Warum es immer weniger Ukrainer gibt

  01 Februar 2018    Gelesen: 1645
Warum es immer weniger Ukrainer gibt
Die Ukraine ist eines jener fünf Länder auf der Welt, deren Bevölkerung am schnellsten schrumpft. Dies geht aus einer Statistik der Vereinten Nationen hervor. Dass die Ukrainer massenweise in die EU auswandern, erschwert die Lage zusätzlich, sagen Experten im Gespräch mit RIA Novosti.

„Wir sind 52 Millionen“, verkündete in den 1990er Jahren eine Kampagne der ukrainischen Regierung. Was damals an den Stolz der Nation appellierte, hat heute längst an Aktualität verloren: Laut ukrainischem Statistikamt leben in der Ukraine heute zehn Millionen Menschen weniger.

Und diese Angaben dürften noch überzogen sein. Die letzte Volkszählung in der Ukraine fand 2001 statt. Zudem wird Kiew bezichtigt, die Bevölkerungszahlen absichtlich „nach oben zu korrigieren“ – der IWF-Kredite wegen.

Ebenso wie andere postsowjetische Länder hatte die Ukraine in den 1990er Jahren eine schwere demografische Krise durchgemacht. Im Unterschied zu Russland aber konnte die ukrainische Führung auch in den 2000er Jahren die Lage nicht stabilisieren.

Viktor Janukowitsch war es, der eine konsequente Politik zur Steigerung der Geburtenrate betrieben hatte. Diese Bemühungen hielten aber nicht lange an: Nach dem gewaltsamen Machtwechsel in Kiew hat die Ukraine schlicht kein Geld mehr, um Bevölkerungswachstum anzuregen.

Ein weiterer Grund für das Schrumpfen der ukrainischen Bevölkerung ist – und darin sind sich die Experten einig – die massenhafte Abwanderung der Ukrainer ins Ausland. Genaue Angaben zur ukrainischen Migration gibt es nicht.

Mindestens acht Millionen Menschen haben die Ukraine verlassen – so eine Einschätzung des ehemaligen ukrainischen Premiers Nikola Asarow. „Weder Libyen noch Syrien noch Afghanistan noch irgendein anderes vom Krieg zerrissenes Land kennt eine Abwanderung in solchem Ausmaß“, sagte er. Die Machthaber in Kiew stimmen dem nicht zu, nennen aber auch keine Zahlen.

Wie dem auch sei: Dass Millionen Menschen aus der Ukraine abwandern, dürfte feststehen. Noch vor der Einführung der Visafreiheit im Jahr 2017 hatten polnische Behörden rund 1,2 Millionen Ukrainer in ihrem Land gezählt. Weitere Hunderttausende sind auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten nach Russland gegangen.

Die Rückkehr dieser Menschen in ihre Heimat könnte die Lage etwas richten, sagt der Kiewer Politologe und Konfliktforscher Michail Pogrebinski:

„Ich bin davon überzeugt, dass die meisten von ihnen zurückkehren werden, weil sie in Europa in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind. Bei Russland sieht es aber anders aus. Wer aus dem Osten und Süden der Ukraine nach Russland ausgewandert ist, wird dort höchstwahrscheinlich für immer bleiben.“

Schockierende Daten führt der russische Soziologe Andrej Fomin an. Sieben Millionen Schüler hatte es 1995 in der Ukraine gegeben. Heute sind es rund die Hälfte – 3,7 Millionen, wie er errechnet hat. „Es wäre also keine Übertreibung, von einer echten demografischen Katastrophe zu sprechen“, so der Soziologe.

Und neueste Umfragen zeigen: Ein Drittel der Ukrainer denkt darüber nach, ins Ausland zu ziehen. Für die Nachbarländer ist das ein ernsthaftes Risiko: Gerade erst hat die EU die Flüchtlingskrise mehr oder weniger bewältigt, schon könnte die nächste Einwanderungswelle ins Haus stehen.

Die demografische Lage in der Ukraine zu ändern gelänge indes nur, wenn der Lebensstandrad dort verbessert würde. Die Voraussetzung dafür ist, den Kampfeinsatz ukrainischer Truppen im Donbass zu beenden und endlich auf die Konfrontation mit Russland zu verzichten. „Um das demografische Wiederaufleben der Ukraine in Gang zu setzen, muss das Land seine Beziehungen zu den Nachbarn normalisieren“, sagt der Kiewer Konfliktforscher Pogrebinski.

sputniknews.com


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