Doppelsieg von Mikkola und Röhrl in Nairobi hat sich Audi aus der Rallye-Weltmeisterschaft abgemeldet und ist bis heute nicht mehr angetreten.

Allrad ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr

Genau wie in Mikkolas Erinnerungen ist die Safari wie die gesamte Rallye-Karriere der Quattros auch in Ingolstadt noch immer lebendig. Allerdings vornehmlich bei der Abteilung Tradition, in der Sammlung und im Museum Mobile. Denn 30 Jahre nach dem Ende der Rallye-Karriere mag Quattro zwar noch immer ein großer Name sein. Doch die technische Alleinstellung hat Audi eingebüßt.

Denn Allrad gibt es bei der Konkurrenz längst auch und wenn jetzt bald die ganzen potenten Elektroautos kommen, erst recht. Doch zumindest im Styling will Designchef Marc Lichte diese Eigenheit künftig wieder stärker herausarbeiten. Fehlt eigentlich nur noch ein Abstecher nach Afrika – der Anfang einer neuen Dienstfahrt. Rennentwickler Basche würde dazu schon was einfallen und Hanno Mikkola müsste man sicher nicht zweimal fragen.

Quelle: n-tv.de

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