Ein ganzes Meer von Gesichtern zieht durch die Straßen – vom Belorusski (Weißrussischen) Bahnhof, von wo aus die Soldaten 1941 an die westliche Front fuhren, über die Twerskaja Straße bis zum Roten Platz am Kreml. Viele dieser Soldaten kehrten nicht zurück. Doch heute stehen sie alle in einem „Unsterblichen Regiment“. Ihre Fotos werden von ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln hoch über dem Kopf getragen. Im Gespräch mit Sputnik-Korrespondentin Natalia Pawlowa erzählten sie über ihre Verwandten.
Mein Vater, Pantelej Akimowitsch Terentjew, kämpfte vom ersten Tag des Krieges an bis November 1945. Er nahm an der Schlacht um Odessa und Sewastopol teil und war zwei Jahre lang in einer Partisaneneinheit auf der Krim. Mit der Ersten Weißrussischen Front erreichte er Berlin und kehrte erst im November in die Heimat zurück. Er lebte noch lange nach dem Krieg — 30 Jahre. Mein Bruder und ich sind späte Kinder. Nach der Einnahme von Odessa durch die deutschen Truppen geriet unsere Mutter zusammen mit anderen Zivilisten in Gefangenschaft. Die Faschisten zwangen sie alle dazu, eine Grube zu graben und sich an den Rand zu stellen. Ich weiß nicht, wie es meiner Mutter in den Sinn kam, in die Grube zu springen, noch ehe die Schüsse ertönten. Sie lag dort bis es dunkel wurde, dann kroch sie heraus und ging zu Fuß zwei Monate nach Hause. Sie erlebte das Kriegsende und konnte den Vater erwarten.“
„Mein Großvater, Nikolaj Fjodorowitsch Pawlenko, hat den ganzen Krieg durchgemacht. An die Front ging er schon als erwachsener Mann – im Alter von 30 Jahren. Er kämpfte in der Region Krasnodar, im Kuban-Gebiet. Während der Schlacht um die Krim überquerte er die Kertsch-Straße. Meine Großmutter war in der Okkupation, grub Gräben mit anderen Frauen, das war eine übliche Praxis. Großvater kehrte aus Europa vom Krieg zurück, lebte ein volles Leben und hat vier Söhne erzogen.“
„Mein Vater, Dmitri Alexandrowitsch Solowitschenko, kam im Jahr 1943 auf der Halbinsel Kertsch bei der krimtatarischen Kleinstadt Eltigen ums Leben. Er war Marineinfanterist. Sein Landungstrupp musste eine Gefechtsaufklärung durchführen. Die erwartete Verstärkung ist nie gekommen und der ganze Landungstrupp wurde vernichtet. An diesem Ort gibt es heute ein Denkmal. Mein Bruder besuchte den Ort und erfuhr alles über jene Ereignisse. Ich kann das leider aus Gesundheitsgründen nicht.“
„Mein Vater, Iwan Wassiljewitsch Sotow, ist den ganzen Kriegsweg von der Stadt Slatoust im Gebiet Tscheljabinsk im Ural bis nach Berlin gegangen. Er war Funkmeister einer Fahrzeugreparaturgruppe. Sie marschierten in den Vorhuttruppen. Nach der Befreiung der Stadt Plawsk im Gebiet Tula im Jahr 1943 hatte er drei Tage Urlaub und lernte meine Mutter kennen. Seitdem standen sie im Briefwechsel. Mutter hat alle Briefe aufbewahrt. Nach dem Krieg kehrte Vater im September 1945 zurück und heirateten sie. Zuerst wurde meine Schwester geboren, dann ich. Wir ehren zutiefst das Andenken unserer Eltern, wir haben viele Dokumente der Kriegsjahre aufbewahrt.“
Die Volksbewegung „Unsterbliches Regiment“ besteht seit 2012. Sie wurde von Journalisten der sibirischen Stadt Tomsk ins Leben gerufen, denen aufgefallen war, dass immer weniger Veteranen am Tag des Sieges teilnehmen. So beschlossen sie, dass die Kriegsteilnehmer zumindest auf den Fotos die Feier miterleben müssen. Aus der Idee entstand eine internationale Bewegung. Das „Unsterbliche Regiment“ marschiert bereits in mehr als 40 Ländern, darunter in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den USA, in Polen, Italien, Lettland, Litauen und anderen.
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