Keiner liebt den respektlosen FC Bayern

  23 April 2018    Gelesen: 1828
Keiner liebt den respektlosen FC Bayern

Münchens Fußballer gewinnen auch in Hannover, verspotten kurz den Gegner und wenden sich Real zu. Derweil explodiert die Dortmunder Wundertüte, RB Leipzig muss sich ans Mittelmaß gewöhnen.

1. Der FC Bayern wird niemals Meister der Herzen
Wie kann es sein, dass ein vernünftig denkender Mensch Fan des FC Bayern ist? Und wie kann es sein, dass so ungeheuer viele vernünftig denkende Menschen Fans des FC Bayern sind? Diesen Fragen hat die "Zeit" vor einigen Monaten eine ganze Seite gewidmet, Überschrift damals: "Das Geheimnis der Rothosen". Es war nur so, dass sich eine überzeugende Antwort auf dieser Seite nicht fand, eine Vermutung lautete: Während die Fans anderer Klubs durch Niederlagen zusammengeschweißt werden, sind in München die Siege das verbindende Element, die Angst vor dem Untergang. Die gute Nachricht für die Bayern ist: Von diesen Siegen gab es zuletzt wieder reichlich, seit der gefeuerte Carlo Ancelotti durch Ruheständler Jupp Heynckes ersetzt wurde, zuletzt beim lockeren 3:0 in Hannover an diesem 31. Spieltag der Fußball-Bundesliga.

Die schlechte Nachricht ist nur eine Vermutung, sie lautet: Allzu viele vernünftig denkende Menschen hat der FC Bayern in dieser Zeit nicht als Freunde hinzugewonnen. Das liegt nicht an Heynckes. Das liegt auch nicht an den schottischen Verhältnissen, die die Münchner in der Bundesliga etabliert haben. Es liegt daran, dass die Bayern zwar die Liga gefühlt seit Ewigkeiten anführen, aber dennoch ein kapitales Führungsproblem haben. Wie die Münchner Bosse die Verpflichtung von Niko Kovac kommunizierten, kommentierten und moderierten, wie sie Eintracht Frankfurt danach noch von oben herab behandelten und maßregeln wollten, stieß vielen sauer auf. Als noch respektloser empfanden aber auch Bayern-Fans, wie sich Präsident Uli Hoeneß nach dem Spiel in Hannover äußerte. Auf die Frage, ob Real Madrid vor dem Halbfinale in der Champions League am Mittwoch (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) durch das spielfreie Wochenende einen Vorteil habe, antwortete er: "Wir gehen ja auch mit einer Pause ins Spiel. Heute war Pause." Rekordmeister mag der FC Bayern sein - Meister der Herzen wird er unter Hoeneß nie.

2. Stögers BVB kann auch begeistern

Es gab da natürlich den Kollegen Stephan Uersfeld, der vor dem Topspiel des 31. Spieltags zwischen Dortmund und Leverkusen prophezeite: Das Spiel endet 4:0. Und zwar für den BVB, obwohl die Formkurven beider Teams zuletzt diametral auseinanderliefen. Abzulesen war das vor Spielbeginn auch auf einem 35 Meter langen Transparent vor der Dortmunder Südtribüne, auf dem stand: "Kein Wille, keine Leidenschaft, kein Mut - keine Mannschaft. Niemand verkörpert Borussia Dortmund so wenig wie ihr." Auf einem anderen stand: "Den Stellenwert des Derbys nicht verstanden. VERSAGER!"

Und dann? Endete das Spiel absurderweise exakt wie vorhergetwittert. Noch absurder war nur, dass Leverkusen damit sogar noch gut bedient war an einem Fußballnachmittag, an dem die schwarzgelbe Wundertüte explodierte: vor Spielwitz, Gier, Leidenschaft, Mut - vor jenen Dingen, die unter Trainer Peter Stöger zuvor nur homöopathisch im BVB-Spiel vorhanden waren. Selbst Rückschläge wie das Abseitstraumtor von Marco Reus oder dessen kläglich vergebener Elfmeter, die Dortmund sonst gleich für zwei Spiele aus dem Tritt gebracht hätten, konnten den BVB diesmal nicht bremsen. Nach den 90 furiosesten BVB-Minuten seit Monaten rieb sich am Ende nicht nur das gesamte Dortmunder Stadion kollektiv die Augen, sondern ganz Fußball-Deutschland. Denn der Stöger-BVB kann tatsächlich begeistern. Jetzt bleibt nur noch die Frage zu klären: Warum tut er es selten?

3. RB Leipzig lernt die Mediokrität kennen

Höher, weiter - und das möglichst schnell. Kaum waren die Rasenballsportler dank der Red-Bull-Millionen in Rekordzeit in der Bundesliga angekommen, stürmten sie auch schon in die Champions League. Doch nun, zum Ende ihrer zweiten Saison in der höchsten deutschen Spielklasse, scheinen die Leipziger an ihre Grenzen zu stoßen. Und sind, gemessen an ihrem furiosen Aufstieg, plötzlich nur noch Mittelmaß. Das mit der erneuten Teilnahme an der europäischen Königsklasse kann die Mannschaft von Trainer Ralph Hasenhüttl nach dem bitteren 2:5 gegen die TSG aus Hoffenheim mutmaßlich abschminken, in den letzten drei Partien - in Mainz, gegen Wolfsburg und in Berlin - kann es nur noch darum gehen, sich zumindest in die Europaliga zu retten. Einfach wird das nicht, das Team wirkt verunsichert, wie der Kollege Ullrich Kroemer aus Leipzig berichtet: "Gegentorflut statt Königsklasse - RB Leipzig wird zur Schießbude der Liga".

4. Der Abstiegskampf ist noch nicht entschieden

Wie sehr die Fans in Köln, Hamburg, Freiburg, Mainz und Wolfsburg leiden, kann nur ahnen, wer je in vergleichbarer Lage war. Und der weiß: Wider besseres Wissen stirbt die Hoffnung tatsächlich zuletzt. Da mögen die Rechnungen auch noch so absurd sein. Warum also sollte der 1. FC Köln, der sich als Tabellenletzter am Sonntag ein 2:2 gegen den Tabellenzweiten Schalke 04 erkämpft hat, nicht die letzten drei Spiele gewinnen? Erst bei einem SC Freiburg, der mit dem 0:1 in Hamburg nun das vierte Spiel hintereinander verloren hat und mit den Nerven am Ende scheint. Dann am 5. Mai gegen einen FC Bayern, der just das Endspiel in der Champions League erreicht hat. Und schließlich, am letzten Spieltag gegen einen VfL Wolfsburg, dem es - gemessen am lustlosen 0:3 in Mönchengladbach - völlig egal scheint, ob er nun absteigt oder nicht. Warum also sollten es die Kölner und ihr Trainer Stefan Ruthenbeck nicht doch noch schaffen?

Oder der Hamburger SV? Am nächsten Samstag (ab 15.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) geht's ins Stadion am Mittellandkanal zu eben jenen Wolfsburgern, dessen Sportdirektor Olaf Rebbe sich erst fragte, "ob da wirklich alles gegeben wurde" und dann konstatierte: "So funktioniert kein Abstiegskampf." Das klang wie ein spitzer Gruß in Richtung Trainer Bruno Labbadia, der allerdings behauptete, an der Einstellung seiner Spieler habe es nicht gelegen. Abgesehen davon hält sich hartnäckig das Gerücht, der VfL wolle unbedingt Manager Horst Heldt aus Hannover weglocken. Gelänge das, müsste Rebbe wohl gehen. Aber zurück zum HSV: Gewönne der in Wolfsburg, dann bei schwächelnden Frankfurtern und schließlich gegen die Borussia aus Mönchengladbach - wer weiß, vielleicht müsste die Mannschaft von Trainer Christian Titz noch nicht einmal in die Relegation. Tja, wer weiß es schon. Vielleicht kommt es aber auch einfach so, dass Köln und Hamburg direkt absteigen; und Freiburg, Mainz und Wolfsburg machen den Teilnehmer an der Relegation unter sich aus.

5. Die Sache mit der Lusche und dem HSV

Apropos Christian Titz: Der Mann ist seit dem 13. März für die Mannschaft und nun - nach dem 1:0 gegen den SC Freiburg - auch dafür verantwortlich, dass sie in Hamburg und um Hamburg herum inzwischen tatsächlich daran glauben, den ersten Abstieg der Vereinsgeschichte doch noch vermeiden zu können. Titz sagt: "Ich muss meiner Mannschaft ein Kompliment machen. Wir waren abgeschlagen, dann ist es nicht leicht, sich Woche für Woche heranzukämpfen. Und: "Wir können jetzt in Wolfsburg wieder in Schlagdistanz kommen, darauf müssen wir uns konzentrieren." Was er nicht sagt: Der bisher letzte Auswärtssieg des ruhmreichen HSV datiert vom zweiten Spieltag. Am 25. August gewannen die Hamburger in Köln mit 3:1. Seinerzeit hieß der Trainer noch Markus Gisdol. Aber wie dem auch sei: Wie das war im Volkspark beim Sieg gegen Freiburg und welche Rolle dabei eine Lusche spielte - das hat unser Kollege Heiko Oldörp aufgeschrieben: "Der Hamburger SV hat immer noch Puls".

6. Tedesco rügt arrogante Schalker

Der FC Schalke 04 spielt zwar in Köln nur 2:2, lässt sich aber nicht beirren, steht drei Runden vor dem Ende dieser Spielzeit weiter hinter den Über-Bayern auf Platz zwei in der Tabelle und steuert in Richtung Champions League. Das kann man so sehen, stimmt ja auch. Aber Domenico Tedesco, der Trainer der Gelsenkirchener, war ganz und gar nicht amüsiert. Europäische Königsklasse? "Da brauchen wir erst einmal gar nicht drüber reden. Da gibt es Teams, die es derzeit besser machen als wir", sagte er - und meinte damit den Nachbarn aus Dortmund, der beim 4:0 gegen Leverkusen brillierte, und die Hoffenheimer, die mit 5:2 bei den Rasenballsportlern in Leipzig auftrumpften. Ähnliches hätte Tedesco gerne auch von seinen Schalkern gesehen die im Müngersdorf "zur Pause 3:1 oder 4:1" hätten führen können, wie der Trainer monierte. Stattdessen stand es nur 2:1, und das reichte am Ende nicht, weil es die Schalker allzu fahrlässig versäumten, trotz bester Gelegenheiten den Ball in des Gegners Tor zu schießen. Oder wie es Tedesco formulierte: "Arroganter kann man nicht spielen."

n-tv


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