Die verrückteste zweite Liga aller Zeiten

  20 März 2018    Gelesen: 884
Die verrückteste zweite Liga aller Zeiten

Ausgeglichen, spannend und unterhaltsam. Die zweite Fußball-BundesligaLiga scheint in vielerlei Hinsicht attraktiver als die erste. Aber warum ist der Konkurrenzkampf überhaupt so hart und reizvoll? Unser Kolumnist hat da eine Idee.

 

 

All das, was sich der Fußballfan seit so langer Zeit mal wieder in der ersten Liga wünschen würde, wird eine Etage tiefer in diesen Tagen zelebriert: Spannung ohne Ende! Den Tabellenvierten, den SSV Jahn Regensburg, und den Tabellensechzehnten, den FC Erzgebirge Aue, der am Montagabend mit 2:1 gegen die SpVgg Greuther Fürth gewann, trennen in der zweiten Fußball-Bundesliga gerade einmal sieben Punkte. Das ist verdammt wenig nach 27 Spieltagen und bedeutet, dass sich der Jahn tunlichst eine Niederlagenserie nicht leisten sollte.

Oder anders ausgedrückt: 40 Punkte werden in diesem Jahr voraussichtlich nicht für eine Rettung in der zweiten Liga reichen. Zwölf bis 13 Vereine müssen also noch bangen. Und das ist nicht nur eine kleine Sensation, sondern vor allem auch ein Ausdruck einer nicht unwesentlichen Sache: Die Liga ist so ausgeglichen wie wohl noch nie in ihrer fast 44jährigen Geschichte. Jeder kann jeden schlagen - denn selbst der souveräne Erste, Fortuna Düsseldorf, hat seine bisher sechs Niederlagen gegen Klubs aus allen Tabellenregionen kassiert.

Aber warum ist die Lage in der zweiten Liga in dieser Spielzeit so fundamental anders als in der ersten? Die Begründung ist einfach: Weil zwischen den Fernsehgeld für die Erstliga-Absteiger aus Ingolstadt und Darmstadt und dem Neuling Holstein Kiel zwar stolze elf Millionen Unterschied liegen, aber keine 70 Millionen wie in der ersten Liga. Und weil man naturgemäß mit diesem kleinen Mehr an Geld in der heutigen Zeit auch nicht allzu große Sprünge machen kann, da die Qualität der Spieler in diesem Preissegment wegen ein paar Euro mehr nicht exorbitant ansteigt. Deshalb gibt es im Werben um die besten Akteure zwar theoretisch einen Vorteil für die finanzkräftigeren Klubs, da jedoch praktisch kein Markt für Spieler auf diesem Leistungsniveau existiert, fällt dieser potentielle Nutzen eher gering aus.

Nicht allein das Geld entscheidet


Und so kommt es, dass plötzlich wieder ganz andere Werte eine Rolle spielen. Mannschaftliche Geschlossenheit, Konstanz auf allen Ebenen des Vereins und nicht zuletzt ein kluges und gutes Händchen bei der Auswahl und Zusammenstellung des Personals. Kurzum: Leistung und Engagement lohnen sich wieder. Nicht allein das Geld entscheidet über die Platzierung, sondern vor allem das eigene, geschickte Agieren. Und das macht diese Liga in dieser Spielzeit so wertvoll: Sie vermittelt das Gefühl von echtem, authentischen Sport - auch wenn sich die Fans der Vereine erst noch an dieses ungewohnte Gefühl der Spannung gewöhnen müssen.

Im nächsten Jahr wird dieser ganz besondere Kick vermutlich schon wieder Geschichte sein. Egal, ob der Hamburger SV, der 1. FC Köln, der 1. FSV Mainz 05 oder der VfL Wolfsburg runter müssen, es wird finanziell ein Riesengefälle zwischen den zwei oder drei Absteigern und dem Rest bestehen. Und dieses Ungleichgewicht wird sich zwangsläufig auf die komplette Konstellation auswirken. Denn all diese Klubs  verfügen über die finanziellen Mittel, sich - im Bedarfsfall - bei den übrigen Mitstreitern bedienen zu können. Das wird unmittelbar Auswirkungen auf das "Liga-Klima" bereits vor der Saison haben.

Also ist der diesjährige Verlauf der zweiten Liga nur ein flüchtiges, weil historisch einmaliges Ereignis - ohne irgendeine Lehre für die Zukunft? Wenn man die Entwicklung des Fußballs in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren sieht, kann man diese Frage leider nur mit einem entschiedenen Ja beantworten. Seitdem das Prinzip der Solidargemeinschaft de facto nicht mehr existiert, ist es zu dieser fundamentalen Schieflage in der ersten Liga gekommen. Am Beispiel der Verteilung des TV-Geldes kann man klar die Missstände aufzeigen.

Oder um es anders zu sagen: So lange es nicht wieder zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Gelder kommt, wird sich die Schere zwischen den reichen und potenten Klubs und dem Rest immer weiter auftun. Die Folge daraus wird auch in Zukunft sein: Gähnende Langeweile an der Tabellenspitze und ein riesiges Gefälle zwischen Arm und Reich innerhalb der Liga.

Wie es aber besser, attraktiver und vor allem gerechter sein könnte, offenbart diese Zweitliga-Spielzeit. Es weht ein Hauch von früher durch die kleinen Stadien - mitten ins Herz der Fußballfans. Schade, dass dieser Wind nicht noch etwas länger wehen darf.

Quelle : n-tv.de


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