Der heldenhafte Tod des russischen Piloten Roman Filipow in Syrien sorgte dafür, dass die Türkei in den Mittelpunkt von Vorwürfen rückte. Einige sprechen sogar davon, dass es angeblich die Türken waren, die den Dschihadisten in Idlib das Raketenabwehrsystem lieferten, mit dem die russische Su-25-Maschine abgeschossen wurde. Doch in der Tat halfen die Türken, den Leichnam Filipows von den Extremisten zu bekommen, um ihn nach Russland zu überführen.
Es gibt sehr viele Interessierte, die Russland und die Türkei aufeinander hetzen wollen, auch das Misstrauen gegenüber der türkischen Seite ist in Russland noch groß – sowohl nach dem Abschuss des russischen Su-24-Flugzeugs vor mehr als zwei Jahren als auch wegen der „historischen Umstände“ – Russland hat immer gegen die Türken gekämpft und man dürfe ihnen nicht vertrauen.
Doch seit dem letzten russisch-türkischen Krieg sind 100 Jahre vergangen. Heute wurden im Syrien-Krieg, bei dem Russland und die Türkei zunächst die Seite des jeweils anderen unterstützten, gemeinsame Handlungen vereinbart sowie eine Übereinkunft bezüglich gemeinsamer Interessen erreicht. Falls die Beziehungen Russlands und der Türkei den Härtetest namens Syrien-Krieg bestehen, gibt es hervorragende Aussichten auf eine strategische Zusammenarbeit.
Doch sind die Völker beider Länder dazu bereit? Das ist keine einfache Frage, zumal skeptische Analysten ständig betonen, dass die Annäherung beider Länder vor allem die Folge einer geopolitischen Entscheidung der beiden Präsidenten ist – für sie sei es angeblich vorteilhaft, auf die Festigung der Beziehungen zu setzen und damit Zugeständnisse vom Westen anzustreben. Sollte es Putin und Erdogan irgendwann einmal nicht mehr geben oder sich ihre Beziehungen zum Westen ändern, dann würden auch alle russisch-türkischen Luftschlösser verschwinden.
Eine solche „Analyse“ grenzt zwar an bewusste Schwarzmalerei, doch sie kann auch nicht vollständig ignoriert werden. Die Türkei führte seit Beginn der syrischen Operation tatsächlich ein Doppelspiel, was das Leben des russischen Piloten und eine neun Monate dauernde Pause in den gegenseitigen Beziehungen kostete. Doch Erdogan hat offenbar dazugelernt – er entschuldigte sich für den Tod des russischen Piloten und blieb bei dem Putschversuch an der Macht. Erdogan hat seine Wahl getroffen und wird nicht mehr versuchen, sich in die russisch-amerikanischen Kontroversen einzumischen.
Dass sein Ton gegenüber den USA zunehmend schärfer wird, ist kein Zufall:
„Wir werden gefragt, wann wir unsere Operation in Syrien beenden werden. Und haben sie (die USA) Afghanistan, den Irak schon verlassen? Sie sagen, dass es den IS nicht mehr gibt. Warum bleiben sie dann noch weiter dort? Das heißt, dass sie Pläne gegen die Türkei, den Iran und vielleicht gegen Russland haben. Doch wir werden festbleiben“, sagte Erdogan.
Die Beziehungen zum Iran und Russland sind die geopolitische Wahl der Türkei – nicht einfach in Syrien, sondern in der Nahost-Region und im globalen Sinne. Russland und die Türkei haben so viele gegenseitig vorteilhafte Projekte – von Energieprojekten wie dem AKW-Bau in der Türkei oder der Gaspipeline Turkish Stream bis zu geopolitischen Projekten – dass es einfach dumm wäre, auf den Versuch zu verzichten, zuverlässige strategische Beziehungen aufzubauen.
Die Nato-Mitgliedschaft der Türkei und ihre Ausrichtung auf den EU-Beitritt spielen nicht mehr so eine große Rolle wie früher – man begreift die Illusionen hinsichtlich der EU-Integration und die Unzufriedenheit mit der Koalition mit der Nato und den USA. Der Krieg in Syrien und die Lieferungen der russischen S-400-Systeme (der Beschluss, sie trotz US-Drucks zu kaufen) stellen die Frage nach einer vollständigen Eigenständigkeit der Türkei als regionale Macht. Das bewegt Ankara zu einer engeren Kooperation mit Russland, das an einer selbstständigen und starken Türkei interessiert ist, die nicht an den transatlantischen Spielen zur Einkesselung Russlands teilnimmt.
Laut Umfrageergebnissen des türkischen Meinungsforschungsinstituts Optimar sehen 62 Prozent der Befragten eine Annäherung zwischen der Türkei und Russlands als eine positive Erscheinung. Negativ eingestellt dazu sind nur 22 Prozent, weitere 15 Prozent haben keine eindeutige Position. Auf die Frage „Sehen sie sich als Gegner der USA?“ antworteten 72 Prozent mit „Ja”. 23 Prozent sagten „zum Teil“, nur 5,4 Prozent sagten „Nein“.
Dass so viele Türken über die USA verärgert sind, hängt damit zusammen, dass die Amerikaner die Kurden unterstützen und sich immer wieder in türkische Angelegenheiten einmischen. Im Ergebnis haben die USA die Sympathien in der türkischen Gesellschaft fast völlig verloren.
sputniknews
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